Kapitel 4
So
schnell die Füße den Waidmann trugen, rannte er zurück in die
tiefen, schwarzen Schatten des Waldes. Selbst wenn der Tag schon
längst angebrochen war, die verwachsenen Baumkronen über ihm
machten es dem Tageslicht schwer hindurch zu kommen.
Die
Wirkung des Tranks, welcher ihm das Sehen in der Nacht ermöglichte,
war längst vergangenen, doch noch konnte er genug im Zwielicht
erkennen um sich selbst einen Weg zu bahnen.
Der
gefrorene Boden unter seinen Füßen ließ ihn oftmals schlittern,
Pulverschnee wurde von seinen Stiefeln aufgewirbelt, und er merkte
dass ihm Gestalten folgten.
Mit
ihnen konnte er sich nicht aufhalten, er musste sie bei passender
Gelegenheit abhängen, vielleicht war dies auch gar nicht möglich da
sie bereits wussten wohin ihn sein Weg führen würde.
Sein
heißer Atem verdampfte knisternd in der kalten Winterluft.
Kurz
nachdem er die Hütte des Druiden passiert hatte, blieb er kurz
stehen und ließ den Blick schweifen. Er erinnerte sich an die Worte
die er in dem Tagebuch gelesen hatte, dass in der Nähe ein Fluss
durch eine tiefere Senke führen musste.
Es
war bereits zu kalt geworden, als dass der Fluss sich durch das
vertraute Rauschen enttarnen ließ, also musste Fisk sich blindlings
durch das Unterholz begeben. Ihm fiel zwischen all den Bäumen und
Sträuchern eine Art kleiner Pfad auf, vielleicht war dies ein Weg
den der Druide oft gewählt haben musste.
Der
Pfad schlängelte sich einen kleinen Hang hinab. Das gefrorene
Laub unter seinen Stiefeln gebot ihm kaum Halt, aber er durfte keine
Zeit verlieren. Sich still und leise an diesem Ort zu bewegen brachte
ihm nichts. Fisk wusste, um ihn herum lauerten unzählige Augen die
ihn beobachteten. In jedem Baum, in jedem Strauch waren die Geister
des Waldes zu Hause, verderbt von dem Fluch der ihrem Heim anlastete.
So
rutschte der Waidmann den Hang hinab, unten angekommen rannte er
bereits weiter, hinter ihm das dumpfe Stöhnen seiner Verfolger.
Plötzlich
kreuzte sein Pfad eine breite Fläche aus Eis. Der Fluss, den er
gesucht hatte, lag direkt vor ihm, keine zwei Meter breit.
Dicht
trat er an das Ufer und blickte das Flussbett entlang welches sich
immer tiefer in den Wald schlängelte. Etwas fiel ihm in der Ferne
bereits auf, etwas dass ihm großes Unbehagen bereitete und von dem
der Druide nicht einmal berichtet hatte. Vielleicht weil er sich
schon lange nicht mehr in diesen Teil des Waldes getraut hatte, oder
weil sein Körper so lange schon verrottete.
Seine
Finger griffen nach dem Heft seines Schwertes, es summte schon eine
ganze Weile vor freudiger Erregung. Als er es langsam herauszog,
konnte er den unbändigen Durst des Stahls vernehmen der danach
schrie das Böse von dieser Welt zu verbannen. Seine Handinnenfläche
brannte wie Feuer.
Fisk
zog die Klinge blank, hinter seinem Rücken näherten sich die
Leidenden, die ihm schon lange folgten, in der Hoffnung an ihm ihre
alles verzehrende Rache zu nehmen. Rache für all das Leid und den
Schmerz der ihnen bereitet wurde.
Diesen
Wunsch konnte er ihnen nicht erfüllen, nur die Erlösung.
Er
wirbelte herum und ließ seine Klinge in der kalten Luft tanzen.
Zertrennte Knochen und Fleisch, trennte Köpfe von ihren Leibern und
streckte nieder was schon längst tot sein sollte.
Als
sein Werk verrichtet war, zog es ihn weiter.
Nach
wenigen Metern kam er an die Stelle die ihm bereits aus der Ferne
aufgefallen war. Die Wurzeln eines Baumes waren an manchen Stellen
aufgebrochen und ein dumpfes, violettes Schimmern trat daraus hervor.
„Verderbnis...“ Er kannte sie nur zu gut, daher gab es keinen
Zweifel für den Jäger.
Langsam
ging er weiter, das violette Leuchten zeigte ihm den Weg zum Herzen
des Fluches. Immer mehr Bäume trugen die Spuren, ihre Wurzeln und
bald auch ihre Stämme waren zerborsten und eine violette Masse quoll
hervor. Er passierte Pilze, die sich trotz der Kälte durch den Boden
gebohrt hatten. Der Schnee machte ihnen nichts aus, sie wirkten als
seien sie transparent, und auch sie gaben ein violettes Leuchten ab.
Die
Verderbnis wucherte an jedem Baum, jedem Strauch, wie ein Geschwür
das sich immer weiter auszubreiten schien. Deformierte Bäume beugten
sich über ihn, als wollten sie ihre Äste gebrauchen um nach ihm zu
greifen.
Das
Summen seines Schwertes nahm zu, er umfasste den Griff noch fester.
Der gefrorene, mit Schnee bedeckte Boden wich einem morastigen
Untergrund und der Gestank von Fäulnis trieb die Übelkeit in seine
Magengrube.
Fisk
zog sich den Stoff seines Schals über die Nase und schlich in
gebeugter Haltung weiter. Ein Lufthauch streifte ihn, eisig kalt wie
der Hauch des Todes persönlich.
In
letzter Sekunde gelang es dem Waidmann auszuweichen. bevor eine
schwarze Hand nur knapp an seinem Gesicht entlang fuhr.
Fisk
blickte hoch in ein Gesicht das keines war.
Der
Leib des Wesens war in eine lange, graue Kutte gehüllt die seinen
schwarzen Körper fast gänzlich verbarg. Sie war bestickt mit
Tüchern aus dunklem Leinen auf denen rote Runen flackerten.
Schnell
wie der Wind wich es zurück, seine Kutte blähte sich leicht unter
einem nicht existierenden Wind, dann erst erkannte Fisk dass es keine
Füße hatte und nur wenige Zentimeter über dem Boden schwebte.
Kurz
stockte Fisk der Atem, ihm war dieses Wesen gänzlich unbekannt,
obwohl er in der Annahme war, in seinem Leben schon fast alles
gesehen zu haben. Ein Irrtum. Ein ziemlich dummer.
Irgendetwas
an dieser Kreatur ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Noch
immer versuchte er ein Gesicht in der Schwärze zu erkennen die unter
der Kapuze der Kutte lag, aber dort schien einfach nichts zu sein. Es
streckte die Arme nach dem Waidmann aus, seine langen Finger waren
gekrümmt wie Klauen. Wieder stürzte es nach vorn, Fisk machte sich
bereit auszuweichen, doch dann ging alles ganz schnell und etwas
geschah, das nicht geschehen sollte.
Unter
der Schwärze der Kapuze tat sich ein langer Schlund auf der fast das
komplette Gesicht einnahm, und entblößte eine lange Reihe aus
spitzen Zähnen. Ein Schrei drang aus der Kehle der Kreatur, so
schrill dass Fisk glaubte ihm würde es seinen Kopf zerreißen. Dann
konnte er sich nicht mehr bewegen.
Er
hatte zur Abwehr noch einen Arm hoch gerissen, doch kein Muskel
seines Körpers wollte ihm jetzt noch gehorchen. Das Schwert lag
unendlich schwer in seiner anderen Hand und seine Füße schienen im
fauligen Morast verwachsen zu sein. Sein Blick war auf den finsteren
Schlund vor sich gerichtet. Der Gedanke, ob es ihn im ganzen
verschlingen wollte, oder erst mit seinen Klauen zerreißen würde,
schoss ihm durch den Kopf.
Alles
geschah in nur wenigen Sekunden. Sekunden die für den Waidmann wie
eine Ewigkeit wirkten, denn er fühlte sich als würde der Tod ihn
nun endlich überlistet haben. Das wollte er nicht zulassen. Niemand
konnte ihm jetzt noch helfen, er war allein in der Tiefe dieser
verwunschenen Wälder, kein Ort an dem man eines ruhmreichen Todes
starb. Also musste er los lassen, die Kontrolle von etwas lösen,
dass er eigentlich niemals frei lassen durfte, doch ohne es, würde
er sterben.
In
seiner ausgestreckten Hand manifeszierte sich ein violettes Licht,
formte sich zu einer Flamme die sich um seine Finger schlang. Das
Feuer loderte auf, und schoss im nächsten Augenblick vor, direkt in
das formlose Gesicht der Kreatur.
Die
Flamme explodierte und hüllte den gesamten Körper ein, verzehrte
ihn, brachte die schlimmsten Todesqualen mit sich. Fisk konnte sich
wieder bewegen und taumelte nach hinten. Das Wesen schlug
unkontrolliert um sich, schrie vor Schmerz bis die Flammen seinen
Leib gänzlich verzehrten, und nur noch einen kleinen Haufen
glimmender Asche übrig ließen.
Fisk
atmete schwer, seine Augen waren weit aufgerissen und erfüllt von
eben jenem violetten Leuchten das soeben seiner Hand entsprungen war,
und dass den Wald um ihn herum befallen hatte.
Ein
paar Male blinzelte der Waidmann, dann hatten seine Augen wieder die
Farbe von klarem Blau angenommen. „Verflucht!“ Er zischte vor Wut
und atmete noch einige Male tief durch. Dieser Auftrag konnte nicht
wieder gut machen, was er in nur einem kurzen Augenblick gerade
wieder verloren hatte.
Wütend
zerstampfte er mit seinem Stiefel den Haufen Asche vor sich, bis auch
der letzte Funken des dämonischen Feuers erloschen war.
Dann
ging er weiter, verteufelte sich selbst das nächste Mal aufmerksamer
zu sein, noch solch ein dummer Fehler sollte ihm nicht passieren.
Mit
größerer Vorsicht schlich sich der Waidmann durch das Unterholz,
immer schlimmer wurden die Geschwüre der Dämonenmagie, er konnte
spüren wie sie ihn rief, ihn lockte. Immer wieder mahnte er sich
nicht die Konzentration zu verlieren. Noch ein paar Mal begegnete er
den merkwürdigen Kreaturen, die lautlos über den Waldboden
schwebten, eine jede trug die zerlumpten Kutten mit den Aufnähern,
auf denen rote Runen tanzten. Still und heimlich gelang es ihm sich
an ihnen vorbei zu schleichen, es juckte ihn in den Fingern
herauszufinden wie er sie besiegen konnte ohne die Magie anzurufen,
aber er durfte kein Risiko eingehen. Er musste sich beeilen. Für
Veldig und die Bewohner von Kraic.
Nach
einer Weile des Fußmarsches lag plötzlich eine kleine Lichtung vor
ihm, und was er dort sah trieb kalte Schauer seinen Rücken hinab.
Das musste es sein. Sein Ziel.
Inmitten
der Lichtung stand ein Baum. Viele Jahre schon alt, so groß
gewachsen war er. Seine nackte Baumkrone erstreckte sich fast über
dem gesamten Himmel über sich. Dunkle Wolken hingen tief und
brachten sicherlich bald neuen Schnee mit sich.
Ein
fauliger Duft lag in der Luft.
An
den dicken Ästen des Baumes baumelten leblose Körper. Rings herum
hatte man sie mit dicken Stricken aufgeknöpft. Dem Anblick nach
waren sie schon eine sehr lange Weile tot, das letzte Bisschen
Fleisch hing träge von ihren Knochen. Doch noch etwas befand sich
auf den knorrigen Ästen, eine ganze Schar von Raben deren matte
Augen auf ihn gerichtet waren.
Fisk
umfasste das Heft seines Schwertes noch fester, es war schwer den
Blick von dem entsetzlichen Bild vor sich zu lösen, aber er durfte
nicht wieder in eine Falle laufen.
Die
Lichtung schien bis auf den alten Riesen vollkommen verlassen. Ein
kalter Wind fegte über ihn hinweg und schaukelte die toten Leiber
sachte hin und her.
Das
musste er sein, der Baum von dem der Druide in seinem Tagebuch
geschrieben hatte. Unter seiner Rinde sah Fisk ein violettes Licht
pulsieren. Langsamen Schrittes ging der Waidmann über die Lichtung,
alles was zu hören war, war sein eigener Atem. Die Augen der Raben
hatten ihn noch immer fixiert, ließen ihn nicht mehr los.
Erst
als er wenige Meter noch von dem Baum entfernt war, begannen sie alle
zusammen unruhig mit ihren Flügeln zu flattern, es war ein Geräusch
so nervtötend dass es ihm den Verstand rauben konnte.
Unter
seinen Füßen begann der Boden zu beben, etwas regte sich, und die
gefrorene Erde der Lichtung schien zum Leben erweckt zu werden. Die
Wurzeln des Baumes befreiten sich aus dem Grund, feste krallten sich
die Raben in die Äste auf denen sie saßen um nicht herunter
geschüttelt zu werden wie reifes Obst.
Knackend
richtete sich der Baum immer weiter auf, bog sich unter der Last
seines nackten Geästs, seine Wurzeln tasteten über den Boden als
wären es Finger, suchend nach Halt.
Ein
dunkles Stöhnen durchdrang die Stille, es war qualvoll und getränkt
von solch unsagbarem Leid wie Fisk es noch nie erlebt hatte. Er stand
noch immer vollkommen regungslos am Rande der Lichtung und
betrachtete das grausige Schauspiel vor seinen Augen, traute sich
nicht zu blinzeln oder gar zu atmen.
Langsam
krochen die Wurzeln des Baumes über den Boden des Waldes. Sie
krochen in seine Richtung. Starre Raben Augen bohrten sich in seine
Seele als wollten sie diese in der matten Schwärze ertränken.
Mit
beiden Händen fest im Griff hob Fisk sein Schwert. Die goldenen
Runen leuchteten auf wie flüssiges Gold. So wunderschön der Anblick
auch sein mochte, der Schmerz, das Brennen in des Jägers Händen
wurde immer schlimmer und trieb ihm feine Schweißperlen auf seine
Stirn.
Die
Baumkrone bog sich nach vorn, schien einen Käfig aus nacktem Geäst
zu formen, gemacht um seine Beute einzufangen. Doch diese Beute
wollte sich nicht fangen lassen.
Fisk
löst seine Starre, erwachte zu neuem Leben, sog einen tiefen Schwall
der kalten Winterluft ein und stürmte los. Wie eine Peitsche
schnellte ein weiterer Ast vor um seinen Übermut zu stoppen. Die
Klinge sauste durch die Nacht und mit einem mächtigen Hieb ließ
Fisk sie gegen seinen Angreifer prallen. Sie durchtrennte das Holz
ohne Mühe und der Ast landete krachend neben ihm auf dem Boden. Eine
Schar Raben die darauf gesessen hatten flatterten krächzend in die
Luft.
Aus
dem Stumpf sickerte eine violette, zähe Masse. Noch einen Augenblick
lang zuckte der Ast, ein weiteres Stöhnen drang über die Lichtung.
Plötzlich
flatterten alle Raben auf einmal in die Luft, das Getöse ihrer
Flügelschläge war kaum auszuhalten. Lange hatte Fisk keine Zeit
sich an dem Lärm zu stören, da ging auch schon die Schar in einen
Sturzflug über und fiel auf den Waidmann ein.
Wieder
sauste seine Klinge durch die Luft, Federn wurden in alle Richtungen
geschleudert und regneten, begleitet von Blut und den Resten der
Vögel, auf ihn nieder. Feucht und warm prasselte es auf sein
Gesicht, ein kupferner Geschmack breitete sich in seinem Mund aus.
Echtes Blut. Diese Raben zumindest, waren kein böser Zauber.
Dennoch
hackten ihre spitzen Schnäbel bedrohlich auf ihn ein, ihre scharfen
Klauen griffen nach ihm und verhakten sich hier und da in seiner
Kleidung. Die Finger der Waidmanns angelten nach seiner Armbrust,
blind tastete er sich zu dem Abzug vor. Noch während er die Waffe
mit einer Hand erhob, ließ er die Arme zu beiden Seiten aufschnellen
und schoss geradewegs in einen Raben hinein, der seine Krallen
erhoben hatte um sie in seine Augen zu bohren. Ein Gedanke reichte
aus. Der Gedanke an Feuer, Hitze und heiße Glut, und schon flammte
die Spitze des Pfeiles auf. Nachdem sie den Leib des Raben durchbohrt
hatte, explodierte sie in dutzende, brennende Splitter und wurde so
zu tödlichen Geschossen die etliche Raben vom Himmel holte.
Ein
zweiter Schuss folgte dem ersten, dem zweiten ein dritter, und die
noch wenigen verbliebenen schwarz gefiederten Vögel flatterten
davon.
Diesen
kleinen Sieg konnte der Waidmann nicht auskosten. Etwas traf ihn hart
von der Seite und fegte ihn fort wie eine lästige Fliege. Diesen Ast
hatte er nicht kommen sehen. Fisk flog wenige Meter durch die Luft
und prallte hart wieder auf dem Boden auf. Lichtblitze tanzten vor
seinen Augen, die Welt um ihn herum drehte sich erbarmungslos. Das
Beben der Erde trieb ihn dazu an, schnell wieder auf die Beine zu
kommen denn das Grauen verfolgte ihn, und es war wütend.
Der
Schlag hatte ihm seine Armbrust aus den Händen gerissen, sein
Schwert aber hielt er noch immer fest. Ächzend kam er auf die Beine,
kaum trugen sie ihn wieder, musste er auch schon dem nächsten
Angriff der peitschenden Äste ausweichen.
Mit
einem Hieb trennte er auch den nächsten Arm des Baumes ab, kleine
Splitter flogen durch die Luft. Wieder ertönte dieses unendlich
qualvolle Stöhnen. Als Fisk ein paar Schritte zurück ging erkannte
er etwas entsetzliches zwischen den Wurzeln des Baumes mit denen er
sich langsam fortbewegte. Überall, zwischen Erde und Wurzeln,
blitzten weiße Knochen auf. Aus den leeren Augenhöhlen unzähliger
Schädel blickten die Toten zu ihm auf. Manche der Skelette streckten
ihre Arme nach ihm aus, versuchten ihn zu greifen. Es war keine
Illusion, sie bewegten sich tatsächlich. Fisk wurde übel, wie viele
Seelen waren hier begraben? Eine Zahl die er sich unmöglich ausmalen
konnte, vielleicht auch gar nicht wissen wollte. Viele mussten es
sein, um solch eine Kreatur hervor zu bringen.
Der
Baum geriet in starke Seitenlage, für einen Moment wirkte es, als
wollte er sich selbst zu Fall bringen, doch dann wankte er wieder
zurück zu der anderen Seite und stieß seine Wurzeln hart ins
Erdreich. Der Boden bebte so stark dass Fisk sich kaum auf den Beinen
halten konnte. Er kämpfte noch mit dem Gleichgewicht als ihn etwas
von hinten packte, und feste umschlang.
Einer
der massiven Äste hatte ihn zu greifen bekommen und schraubte sich
fest um ihn. Fisk blieb die Luft weg, er verlor den Boden unter den
Füßen als der Baum ihn in die Höhe zog. Mit beiden Händen
umfasste er noch immer das Heft seines Schwertes, doch die Äste
hatten sich so fest um ihn geschlungen, dass er seine Arme nicht
bewegen konnte und seine Waffe nutzlos war.
Als
ihn der Baum so hoch oben in den Himmel hob, konnte er das Loch in
der Erde sehen aus dem er entstiegen war. Überall lagen Knochen
verstreut. Diese Lichtung war ein einziges, großes Massengrab.
An
einem dickeren Ast neben ihm baumelte einer der Erhängten, sein
leerer Blick hatte fast schon etwas flehendes. Fisk keuchte, seinen
Lungen blieb kaum noch Platz und das atmen fiel ihm immer schwerer.
Ein heftiger Ruck erschütterte den Baum. In der Mitte seines Stammes
bildete sich unter lautem Knacken ein gewaltiger Riss. Im Zickzack
suchte er sich den Weg von rechts nach links. Holz splitterte ab und
der Riss spaltete sich auf. Unter dem Waidmann tat sich ein Maul auf,
grotesk und mit fauligem Atem. Als dieses Mal das Stöhnen ertönte
war es viel lauter, es kam nicht mehr aus dem Inneren des Baumes,
sondern drang nun durch das Maul hinaus ins Freie.
Im
Inneren des Stammes erkannte Fisk die Geschwüre der Verderbtheit.
Sie pulsierten in freudiger Erwartung dass der Waidmann verschlungen
werden sollte, ihr violettes Licht leuchtete heller.
Der
Baum beugte sich nach hinten, öffnete seinen Schlund weit und löste
die Äste um Fisks Leib. Seine Lungen füllten sich mit kalter Luft
während er in die Tiefe stürzte. Der Waidmann nutzte diese
alleinige Gelegenheit die sich ihm bot, direkt an das verdorbene Herz
des Baumes heran zu kommen.
Im
Fall umfasste er den Griff seines Schwertes fest mit beiden Händen,
mit der spitzen Klinge voran stürzte er sich in den breiten Schlund.
Fisk biss die Zähne zusammen es gelang ihm seinen Körper in eine
gerade Position hinter seinem Schwert zu bringen. Er durfte nicht
gegen die scharfen Zacken des Mundes kommen die problemlos seinen
Körper aufreißen konnten.
Nur
knapp gelang es ihm gerade in den Schlund einzutauchen. Seine Klinge
bohrte sich in das feste Gewebe, es gab nur einen kurzen Widerstand,
dann riss es auf und eine zähe Masse quoll hervor.
Der
Baum schloss sein Maul wieder, in der Gewissheit den Eindringling
verschlungen zu haben. Doch in seinem Inneren wütete Pein. Der
Waidmann holte in seinem beengten Grab immer wieder aus, und rammte
sein Schwert in die Wucherungen der Verderbnis unter seinen Füßen.
Das Licht der goldenen Runen auf seiner Schneide, mischte sich in das
violette Dämmerlicht. Sein Schwert brannte das Böse aus, stieß
immer tiefer vor in den Kern. Die Luft um ihn herum brannte, jeder
Atemzug schmerzte als würde es ihn von Innen heraus zerfressen. Aber
er ließ seine Klinge immer wieder erbarmungslos nieder sausen.
Plötzlich
explodierte das violette Leuchten um ihn herum in etliche
Lichtblitze, versengten das faulige Holz seines stinkenden Grabes. In
einem entsetzlichen Schmerzensschrei riss der Baum sein Maul wieder
auf und taumelte, wild mit den Ästen schlagend umher.
Fisk
steckte in Windeseile seine Waffe zurück, ging tief in die Knie und
stieß sich ab. Seine Finger bekamen die Zacken des Mundes zu fassen
und er konnte sich aus dem Schlund hinaus ziehen. Der Baum bemerkte
den Flüchtenden, schnappte zu, doch einen Moment zu spät. Er war
entkommen.
Der
Waidmann rollte sich über den Waldboden ab und wirbelte sofort zu
dem Baum herum. Eine zähe Masse quoll aus dem Baum hervor, seine
Bewegungen wirkten träge, doch er wollte den Eindringling noch immer
zermalmen. Wieder schlug er mit einem seiner Äste zu, doch Fisk wich
wieder und wieder aus. Wütend bleckte Fisk die Zähne, eigentlich
müsste der Baum bereits keine Wurzel mehr rühren können. Dann fiel
sein Blick an die baumelnden Körper.
Noch
einmal zog er sein Schwert, ließ die Klinge singen und schnitt den
Ast ab an dem der Tote hing. Unter einem leisen Stöhnen schwankte
der Baum zur Seite, Fisk eilte weiter, wich den Wurzeln aus die sich
um seine Füße schlingen wollten und hieb den nächsten Ast mit
einem Toten ab. Immer mehr sackte der Baum in sich zusammen je mehr
Last von seiner Krone geschlagen wurde. Als der letzte leblose Körper
zu Boden fiel, keuchte Fisk schwer vor Anstrengung und ging langsam
zur Vorderseite des Stamms wo sich der Schlund aufgetan hatte. Noch
immer sickerte die zähe Masse aus dem Baum, doch hatte sie all ihre
Farbe verloren und war nun schwarz wie Teer.
Stille
kehrte zurück auf die Lichtung, doch kein Frieden. Er spürte noch
immer den Fluch der auf diesem Wald lastete, er lag in der Luft,
bedeckte Pfade und jegliches Blatt dass unter dem Frost verborgen
lag. Die Äste des Baumes bewegten sich, getrieben von einem
unsichtbaren Wind.
Eine
raue Stimme erklang hinter dem Waidmann, er musste sich anstrengen
die leisen Worte zu verstehen. „Du kannst den Fluch nicht nehmen.
Zu viel Blut tränkt meine Erde. Zu viel Leid zerfraß sein Herz.“
Langsam
drehte sich Fisk herum, eine dürre Gestalt kroch über den Boden. Es
war jene Frau die er schon im Moos hatte liegen sehen, dort wohin ihn
die Waldnymphe geführt hatte. „Ihr seid die Hüterin des Waldes,
nicht wahr?“
Schweigend
kroch sie auf ihn zu, quälend langsam, viel Kraft hatte ihre
Existenz nicht mehr. Als sie die ersten Wurzeln des Baumes erreicht
hatte, schlang sie ihre dürren Finger darum. Ein leises Stöhnen
drang aus dem Inneren des Baumes und ihre raue Stimme erklang wieder.
„Unendliche Schmerzen, bis in alle Ewigkeit.“
„Werde
ich den Fluch brechen können wenn ich ihm den bringe, der ihm all
das angetan hat? Der ihm zu diesem Grauen machte?“ Fisks Stimme
schnarrte leise während er seine Hand auf eine schmerzende Stelle an
seiner Seite drückte, wo ihn die Äste des Baumes wie einen
Peitschenhieb getroffen hatten.
Die
Frau mit den matten, grünen Augen und dem seidigen Haar drehte sich
langsam auf den Rücken. Fisk konnte in ihren eingefallenen Zügen
etwas wie Hoffnung erkennen. „Tut es.“
Zitternd
streckte sie eine Hand aus, in der Innenfläche bildete sich ein
schwaches, grünliches Licht zu einer festen Kugel. Kraftlos fiel ihr
Arm zu Boden und ihre Stimme war kaum noch wahr zu nehmen, doch Fisk
hörte in der Stille jedes ihrer Wörter. „Meine Kinder nahmen es
dem Wesen was Euch begleitete. Ich nutzte es um den Weg hier her zu
finden. Gebt es zurück.“
Mit
dem letzten Wort das ihre Lippen verließ, rollte die kleine
grünliche Kugel aus ihrer Handfläche. Ihr Körper zerfiel zu Erde.
Langsam
ging Fisk auf die kleine Kugel zu, als er sie aufhob konnte er ihre
Wärme durch seinen Handschuh hindurch spüren. Fest schlossen sich
seine Finger darum. Nun musste er den letzten Teil seines Auftrages
ausführen.
Das
dämmrige Licht des Abends hatte sich bereits über das kleine Dorf
Kraic gelegt. Schatten wurden immer länger und würden bald alles
einnehmen sobald die letzten Strahlen der Sonne am Firmament
erloschen waren. Kurz hatte sie sich zwischen den Wolken hindurch
geschoben, doch der Decke aus Schnee die sich bereits über das ganze
Land gelegt hatte, konnte sie nichts mehr anhaben.
An
diesem Tag war das Dorf ungewöhnlich belebt gewesen. Stadtwachen
waren von Haus zu Haus gezogen und hatten sämtliche Zimmer auf den
Kopf gestellt, in der Hoffnung eine Spur von dem Jäger oder dem
Jungen der Wirtin zu finden. Doch beide waren wie vom Erdboden
verschluckt. Eine Tatsache die nicht jedem gefiel.
Drei
Wachen sollten im Gasthaus bleiben, für den Fall dass sich ein
Unvorsichtiger dorthin verirrte. Natürlich kosteten sie hier und da
von dem Hab und Gut der Wirtin, schließlich wollte man nicht dass
das gute Bier verdarb. Es sollte ihr letzter Krug gewesen sein. An
diesem Abend ruhten ihre leblosen Körper auf dem Boden der
Gaststube. In ihren Köpfen steckten Pfeile und hatten ihnen ein
schnelles Ende gemacht.
Unter
großer Anstrengung zog Fisk den Deckel von dem riesigen Weinfass
indem er seinen treuen Begleiteter Veldig zurück gelassen hatte.
Kaum noch ein Atemzug verließ seine Lippen. Fisk kniete sich vor ihn
hin und legte den Kopf auf seine Oberschenkel. Mit beiden Händen zog
er die mächtigen Kiefer auseinander und legte die grünliche Kugel
auf Veldigs Zunge. Es kostete ihn ein wenig Mühe seinen Freund zum
Schlucken zu bewegen, aber es gelang ihm schließlich.
„Komm
schon mein Freund. Es wartet noch ein wenig Spaß auf uns.“ Als
hätte der Hyna seine Worte genau verstanden, begann eines seiner
Beine zu zucken und kurz darauf öffnete sich eines seiner braunen
Augen.
Auf
den sonst so düsteren Gesichtszügen des Jägers schlich sich ein
erleichtertes Lächeln. Fisk strich dem Tier über die Seite und
spürte schon kaum mehr Rippen unter dem dichten Fell. Veldig erholte
sich schon in wenigen Augenblicken und war dabei sich mit wackeligen
Beinen aufzurichten.
„Bleib
noch ein wenig hier und ruhe dich aus. Ich brauch dich gleich wieder“
Im
dämmrigen Licht der hereinbrechenden Nacht, sickerten die Rinnsale
des Kerkers unter dem Rathaus voll mit Blut. Dutzende Wachen hatten
hier ihren Posten angetreten um den Bürgermeister zu schützen. Sie
hatten versagt. Der Tod hatte fast einen jeden ereilt ohne dass er
darauf gefasst gewesen wäre. Ihre Augen hatten die Schatten außer
Acht gelassen in denen er wandelte und ihnen nahe kam.
Bürgermeister
Müllebreck saß in seinem Schreibzimmer auf einem weich
gepolsterten Sessel, den er einst vom König geschenkt bekommen
hatte. Auf diesem Sessel saß es sich besonders gut. Erstrecht wenn
man sich zuvor den Magen vollgeschlagen hatte, man wollte ja nicht
hungrig in die Nacht entlassen werden. Sein Plan war gewesen in
dieser Nacht erst Schlaf zu finden, wenn die Störenfriede seines
geliebten kleinen Dorfes gefunden waren und dort sitzen würden, wo
sie hingehörten. In den Kerker. Noch war diese Aufgabe nicht
erfüllt, aber seine Stadtwache würde ihn sicher nicht im Stich
lassen.
Sein
Kopf lag leicht im Nacken, ein feiner Faden Speichel floss aus seinem
Mundwinkel und lief an seinem Kinn hinab. Begleitet wurde das Bild
des zufrieden schlafenden Bürgermeisters mit einem leisen
Schnarchen.
Eine
eiserne Spitze zielte mittig auf seine Stirn. Der Waidmann musste nur
den Abzug seiner Armbrust betätigen und der Pfeil würde das Hirn
des dicken Mannes durchschlagen und alles auslöschen was ihn
ausmachte. Kalte, blaue Augen blickten von oben auf ihn herab,
verborgen in dem Schatten seines Hutes. Ein schmales Lächeln legte
sich auf seine Züge.
So
sicher und behütet fühlte sich dieser Mann im Schutze Anderer die
er dafür bezahlte, nun saß er hier, sabberte sich ein und merkte
nicht einmal dass jemand in das große Zimmer getreten war und eine
Waffe aus nächster Nähe auf ihn richtete.
Langsam
ließ Fisk seine Armbrust wieder sinken. Es war nicht einmal
verlockend diesen Versager im Schlaf zu erschießen, aber es war auch
nicht Teil seines Auftrags. Eine der wichtigsten Regeln für einen
Nebeljäger war, kein Leben zu beenden außer wenn es das eigene
nicht in höchstem Maß bedrohte, oder Bestandteil seines Auftrags
war.
Diesem
Mann das Leben zu nehmen würde ihm selbst mehr schaden als dass es
irgendjemandem helfen würde. So leise wie er gekommen war, verließ
er auch wieder das Zimmer des Bürgermeisters und stieg ab in den
Bauch der Kerker. Jede Wache die ihm auf seinem Weg begegnete, hatte
ihren letzten Atemzug getan. Sie waren anders als Müllebreck, an
ihren Händen klebte etwas das nie wieder fort gewaschen werden
konnte.
Fisk
spähte in jede Zelle die er passierte, immer erwartete ihn das
gleiche Bild, es kam jede Hilfe zu spät. Wer hier eingesperrt wurde,
sah nie einen Krumen Brot.
Dann
allerdings fand er die massive Tür die gefangen hielt, weswegen er
gekommen war. Fisk betrachtete den dicken Schlüsselbund den er einer
der Wachen abgenommen hatte und probierte jeden Schlüssel aus, bis
er den gefunden hatte, der passte.
Ungläubige
Augen starrten ihn aus der Dunkelheit heraus an. „Nebeljäger? Seid
Ihr das?“ Mina schlich in geduckter Haltung durch die Zelle und
starrte auf die Silhouette in der Tür.
„Kommt,
es ist Zeit diesen Ort zu verlassen.“ Fisk runzelte die Stirn als
er in das Gesicht der Wirtin blickte. „Wer hat Euch geschlagen?“
Selbst in dem dämmrigen Licht konnte er den dunklen Ring um ihr
linkes Auge sehen und die kleine Platzwunde an ihrer Unterlippe.
Ihr
Kinn bebte und leise krächzte sie. „Die Wachen. Ich wollte mich
nicht einsperren lassen. Für was? Nichts habe ich mir zu Schulden
kommen lassen.“ Ihre tränennassen Augen blickten in das Gesicht
des Jägers, sie stürzte auf ihn zu und umklammerte mit beiden
Händen fest seinen Mantel.
„Mein
Junge! Tobias ist sicher in großer Gefahr! Sie haben...“ Fisk
brachte sie mit einer Handbewegung zum schweigen und schüttelte den
Kopf.
„Keine
Sorge, er ist in Sicherheit.“ Mina blickte fragend zu ihm auf, doch
Fisk trieb sie zur Eile an und zog am Arm. „Später werde ich Euch
alles erklären. Wir müssen nur schnellstens hier raus. Es gibt noch
eine Angelegenheit die ich erledigen muss, und die keinen Aufschub
duldet.“
Direkt
in der Zelle nebenan fand er die Schneiderin, die beiden Frauen waren
die einzigen die in diesem unterirdischen Grab noch am Leben waren.
Niemandem sonst hatte er noch helfen können.
Als
sie den Ort des Grauens verließen, war bereits die Nacht
hereingebrochen und brachte neuen Schnee mit sich. Dicke Flocken
fielen hinab und legten eine neue, weiße Decke auf das Land.
Die
beiden Frauen zitterten wie Espenlaub, nicht einmal wegen der Kälte
allein. Der Waidmann fasste Mina am Arm und ließ seinen Blick über
die verlassenen Straßen wandern.
„Ihr
müsst in das Haus des Totengräbers gehen. Dort ist auch Euer Sohn,
er hat ein Buch bei sich das ihr lesen solltet.“
„Was
redet Ihr da? Wieso um alles in der Welt ist mein Sohn beim
Totengräber? Außerdem denke ich nicht dass dies die perfekte Zeit
ist um Bücher zu lesen! Ihr könnt Euch nicht vorstellen was in der
vergangenen Nacht geschehen ist!“ Mina blickte mit angst geweiteten
Augen zu dem Jäger auf und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Die
ganze Versammlung habe ich zwar nicht mitbekommen, aber ich weiß was
geschehen ist.“ Fisk blickte zu der Wirtin hinab und verengte
leicht die Augen. „Das Buch. Lest es. Nun geht, ich muss meinen
Auftrag noch in dieser Nacht erfüllen wenn ihr wieder frei sein
wollt.“
Mina
drehte sich der Kopf, der Jäger ließ ihren Arm los und warf ihr
noch einen Blick zu der ihr klar machte, dass sie nicht noch länger
zögern sollte. Die Wirtin packte die Schneiderin beim Arm und rannte
mit ihr so schnell sie konnte durch die Nacht. Ihre Schritte hallten
laut durch die totenstillen Gassen.
Nur
kurz blickte Fisk ihnen nach, Sorgen machte er sich keine. Es gab
keine Stadtwachen mehr die ihnen noch Probleme machen konnten. Auf
seine Züge legte sich ein schmales Lächeln, er leckte sich langsam
über die Unterlippe. Er war bereit für seine Jagd.
Der
Kommandant saß mit seinen engsten Vertrauten in seinem Zimmer um
einen runden Tisch. Sie alle waren wichtige Mitglieder der
Stadtwache, und stattliche Männer welche die Mauern des Dorfes
immerzu gesichert hatten. Nun aber konnten selbst sie nicht mehr für
Sicherheit sorgen, irgendwas war schief gelaufen.
Zwischen
den sechs Männern fand eine angeregte Unterhaltung statt, sie
machten sich gegenseitig Vorwürfe wer schuld daran war dass ihnen
der Junge der Wirtin entkommen war, und niemand auch nur eine Spur
von diesem verfluchten Jäger hatte. Der Kommandant schlug mit der
Faust auf den Tisch dass es nur so knallte. Alle Augen ruhten auf dem
Mann mit dem kurzen, dunklen Haar und dem Stiernacken. „Schluss
jetzt! Als ob uns so ein dummer kleiner Junge gefährlich werden
könnte. Er ist sicher abgehauen, mit ein wenig Glück in die Wälder.
Dann sind wir ihn sowieso los.“ Seine Augen verengten sich zu
schmalen Schlitzen. „Wir sollten uns lieber mit der Frage
beschäftigen was wir mit der Sache tun sollen die nun aus dem Ruder
gelaufen ist. Dieser verdammte Jäger hat uns alles durcheinander
gebracht.“
Gerade
wollte der Kommandant Luft holen, um einen Vorschlag zum lösen des
Problems zu machen, als ein leises Surren an sein Ohr drang. Nur
einen Wimpernschlag weiter fielen zwei der Männer vornüber und
knallten mit dem Gesicht auf die Tischplatte. Ihre Körper rutschten
von den kleinen Holzstühlen und fielen zu Boden.
Die
vier anderen sprangen auf, griffen instinktiv an ihre Waffengürtel,
doch die Rüstungen hatten sie abgelegt und gegen bequemere Kleidung
getauscht. Vor dem Haus gab es noch ein paar mehr Wachen die immer
die Augen offen hielten, also brauchten sie ihre Waffen für
gewöhnlich nicht in der Nähe zu haben.
Ein
weiterer fiel plötzlich wie ein nasser Sack zu Boden, aus seiner
Brust ragte der Schaft eines Pfeiles. Die beiden letzten drehten sich
herum, schon traf ein weiterer Pfeil sein Ziel direkt zwischen die
Augen. Der Kommandant stand allein in dem geräumigen Zimmer. Fast.
In der Eingangstür, die hinaus in eine kleine unbewohnte Gasse
führte, stand ein Mann ganz in schwarz und richtete seine Armbrust
auf ihn.
Der
Kommandant knurrte leise und biss sich auf die Unterlippe. „Jäger?
Was fällt Euch ein? Ihr kommt hier rein und knallt unschuldige
Männer ab! Wisst Ihr was wir mit Kerlen wie Euch machen?“
Bevor
der Kommandant noch etwas anfügen konnte, kam der Jäger drei
langsame Schritte auf ihn zu. Seine leise Stimme schnarrte leicht,
klang amüsiert. „Ja. In den Wald bringen und sie aufknöpfen.“
Kurz
verschlug es dem Kommandanten die Sprache, dann reckte er sein Kinn
vor und lockerte seine Haltung. Er versuchte abzuschätzen wie
schnell er sein Schwert an der gegenüberliegenden Wand erreichen
konnte, wahrscheinlich nicht schnell genug bevor dieser Jäger einen
Schuss abgeben konnte. „Was redet Ihr da für einen Blödsinn? Wir
beschützen die Bürger dieses Dorfes! Deswegen werde ich Euch auch
verhaften und Euch in den Kerker bringen wo ihr hingehört. Wegen
Euch sind die Dämonen außer sich vor Wut. Ihr habt noch größeres
Unheil über uns gebracht, weil ihr im Bunde mit dem Teufel steckt!“
Mit
jedem Wort wurde das Lächeln auf Fisks Zügen noch breiter, wurde zu
einem Grinsen. „Schön gebellt Kommandant. Nur leider helfen Euch
die Märchen bei mir nicht. Ihr müsst nämlich wissen dass ich fand,
was ihr vergeblich suchtet. Dort draußen, im Haus des Druiden. Ihr
ward es der ihn erstacht. Richtig?“
Der Kommandant brauchte nichts zu sagen, Fisk konnte es in seinen Augen lesen. Diese Art wie der Schock durch seinen Körper fuhr, und er noch nach einer Möglichkeit suchte sich herauszureden. Der Kommandant war kein dummer Mann, seine Miene gefror, er wusste das Spiel war vorbei.
Der Kommandant brauchte nichts zu sagen, Fisk konnte es in seinen Augen lesen. Diese Art wie der Schock durch seinen Körper fuhr, und er noch nach einer Möglichkeit suchte sich herauszureden. Der Kommandant war kein dummer Mann, seine Miene gefror, er wusste das Spiel war vorbei.
„So?
Nur aus Neugier, was habt ihr denn gefunden?“
Fisk
ging noch zwei kleine Schritte auf ihn zu. „Etwas sehr
informatives. Der Waldkauz hat Euer Treiben eine ganze Weile lang
beobachtet und alles fein säuberlich notiert. Doch eine Frage
stellte er sich, die ich mir auch gestellt habe. Warum das alles?
Wieso mussten all diese Menschen sterben?“
Schweigen
machte sich in dem Raum breit, noch einmal ging der Kommandant im
Geiste nach wie schnell er wohl sein Schwert erreichen würde. Ganz
langsam ging er beiläufig in die Richtung des Objekts seiner
Begierde. „Wofür wollt Ihr das noch wissen Jäger? Welche Rolle
spielt es für Euch? Ihr knallt mich doch sowieso ab. Feige, ohne mir
eine Chance zu geben, mich zu wehren.“
Das
Lächeln auf Fisks Lippen blieb bestehen während seine blauen Augen
noch immer jeder Bewegung des Kommandanten folgten.
„Falsch.
Ich habe ganz andere Dinge im Sinn. Es hätte mich nur interessiert
um es später den Bewohnern von Kraic mitzuteilen. Letzte Chance es
mir in Ruhe zu beichten. Sonst wird es unangenehm.“
Der
Kommandant konnte nicht mehr an sich halten und brach in lautes
Lachen aus. Wie absurd diese ganze Situation war, und dann tat der
Jäger noch so als sei er ihm eine Erläuterung schuldig. Dieser Kerl
würde ein vorzügliches Opfer abgeben, vielleicht würde es dann
wieder alles seinen gewohnten Gang gehen.
„Ihr
seid wahrlich ein Narr Nebeljäger. Spuckt hier große Töne, als
hättet ihr etwas gegen mich in der Hand.“ Seine Augen verengten
sich zu schmalen Schlitzen und seine dünnen Lippen bildeten eine
blasse Linie. Ein dunkles Knurren aus seiner Kehle untermalte seine
gepressten Worte.
„Ihr
hättet niemals hier her kommen sollen. Heute Nacht werde ich mir das
Buch des Greises aus Euren kalten, toten Händen holen!“
Alles
setzte er auf diese eine Karte die er hatte und stürmte los. Um
einem möglichen Pfeil zu entgehen, rollte der Kommandant über den
Boden ab, sein Arm streckte sich in die Länge und seine Finger
schlossen sich um die Scheide seines Schwertes. Geschafft. Nun musste
er nur noch seine Klinge in den Leib des Jägers stoßen.
Ein
höhnisches Gelächter erklang hinter ihm. Eisiger Wind fegte durch
den Raum und brachte in einem Wimpernschlag die brennenden Dochte der
Kerzen zum erlöschen. Finsternis hüllte den Raum ein.
Der Kommandant sprang auf die Beine und zog sein Schwert blank. Jegliches Licht um ihn herum war erloschen, für einen Moment überlief ein Schauer seinen Rücken, nur das fahle Mondlicht im Türrahmen gab ihm einen Anhaltspunkt. Doch wo war der Jäger hin? Seine Augen huschten umher, wollten sich nicht an die satte Dunkelheit gewöhnen, er fand ihn einfach nicht.
Der Kommandant sprang auf die Beine und zog sein Schwert blank. Jegliches Licht um ihn herum war erloschen, für einen Moment überlief ein Schauer seinen Rücken, nur das fahle Mondlicht im Türrahmen gab ihm einen Anhaltspunkt. Doch wo war der Jäger hin? Seine Augen huschten umher, wollten sich nicht an die satte Dunkelheit gewöhnen, er fand ihn einfach nicht.
Angestrengt
lauschte er in das Dunkel, kein Laut drang zu ihm durch, nicht einmal
ein leiser Atemzug war zu hören, außer seinem eignen.
Plötzlich erklang die Stimme des Jägers erneut, der Kommandant wirbelte herum, doch sie schien viel mehr aus seinem Geist zu ihm zu sprechen. „Du hast deine Chance vertan. Nun werde ich keine Gnade mehr walten lassen. Blut für Blut ist das einzige dass diesen Fluch noch beenden kann.“
Plötzlich erklang die Stimme des Jägers erneut, der Kommandant wirbelte herum, doch sie schien viel mehr aus seinem Geist zu ihm zu sprechen. „Du hast deine Chance vertan. Nun werde ich keine Gnade mehr walten lassen. Blut für Blut ist das einzige dass diesen Fluch noch beenden kann.“
„Was
redest du da für einen Scheiß? Stell dich mir wie ein Mann und
verstecke dich nicht!“
Der
Kommandant rannte zu dem einzigen Anhaltspunkt den er hatte, die
Ausgangstür. Das fahle Licht des Mondes das hier und da durch die
Wolken drang, würde ihm zumindest ein wenig Orientierung bieten. Als
er über die Schwelle hinaus in die eiskalte Nacht trat, sah er all
seine aufgestellten Wachen in ihrem eigenen Blut am Boden liegen. „Du
verdammter Scheißkerl! Das wirst du bezahlen!“
Unverhofft
traf ihn ein Fußtritt in den Rücken und der Kommandant stürzte mit
rudernden Armen nach vorn. Schnell hatte er sich wieder gefangen und
wirbelte mit der Klinge voran umher, doch sein Hieb ging ins Leere.
Stattdessen erklang hinter ihm die leise Stimme des Jägers.
„Lauf
so schnell wie deine Beine dich tragen können.“
Knurrend
drehte sich der Kommandant wieder herum und funkelte den Schatten vor
sich an.
„Niemals
werde ich weglaufen! Ich bin keine feige Sau wie du!“
Alle
Kraft legte er in seinen Angriff, hob das Schwert weit über den Kopf
und stürmte auf den Jäger zu. Als seine Klinge nieder ging, flogen
feine Funken als sie auf die verstärkten Arme der Armbrust traf, die
der Jäger zu seiner Verteidigung hoch gezogen hatte.
Mit
einem kraftvollen Stoß trieb er den Kommandanten wieder ein wenig
fort von sich, sofort setzte er ihm nach und stieß ihm sein Knie
tief in die Magengrube. Würgend taumelte der Getroffene zurück und
presste seine Hände auf die schmerzende Stelle. Nachdem er sich
wieder gefangen hatte, wischte er sich den Speichel aus dem
Mundwinkel und setzte wieder zum Angriff an. Immer wieder sauste
seine Klinge durch die Nacht und verfehlte ihr Ziel knapp.
Der
Jäger packte den Schwertarm des Kommandanten und drehte ihm diesen
auf den Rücken, für einen Moment noch versuchte er seinen Arm
wieder frei zu bekommen, aber dann explodierte seine Welt in einem
Gewitter aus Schmerzen die ihn kurzzeitig lähmten. Das Klirren
seiner Klinge hallte in seinen Ohren, sie musste seinen Fingern
entglitten sein. Er merkte dass der Jäger schon wieder von ihm
abgelassen haben musste, doch der Schmerz ließ ihn kaum einen klaren
Gedanken fassen. Sein Arm baumelte unbrauchbar an seiner Seite.
Keuchend
betastete er seinen Arm bis zu seiner Schulter hinauf und musste
feststellen dass sie ausgekugelt war. „Du verdammter Schweinehund!
Versteckst dich hier wie eine feige Sau in der Dunkelheit!“ Sein
Körper bebte und er betrachtete voller Hass den Schatten vor sich.
„Du bist selbst ein verdammter Dämon!“
Eine
Wolke gab die Sicht auf den vollen Mond frei. Sein helles Licht
leuchtete auf die Welt herab, noch hier und da rieselten ein paar
feine Schneeflocken durch die Nacht. Die Augen des Jägers lagen
unter dem Schatten seines Hutes verborgen, von seinen Lippen war das
amüsierte Lächeln verschwunden. Seine Stimme erklang leise und rau.
„Wäre
ich ein Dämon, hätte ich mich Eurer schon entledigt. Unter dem
Kommandanten der Stadtwache hätte ich mir etwas anderes vorgestellt.
Ihr seid ein schwächlicher Versager. Ihr langweilt mich.“
Der
Jäger führte seine Finger zu den Lippen und stieß einen lauten
Pfiff aus. Der Kommandant blickte sich um, seine Kameraden mussten
doch aufmerksam werden und endlich heran eilen. Er hatte sie
schließlich überall in Kraic verteilt. Doch alles was kam, war ein
Biest das sich aus dem Dunklen schälte, größer als ein Wolf, den
Nacken breit wie der eines Bären. Zwei Hörner, mit den Spitzen nach
vorn ausgerichtet, thronten auf seiner Stirn, die Lefzen waren
hochgezogen und ein dunkles Grollen wie herannahender Donner drang
aus seiner Kehle.
„Das
ist mein Freund Veldig. Er schlägt seine Fänge nicht in jedes Stück
ordinäres Fleisch. Aber wenn es sein muss, wird er mir gehorchen.
Lauft Kommandant, oder ich verspreche Euch, Ihr würdet Euch wünschen
Euer Schwert noch halten zu können um Euch selbst die Kehle zu
zerschneiden.“
Veldig
fletschte die Zähne und der Kommandant wich ein paar Schritte
zurück, dann rannte er die kleine Seitenstraße hinunter so schnell
er konnte, die Hand presste er auf seine schmerzende Schulter.
„Soldaten! Hier her! Bewegt eure verdammten Ärsche hier her!“
Doch
die Nacht blieb still, alles was man hörte, waren seine eigenen
Schritte die über das Kopfsteinpflaster hasteten. Er rannte die
Hauptstraße weiter hinab, an eine Stelle wo er genau wusste dass er
dort drei Männer stationiert hatte. Als er an dem kleinen Brunnen in
der Nähe des Marktplatzes ankam, sah er ihre leblosen Körper am
Boden liegen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Hinter ihm kam die
Bestie die Straße hinab gerannt. „Nein! Das kann doch alles nicht
wahr sein!“
Panik
kroch in ihm hoch, er rannte weiter, auf eines der kleineren Tore zu,
welches aus der Stadt führte, doch auch dort langen seine Kameraden
schweigend auf den kalten Steinen und rührten sich nicht mehr.
„Mörder! Ihr seid ein feiger, verdammter Mörder! Dafür werdet
ihr hängen!“
Ein
leises Lachen erklang in seiner Nähe. „Auch ich bin ein Mörder,
auch an meinen Händen klebt Blut. In dieser Nacht mehr als ich
wollte. Aber im Gegensatz zu Euren Händen, klebt an meinen das Blut
der Schuldigen. Ihr alle ward beteiligt.“
Feste
donnerte das Herz des Kommandanten in seiner Brust, er verfluchte
dass er selbst nicht das Buch gefunden hatte. Mit dem Rücken lehnte
er sich an die Mauern des Dorfes und blickte den Weg weiter, mitten
in das finstere Dickicht des Waldes.
Wieder
erklang die Stimme des Jägers und er konnte seine Silhouette vor
sich auf dem Weg erkennen. Gemächlich kam er auf den Kommandanten
zu. „Wollt Ihr wissen wo das Buch ist? Es befindet sich in den
Händen der Menschen, die bald das Sagen über diesen Ort haben
werden. In diesen Minuten lesen sie Seite um Seite über das Grauen
das Ihr angerichtet habt.
Keiner
Eurer Leute kann Euch noch zur Seite stehen, alle die in dem Buch
erwähnt wurden, liegen in ihrem eigenen Blut. Über die Restlichen
kann ich nicht richten, daher habe ich sie in eine Eurer gemütlichen
Zellen gesteckt.“
Der Jäger blieb einige Meter von ihm entfernt stehen und legt den Kopf leicht auf die Seite. „Der Bürgermeister schlummert noch immer in seinem Sessel. Wie eine Ratte im Brot, vollkommen überfressen. Er war nur Eure Spielfigur. Ein dummer Bauer den ihr auf Eurem Schachbrett hin und her geschoben habt wie es Euch passte. Ihr brauchtet jemanden der das Sagen hatte, und den Dorfbewohnern die Zügel anlegen konnte.“
Auf den Lippen des Kommandanten erschien ein gequältes Lächeln. „Scheiße, dieser alte Mann hat mehr gesehen als ich dachte. Er dachte er wäre unsichtbar, aber einmal da habe ich ihn gesehen. Zwischen den Büschen. Wie er uns beobachtet hatte.
Der Jäger blieb einige Meter von ihm entfernt stehen und legt den Kopf leicht auf die Seite. „Der Bürgermeister schlummert noch immer in seinem Sessel. Wie eine Ratte im Brot, vollkommen überfressen. Er war nur Eure Spielfigur. Ein dummer Bauer den ihr auf Eurem Schachbrett hin und her geschoben habt wie es Euch passte. Ihr brauchtet jemanden der das Sagen hatte, und den Dorfbewohnern die Zügel anlegen konnte.“
Auf den Lippen des Kommandanten erschien ein gequältes Lächeln. „Scheiße, dieser alte Mann hat mehr gesehen als ich dachte. Er dachte er wäre unsichtbar, aber einmal da habe ich ihn gesehen. Zwischen den Büschen. Wie er uns beobachtet hatte.
Es
hat ein wenig gedauert, aber dann fand ich seine Hütte im Wald. Er
wollte uns beim Bürgermeister anschwärzen. Das dufte ich nicht
zulassen.“
Fisk
hatte sich schon gedacht dass Müllebreck von all dem wirklich nichts
wusste, er war einfach nur ein gieriger, verfressener Egoist. Jemand
der sich um das Wohl Anderer nicht scherte solang sein eigenes nicht
bedroht war. Der Kommandant zeigte mit dem Finger auf Fisk und
brüllte ihn voller Zorn an. „Wenn diese dämliche Kuh dich nicht
her gerufen hätte, wäre alles wieder gut geworden! Wir hätten das
Problem wieder in den Griff bekommen! Wir haben mit dem Dämon im
Wald einen Pakt geschlossen, wir haben ihnen einmal in der Woche ein
Opfer angeboten und dafür ließen sie uns in Ruhe! Aber ihr habt den
Dämon erzürnt, indem ihr ihm das Opfer wieder genommen habt.“
Auf
diese Aussage war Fisk nicht gefasst, dass diese Narren ihren selbst
erschaffenen Dämon noch genährt hatten. „Ihr meint den Baum, an
dem ihr all die Menschen erhangen habt? Und zu dessen Wurzeln ihr die
Toten in der Erde verscharrtet? Er existiert nicht mehr. Ich habe ihn
geläutert.“
Nun
war es der Kommandant der ungläubige Augen machte. Einen hastigen
Blick warf er in das Dunkel des Waldes. „Nein! Unmöglich!“
Hinter
ihm erklang ein dumpfes Stöhnen und Schatten rückten langsam im
Unterholz heran.
Leise
flüsterte die Stimme des Waidmanns, während er näher kam. „Aber
ihren Zorn kann ich nicht beenden. Das könnt nur Ihr Kommandant.
Los. Alles wofür Euer jämmerliches Leben noch dient ist diesem
Wald seinen Frieden wieder zu geben.“
Als
die Augen des Kommandanten das Grauen erkannten was sich auf ihn
zubewegte, wurden seine Knie weich und etwas drückte seine Kehle zu.
„Nein. Nein. Nein. So darf das alles nicht passieren.“ Mit Panik
in der zitternden Stimme wandte er sich wieder dem Waidmann zu.
„Verschone mich! Lass sie mich nicht holen! Ich werde das alles
wieder irgendwie gut machen!“
Vollster
Abscheu rümpfte Fisk seine Nase. „Gnade war für Euch immer ein
Fremdwort. Im Buch des Druiden habe ich gelesen wie die Männer Euch
um ihr Leben anflehten. Sie bettelten, doch ihr stelltet Euch taub.
Als Ihr sie aufgeknöpft habt, habt Ihr es so gemacht dass sie noch
einen Moment lang lebten. Ihr ließt sie baumeln bis ihre Körper
nicht mehr zuckten. Lachend habt ihr ihnen dabei zugesehen. Das
letzte was ich für Euch habe Kommandant, ist Gnade.“
Als
er merkte wie hoffnungslos die Situation für ihn war, stürmte der
Kommandant wieder los. Er wollte den Waidmann überlisten und sich an
ihm vorbei drängen, aber Veldig war sofort zur Stelle und schnitt
ihm den Fluchtweg ab. Hungrig fletschte er die Zähne und schnappte
nach dem Flüchtigen.
In
seiner tiefen Verzweiflung nahm der Kommandant den einzigen Weg der
ihm noch geblieben war. Hinein in das Dunkel des Waldes. Fort von dem
Jäger und den Toten die ihm nahe kamen. So schnell wie ihn seine
Füße trugen, rannte er immer weiter hinein in den Wald. Hier und da
wagte er einen Blick über seine Schulter, doch einen Verfolger
konnte er nicht abschütteln so schnell er auch lief. Den Jäger.
Die
Schmerzen in seiner Schulter ließen ihn noch schneller außer Atem
kommen, tief hängende Äste peitschten in sein Gesicht. Den Weg vor
ihm konnte er nur erahnen, hier und da drang etwas Mondlicht durch
die Baumkronen. Immer wieder stolperte er über Wurzeln und Steine,
verlor fast das Gleichgewicht, schaffte es aber immer wieder sich zu
fangen und weiter zu rennen.
Mal
rechts, mal links von ihm donnerte die Bestie des Jägers durch den
Wald. Kam näher, ging wieder etwas auf Abstand. Der Kommandant
merkte erst das seine Schritte in eine bestimmte Richtung gelenkt
wurden, als er auf eine helle, vom Mondlicht beschienene Lichtung
stolperte. Auch wenn dieser Ort so anders aussah, als in seiner
Erinnerung, er erkannte ihn sofort wieder. Es war der Platz, an dem
der große Baum gestanden hatte. Der Platz wo sie ihre blutigen Taten
begangen hatten. Der Platz an dem sie all die Leichen verscharrt
hatten.
Fassungslos
starrte er, nach Atem ringend, auf das Gewirr aus abgeschlagenen
Ästen, zerwühlter Erde, Knochen und schwarzen Federn.
Inmitten
des Chaos auf der einst idyllischen Lichtung, lag der Rest des
Baumes. Ein zertrümmerter Stamm, bedeckt von feinen Rissen die kaum
merklich in einem violetten Licht schimmerten. Er war vollkommen
entwurzelt und befand sich in leichter Schräglage. Der Kommandant
hatte keine blasse Ahnung von dem was an diesem Ort vor sich gegangen
war.
Hinter
ihm knirschte der gefrorene Boden unter langsamen Schritten die sich
näherten.
Noch
immer vor Anstrengung schnaufend, drehte er sich langsam um, kalter
Schweiß tropfte von seinem Kinn. „Und nun? Du hast mich an diesen
Ort getrieben um mir das Grauen nochmal vor Augen zu führen? Ich
werde nicht noch mal um mein Leben betteln!“
Stumm
blieb der Jäger wenige Meter vor ihm stehen, die Bestie trat dicht
an seine Seite und setzte sich ruhig auf ihre Hinterläufe. Er blieb
stumm.
Die
Verzweiflung über seine Lage wuchs in dem Kommandanten heran, raubte
ihm den Verstand, neben dem Schmerz den ihm seine Schulter bereitete.
Grinsend bleckte er die Zähne und brach in ein hämisches Lachen
aus. „Soll ich dir was sagen? Ich bereue gar nichts! Im Gegenteil!
Jeden einzelnen ihrer Schmerzensschreie habe ich genossen! Ich liebte
es sie zu Tode zu quälen!“
Noch
immer blieb der Jäger stumm, und starrte ihn an. Der Kommandant
malte sich aus wie herrlich es sein würde, im mit der Faust das
Gesicht zu zertrümmern. Im Geiste sagte er sich, dass er es wagen
sollte. Was hatte er denn noch zu verlieren? Gerade als er seinen
Gedanken Taten folgen lassen wollte, vernahm er hinter sich ein
leises Knarren, etwas brachte den Boden unter seinen Füßen zum
vibrieren.
Der
Kommandant drehte sich herum und blickte direkt auf die zersplitterte
Borke des entwurzelten Baumes. Seiner Kehle entwich ein Schrei.
Wurzeln gruben sich in den Boden unter seinen Füßen und hoben ihn
ein Stück weit in die Höhe. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte
nach vorn. Inmitten des Stammes tat sich ein Riss auf. Kleine
Splitter flogen im entgegen.
Er
fiel in den aufgerissenen Schlund des Baumes, schrie erneut in Panik
auf, bis sein Fleisch an den scharfen Zacken aufriss. Blut sickerte
an dem Stamm herab als sich sein Maul wieder schloss. Noch einen
Moment lang vernahm der Jäger den schrillen Schrei des Kommandanten
aus dem Inneren des Baumes. Ein Knacken ertönte, fuhr ihm durch Mark
und Bein, dann kehrte Stille ein.
Langsam
versank der Baumstamm in der Erde als sei sie nichts weiter als
Morast. Nur noch ein kleines Stück ragte heraus bis er schließlich
inne hielt. Das violette Licht erlosch und Fisk konnte spüren wie
die Last von diesem Ort fiel. Nicht gänzlich, vielleicht war es auch
nur ein Hauch dieser Last, aber der Baum, der so viel Leid erfahren
hatte, fand zu seiner Rache die ihm endlich Frieden schenkte.
Noch
eine sehr lange Weile verblieb der Waidmann an diesem Ort bis er sich
wieder auf den Rückweg zu dem Dorf Kraic machte.
Als
Fisk die Mauern des Dorfes erreicht hatte, brach gerade ein neuer
Morgen an. Der Himmel war wolkenverhangen und ein eisiger Wind fegte
über das Land. Sicherlich würde es heute wieder schneien, und vor
ihm lag noch eine lange beschwerliche Reise.
Etwas
fiel ihm auf als er das Eingangstor passierte, die Leichen der
Stadtwachen waren verschwunden. Ihr getrocknetes Blut zeichnete sich
allerdings noch immer auf den Pflastersteinen des Bodens ab. Schon
bald würden auch diese Spuren von einer Decke aus Schnee verborgen
werden.
Rufe
hallten durch die Straßen, er vernahm viele Stimmen die wirr
durcheinander redeten in der Ferne. Er musste nicht lange horchen,
bis er sich sicher sein konnte, dass der Tumult in der Nähe des
Rathauses stattfand. Fisk seufzte leise. Er hatte darauf bestanden
dass sich alle versteckt und die Füße ruhig hielten bis er eintraf.
Irgendwie hatte er schon befürchtet dass man nicht auf ihn hören
würde.
Eine
Stimme donnerte durch die Straßen. „Der Nebeljäger ist zurück!“
Fisk
bog um eine Straßenecke und erblickte vor sich den ausladenden
Vorhof und das dazugehörige Rathaus. Eine Menschenmenge hatte sich
darum gebildet und trug Säcke mit Vorräten hinaus. Mehl, Reis,
Zucker, Hirse, Linsen, Äpfel, getrocknetes Fleisch und vieles mehr
trug man zu einem Karren. Einige Männer diskutierten angeregt wie
man all die Vorräte aufteilen sollte.
„Jäger
Fisk!“ Mina rannte ihm entgegen, ihre Augen wirkten eingefallen und
tiefe Schatten zeichneten sich darunter ab. Fast alle Dorfbewohner
verfielen in Schweigen und blickten zu ihm hinüber. Wieder seufzte
Fisk leise. Es hatte doch viel mehr Vorzüge wenn man sich im Voraus
bezahlen lassen konnte.
Mina
blieb dicht vor ihm stehen, ihr blondes, leicht gewelltes Haar stand
in alle Richtungen ab, sie musste diese Nacht kein Auge zugemacht
haben. Ihr Blick verriet Unsicherheit. „Nebeljäger... Ihr seid
zurück.“
Fisk
verzog den Mund und blickte hinüber zu den Menschen die ihn
argwöhnisch beäugten. „Und Ihr habt nicht zugehört. Oder wolltet
es nicht.“
„Was
redet Ihr denn da? Wir konnten doch nicht alle tatenlos in der Hütte
des Totengräbers hocken und abwarten nachdem wir das Buch des
Waldkauzes gelesen hatten. Außerdem hörten wir das Brüllen dass
unser Kommandant von sich gab. Wir alle wollten wissen was geschehen
war.“ Sie senkte etwas den Blick und zog ihren warmen Überwurf
fester um ihre Schultern. „Ihr habt ein Blutbad angerichtet. Viele
wissen nicht was sie davon halten sollen.“
Fisk zuckte mit den Schultern und senkte den Blick auf die Wirtin. „Mir ist gänzlich egal was andere von mir oder meinen Taten halten. Ich tue dass was für die Erledigung meines Auftrags nötig ist. Da ihr das Buch gelesen habt, wisst auch Ihr was diese Männer taten. Richtig?“
Fisk zuckte mit den Schultern und senkte den Blick auf die Wirtin. „Mir ist gänzlich egal was andere von mir oder meinen Taten halten. Ich tue dass was für die Erledigung meines Auftrags nötig ist. Da ihr das Buch gelesen habt, wisst auch Ihr was diese Männer taten. Richtig?“
Minas
Lippen begannen zu beben, ihre Augen füllten sich mit Tränen und
sie rang schweigend um ihre Fassung. Langsam senkte sich ihr Blick zu
Boden und ihre Stimme war nicht mehr als ein leises, ersticktes
Flüstern. „Ich wusste es. Tief in meinem Herzen wusste ich dass er
tot ist. Tobias erzählte mir was Ihr gesehen habt.“
Vorsichtig
und mit Bedacht legte sie eine Hand auf des Jägers Brust, langsam
hob sie ihren Blick wieder zu ihm. „Ich weiß gar nicht was ich
sagen soll. Von all dem Grauen ist mir noch immer Übel. So viele
unserer Männer sind dort draußen ermorden worden.
Bitte
sagt mir was Ihr mit dem Kommandanten gemacht habt, und wieso er das
unseren Männern angetan hat.“
Flüchtig
warf Fisk einen Blick auf eine Gruppe von Dorfbewohnern die sich ihm
langsam näherten, er erkannte sogar die zwei Jäger die ihn in der
Gaststätte angesprochen hatten. „Der Kommandant hat sein Ende
gefunden. Mehr kann ich Euch leider nicht sagen, weil ich mehr nicht
weiß. Ich fragte ihn nach dem wieso, aber er gab mir keine Antwort.
Gier, die einfache Lust am Töten. Ich weiß es nicht, aber ich
schätze es ist eine dieser menschlichen Triebe die ihn dazu
verleitete.“
Die
Gruppe von etwa sieben Männern blieb bei ihm stehen. Sie hatten
seine letzten Worte gehört, der Jäger Ron erhob das Wort. „Es ist
lange her, da tranken eine Gruppe von Männern der Stadtwache in Lady
Bachs Gaststätte einen über den Durst. Einer von ihnen ärgerte
sich über den Kommandanten. Sagte dieser lasse seinen Missmut immer
an ihnen aus. Seine Launen seien stellenweise unerträglich gewesen.
Er wollte lieber am Hofe des Königs dienen. Stattdessen hätte man
ihn in so ein kleines Dorf am Rande der Welt versetzt, soll er
geflucht haben.“ Ron zuckte mit den Schultern und schüttelte
leicht den Kopf. „Wenn er tatsächlich diese Tat aus Wut oder Frust
begangen hat, ist dies eine bittere Neuigkeit. Von denen hatten wir
heute reichlich.“
Fisk nickte, niemand konnte ihnen eine eindeutige Antwort auf diese Frage geben, außer vielleicht den Stadtwachen die er in einen der Kerker gesteckt hatte. „Was habt ihr mit dem Bürgermeister gemacht?“
Fisk nickte, niemand konnte ihnen eine eindeutige Antwort auf diese Frage geben, außer vielleicht den Stadtwachen die er in einen der Kerker gesteckt hatte. „Was habt ihr mit dem Bürgermeister gemacht?“
Mina
erhob das Wort bevor es einer der anderen Männer tun konnte und
bemerkte das ihre Hand noch immer auf der Brust des Jägers ruhte.
Langsam ließ sie diese wieder sinken. „Ihn haben wir ebenfalls in
den Kerker gesteckt. In dem Tagebuch stand zwar, dass der Kommandant
ihn für eine Witzfigur hielt die er nach seinen Plänen lenken
konnte, aber viele sind sich nicht sicher ob er nun wirklich
unschuldig ist, oder nicht.“
Fisk
nickte, er blickte noch einmal zu den Menschen die sich wieder daran
machten die Speisekammer des Bürgermeisters Müllebreck zu räumen.
Einer der Männer trat einen Schritt vor, er wirkte angespannter als
die anderen, Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. „Sagt ist
es wahr? Der Waldkauz soll von einem Baum geschrieben haben, an dem
viele unserer Freunde erhängt worden. Und er soll... gestöhnt
haben. Wie ein lebendiges Wesen.“
Fisk
schürzte die Lippen, wog seine Worte einen Augenblick lang ab. „Ja.
Der Fluch der eure Wälder heim suchte, hatte diesen Baum zur
Ursache. All das Leid was er an seinen Ästen hatte tragen müssen,
machten die Seele des Baumes krank und verderbten sie. Dieser Fluch
wurde aus all diesen Qualen geboren. Quasi von Menschenhand selbst
auferlegt.“
Die
Männer schluckten, manche warfen sich schweigende Blicke zu, jener
der gefragt hatte, machte große Augen und stotterte seine zweite
Frage mit leiser Stimme hervor. „Und nun? Habt ihr den Fluch
gebannt?“
Kurz
sah er noch einmal in die Gesichter der Männer. Einmal atmete er
tief ein und aus. „Der Baum ist erlöst. Der Wald aber wird noch
eine Weile brauchen. Auf dem Weg zurück sah ich keine Wurzelhexen
mehr, ein gutes Zeichen. Auch die Ruhelosen Körper der Toten, lagen
regungslos am Boden. Dennoch solltet ihr zur Sicherheit bis zum
Frühjahr warten bis ihr den Wald wieder betretet. Die Geister des
Waldes sind erschöpft und könnten sich ihre benötigte
Lebensenergie überall her holen.“
Niemandem
schien die Antwort auf ihre Frage so richtig zu gefallen, doch bevor
einer von ihnen noch eine weitere Frage stellen konnte, kam der Jäger
ihnen zuvor.
„Ich
müsste noch einen Augenblick mit der Lady Bach alleine die Details
meines Auftrages besprechen.“
Missmutig
musterten ihn einige der Männer doch sie willigten ein und zogen
sich wieder zurück. Jedoch nicht ohne Mina zu signalisieren dass sie
nur rufen müsste, falls es Ärger geben sollte.
Fisk
verschränkte die Arme vor der Brust und blickte mit einem lauten
Seufzen in ihre fragenden Augen. „Mein Auftrag ist beendet, daher
bitte ich um meine Bezahlung.“
Mina
zuckte regelrecht zusammen und rief hastig ihren Sohn zu sich. Der
Junge eilte an ihre Seite und blickte zu Fisk hinauf. Das erste
Gesicht das ihn anlächelte. Bevor er auch nur ein Wort mit dem Jäger
wechseln konnte, bat ihn seine Mutter aus dem Haus des Bürgermeisters
den gewünschten Betrag zu holen. Der Totengräber wachte über das
kleine Vermögen damit es sich nicht jemand unter den Nagel reißen
konnte in all dem Chaos.
Während
sie auf den Jungen warteten richtete Fisk wieder sein Wort an die
Witwe. „Was werdet ihr nun tun, ohne Bürgermeister oder
Stadtwache?“
Mina
verlagerte ihr Gewicht und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
„Ich denke wir werden unseren nächsten Bürgermeister weise
auswählen und eine neue Stadtwache aus Leuten bilden, denen wir
vertrauen können. Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt, aber ich
bin sicher es hat uns weit genug zusammen geschweißt, dass wir die
Sache in die Hand nehmen können.
Nun,
und mit Müllebrecks Vorräten kommen wir alle sicherlich über den
Winter.“
Tobias
rannte den beiden mit einem kleinen, klimpernden Lederbeutel
entgegen. Mina warf einen Blick hinein und schnürte ihn wieder zu.
Mit beiden Händen hielt sie ihm dem Jäger entgegen und umschloss
seine Finger als er danach griff. „Ihr habt viel für uns getan!
Und auch wenn vieles noch nicht im Reinen sein sollte, weiß ich
nicht wo uns all dies noch hingeführt hätte. Ich danke Euch.“
Wortlos
entnahm Fisk ihr den Beutel, nur zögerlich nahm Mina ihre Hände
wieder zurück.
„Ihr
rieft mich, gabt mir einen Auftrag, und ich erfüllte ihn. Daher sage
ich Lebewohl.“
Mina
legte eine Hand um Tobias Schultern und zog ihn dicht an sich heran.
Die ersten dicken Flocken des Tages fielen vom Himmel hinab. „Nein.
Ihr habt Euer Leben für uns riskiert. Ihr seid eingeladen den Winter
bei uns zu bleiben. Das Zimmer steht Euch frei und natürlich kann
ich nun auch wieder meine Gäste versorgen.“ Besorgt warf sie einen
Blick gen Himmel. „Heute wird es sicherlich viel schneien. Es wäre
verrückt wenn Ihr Euch bei dem Wetter auf den Weg machtet.“
Bevor
sie noch weiter reden konnte, hob Fisk seine Hand und lenkte ein.
„Ich
weiß Euer freundliches Angebot zu schätzen. Aber ich muss weiter.“
Stur
schüttelte Mina ihren Kopf, mit ihrem Sohn wandte sie sich um und
deutete auf den Karren voller Vorräte vor sich. „Redet keinen
Unsinn. Kommt. Ihr helft uns ein wenig die Lage hier wieder in den
Griff zu bekommen, außerdem haben viele Bewohner noch einige Fragen.
Ihr würdet uns wirklich sehr weiterhelfen.“
Der
Jäger verwehrte ihr eine Antwort, also blickte Mina über ihre
Schulter um zumindest seinen Gesichtsausdruck zu sehen. Jedoch war
alles was sie sah, eine leere Straße und das wilde Gestöber des
frischen Schnees.
„Nebeljäger?!“ Verwirrt huschte ihr Blick hin und her, sie erkannte noch seine Spuren im Schnee, sie endeten an einer Hauswand. Tobias rief seinen Namen noch einige Male. Doch der Jäger war fort. Seine Jagd beendet.
„Nebeljäger?!“ Verwirrt huschte ihr Blick hin und her, sie erkannte noch seine Spuren im Schnee, sie endeten an einer Hauswand. Tobias rief seinen Namen noch einige Male. Doch der Jäger war fort. Seine Jagd beendet.
Stunde
um Stunde wurde das Schneetreiben immer stärker. Die Sicht war
schlecht und ein kalter Wind kroch in Mark und Bein. Schwer stapften
Pranken durch den Schnee, kleine gefrorene Klumpen blieben in dem
dichten Fell haften.
Viel
Haut war nicht zu sehen, seinen Hut hatte er Tief in sein Gesicht
gezogen, den Schal bis unter die Augen, und dennoch schien sein
ganzes Gesicht aufgrund der Kälte zu brennen.
Fisk
wusste ungefähr in welche Richtung er musste und lenkte Veldig über
die zugeschneiten Straßen. Genug Proviant hatte er, und zum Notfall
ein Zelt das ihn in der Nacht vor der Kälte schützen konnte.
Dennoch wünschte er sich ganz woanders zu sein. So sollte es laut
Vertrag auch nicht sein. Gerade als er damit begann stille Flüche zu
murmeln, ließ das Schneetreiben ein wenig nach, wenn auch noch immer
einige Flocken vom Himmel fielen. Vor ihm, an einer Wegkreuzung,
stach etwas dunkles aus der weißen Winterpracht heraus.
Eine
Schwarze Kutsche, bespannt mit einem Ross das unruhig mit seinem Huf
scharrte, stand am Rand des Pfades. Es war eine Frau, gehüllt in
einen roten Umhang die auf dem überdachten Kutschbock saß und die
Zügel locker in Händen hielt.
Über
Fisks Lippen huschte ein bitteres Lächeln. Er lenkte Veldig in die
Richtung der Kutsche. Eine vertraute Stimme erklang leise. „Da bist
du ja, guter Jäger. Du hast dir Zeit gelassen.“
Sie
stieg hinab und warf eine Plane auf der Rückseite der Kutsche zur
Seite. Die Ladefläche war mit warmen Fellen ausgelegt und ein paar
Kisten waren am Rand befestigt damit sie nicht hin und her rutschten.
Fisk
stieg von Veldigs Rücken und schnallte seine Reisetaschen ab, und
schließlich auch den Sattel. Nachdem er alles auf der Ladefläche
verstaut hatte, gab er Veldig ein Zeichen, und sein Begleiter hüpfte
hinein.
Die
Frau im roten Umhang schloss die Planen wieder, ihre Kapuze hing ihr
tief ins Gesicht sodass er ihre Züge nicht sehen konnte. „Er sieht
aus als hätte er viel mitgemacht.“
Fisk antwortete ihr leicht gereizt. „Hat er auch. Vielleicht wäre ich besser vorbereitet gewesen wenn Ihr mir mehr Informationen mitgegeben hättet! Und sagt mir nicht, Ihr hattet keine mehr. Ich weiß es!“
Fisk antwortete ihr leicht gereizt. „Hat er auch. Vielleicht wäre ich besser vorbereitet gewesen wenn Ihr mir mehr Informationen mitgegeben hättet! Und sagt mir nicht, Ihr hattet keine mehr. Ich weiß es!“
Sie
hob leicht den Kopf, ihre Augen lagen im Schatten, doch er konnte ein
amüsiertes Aufblitzen darin erkennen. „Steig auf guter Jäger. Wir
sollten los, du weißt wie sehr ich es hasse zu frieren.“
Als
sie beide auf dem Bock Platz genommen hatten, nahm sie wieder die
Zügel in die Hand, schnalzte mit der Zunge, und das Pferd trabte an.
Es hatte eine schwere Last zu ziehen und schnaufte, doch schnell
hatte es seinen Schwung gefunden und zog die Kutsche durch den
Schnee.
Die
Frau griff hinter sich und zog eine Kanne aus Gusseisen hervor. Sie
schenkte zwei Becher voll Tee ein, dann griff sie nach einer weiteren
Flasche und gab noch einen guten Schuss der klaren Flüssigkeit in
einen der Becher. Sie reichte ihn dem Jäger. Ihre rot geschminkten
Lippen zeigten ein Lächeln. „Sei nicht so mürrisch. Trink, es
wird deine Laune heben.“
Seufzend
lehnte sich Fisk nach hinten und nahm einen großen Schluck. Es tat
ihm tatsächlich gut. Er nahm seinen Hut ab, an dessen Seite hatte er
einen großen Holzsplitter hinein gesteckt. Diesen reichte er ihr.
„Auftrag erledigt. Dafür war die Jagd eine der langweiligsten die
ich jemals hatte. Allerdings war der Grund des Fluches sehr
beeindruckend. Ich denke ich habe später noch Zeit Euch über alle
Details zu unterweisen.“
Vorsichtig
nahm sie das Holz entgegen und strich mit den Fingern über die
tiefen Kerben. „Ich wusste du bist der richtige für diesen
Auftrag.“
Nach
einem weiteren, großen Schluck lehnte sich Fisk zurück, streckte
die Füße von sich und schlug die Stiefel übereinander.
„Dafür
brauche ich allerdings eine kleine Auffrischung was das Bestiarium
angeht. Kurz bevor ich den Ort erreichte wo der Kern des Fluches lag,
bin ich Kreaturen begegnet die ich noch nicht kannte.“
Die
Frau im roten Gewandt war erst amüsiert, zog ihren Schüler auf, ob
er denn den Unterricht bei ihr geschwänzt hätte, doch nach seiner
Beschreibung erlosch das Lächeln auf ihren Zügen.
Langsam
drehte sie das Gesicht zu Fisk, er konnte Besorgnis in ihren grünen
Augen sehen. Es dauerte eine Weile bis sie das Schweigen beendete.
„Sie lähmten dich mit einem Schrei? Mit Runen bestickte Kutten? So
etwas habe ich selbst noch nie gesehen.“
Das
war wahrlich ein Grund besorgt zu sein. Ein Schauer fuhr ihm eiskalt
den Rücken hinab. „Ich musste Magie einsetzen um es zu töten,
sonst säße ich nun nicht mehr hier. Dieser Auftrag hat mir mehr
genommen als das ich wieder gut machen konnte. Einige Menschen
verloren durch mich ihr Leben.“
Eine
schwere Stimmung legte sich nieder, sie presste ihre Lippen zu einer
schmalen Linie zusammen, dann wandte sie den Blick wieder nach vorn,
tat es ihm gleich und lehnte sich mit dem Rücken an das Polster.
„Vielleicht
hast du nicht so viel verloren wie du denkst.“
Eine
Weile lang herrschte Schweigen zwischen den Beiden, er warf ihr einen
verstohlenen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Wohin?“
Unter
dem Schatten ihrer Kapuze zeichnete sich wieder ein Lächeln ab. „In
das Winterquartier. Du hast es dir verdient, guter Jäger.“
Auch
er musste schmunzeln, ließ sich noch mehr in das Polster sinken und
legte sich seinen Hut über das Gesicht. „Dann weckt mich wenn wir
da sind. Ich fühle mich als hätte ich seit Nächten nicht
geschlafen.“
Kaum
dass seine Brust sich unter tiefen Atemzügen begann zu heben und zu
senken, ruhte ihr Blick auf dem schlafenden Jäger. Eine lange Zeit.
Vielleicht hatte sie ihm dieses Mal zu viel zugemutet. Vielleicht
aber war dies auch nur der Anfang, eine Vorbereitung auf das was
kommen sollte.
Und
etwas würde kommen, das wusste sie. Ihre Finger fuhren über den
Holzsplitter den der Waidmann ihr mitgebracht hatte. Als sie mit
ihren nackten Fingerkuppen langsam die Rillen nach fuhr, schimmerten
sie in einem violetten Licht auf.
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