Totholz Kapitel 2

Kapitel 2


So schnell ihn seine Beine trugen, rannte der Waidmann durch die schmalen Gassen des Dorfes Kraic.
Seine Beute befand sich weit fort, und es galt die Distanz zu ihr so schnell wie möglich zu überbrücken.
In seinen Lungen brannte die kalte Luft der jungen Nacht. Schmerzen welche ihn nie und nimmer hätten aufhalten können. Dafür hatte er in seinem Leben schon genug andere Dinge erlebt.
Dicht vor dem Waidmann rannte sein treuer Begleiter, und tat sich sichtlich schwerer auf dem Kopfsteinpflaster. Seine, mit Klauen besetzten, Pfoten fanden kaum Halt auf dem glatten Untergrund bei diesem hohen Tempo. Der Stein war gefroren und erschwerte somit ein schnelles Vorankommen noch mehr. Wann immer sie um eine scharfe Kurve, in die nächste Straße einbogen, verlor Veldig seinen Halt und schlitterte gegen die Häuserwände.
Doch Veldig war schon lange an der Seite des Waidmanns, diese Hetzjagd war nicht seine Erste. Er ließ sich nicht aus der Bahn bringen, sondern nutzte die Häuserwände um sich an ihnen wieder abzustoßen und sein Tempo erneut aufzunehmen.
Ein Pfiff hallte durch die Nacht und brachte Veldig dazu sein Tempo zu zügeln. Als er zum stehen gekommen war, blickte er sich nach seinem Herrn um. Wie eine Schlange peitschte sein Schwanz nervös umher, die Lefzen hatte er hoch gezogen und eine Reihe an scharfen Zähnen entblößt, die nur darauf warteten sich in etwas graben zu dürfen.
Fisk stand starr und ruhig mitten auf der Straße, beide Arme hingen zu seinen Seiten hinab. Den Kopf nur leicht schief gelegt, lauschte er in die Stille hinein.
Große Schneeflocken fielen unendlich langsam vom Himmel hinab, und heuchelten eine friedliche Atmosphäre der Ruhe.
An die Ohren des Waidmanns drang das Keuchen seines Tieres und seine eigenen Atemzüge. Das leise Murmeln hier und da hinter den Fensterläden, verängstigter Bürger die keinen Schlaf fanden.
Mit einem Ruck bewegte sich sein Kopf zur Seite. Da war es. Das Schlurfen von Schritten. Füße die keine Schuhe trugen. Nicht nah, aber auch nicht unerreichbar fern.
Er lokalisierte die Schritte und rannte los.
Veldig folgte ihm in die dunkle Seitengasse und hastete ihm hinterher. Auf einer breiteren Straße, umringt von Häusern mit verriegelten Türen und Fenstern, kam er wieder zum Stehen. Auf dem Weg vor sich sah er Fußspuren im frischen Schnee. Fisk beugte sich zu ihnen hinunter. Die Füße die diese Spuren hinterlassen hatten, waren größer als die seinen.
Mitten auf dem Weg endeten sie, als hätte sich das Wesen in Luft aufgelöst.
Der Waidmann richtete sich wieder auf, blickte hoch zu den Häuserdächern, in der Hoffnung er würde eine Spur finden. Und er fand sie.
Auf allen Dächern lag eine Decke aus Weiß. Nur auf einem war das Bild zerstört. Irgendetwas hatte dort oben seinen Weg fortgesetzt.
Fisk rannte die Straße weiter, so lange er die Spur noch verfolgen konnte. Doch schon nach wenigen Metern war sie verschwunden. Seine Augen suchten die Höhe ab, die Nacht blieb still und offenbarte gar nichts.
Fluchend ging er langsamen Schrittes weiter, seine Beute konnte nicht einfach verschwunden sein. Sie musste hier irgendwo sein, und er würde sie finden.
Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen. Eine Krähe hatte sich in den Himmel erhoben und zog ihre Kreise hoch über dem Jäger. Seine Augen folgten ihr einen Moment, er sah zu wie eine ihrer schwarzen Federn langsam zu Boden fiel. Sie landete vor seiner Fußspitze.
Plötzlich würde die Stille der Nacht durchbrochen. Ein Schrei, schrill und nur einen Wimpernschlag zu hören, hallte durch die Gassen. Dann kehrte sie zurück. Bedrohlicher denn zuvor. Die Stille.
Fisk rannte die Straße weiter hinab und hinterließ eine Spur aus aufgewirbeltem Schnee.
Er hastete in die nächste Seitengasse zu seiner Linken und vernahm direkt hinter sich das Geräusch der Krallen seines Begleiters, welche beim laufen über die Pflastersteine scharrten.
Kaum hatte er die Seitengasse verlassen, riss er seine Armbrust hoch. Sie war schussbereit. Doch seine Beute war nicht zu sehen.
Zornig zog er seinen rechten Nasenflügel in die Höhe und senkte seine Waffe wieder. Hier war der Schrei her gekommen, daran hatte er keinen Zweifel. Dann entdeckte er das schwache Flackern eines Kerzenlichts dass sich auf der dünnen Schneedecke widerspiegelte.
Vorsichtig schlich er sich an die offenstehende Tür heran. Seine Zunge schnellte über seine Unterlippe um sie zu benetzen. Veldig begann zu knurren und schlich sich mit peitschendem Schwanz an seinen Herren heran. Mit einem Satz sprang der Waidmann um die Ecke und hielt die Armbrust in die Höhe. Schnell richtete er sie erst zur Rechten, dann zur Linken Seite aus. Aber außer ihm befand sich niemand im Haus.
Ein kleiner Zinnbecher war auf dem Tisch umgekippt und der rote Inhalt tropfte auf den Teppich. Sein Blick huschte über den Boden, er suchte nach Spuren im Schnee, doch vor der Tür war nicht ein Fußabdruck zu sehen. Das Wesen musste an der Häuserwand zur Tür hinab geklettert sein.
Des Waidmanns Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen als er die massive Holztür genau untersuchte. Kein zersplittertes Holz oder sonstige Spuren eines gewaltsamen Einbruchs waren zu sehen. Der Riegel des Schlosses stand heraus. Es wirkte als hätte sich die verschlossene Tür dem fremden Eindringling von allein geöffnet.
„Such!“ Veldig folgte seinem Befehl und schnüffelte erst in die Luft, dann folgte er einer unsichtbaren Spur auf den Holzdielen. Sein massiver Körper schob sich an den Möbeln vorbei, ohne dass er mit ihnen in Berührung kam.
Fisk folgte ihm noch immer mit erhobener Armbrust. Die Dielen unter seinen Füßen knarzten leise. Er kam an einem Bett vorbei, die Decke war zurück geschlagen worden, als hätte sich jemand gleich zur Nachtruhe legen wollen.
Ruhe hatte hier niemand mehr gefunden.
Veldig blieb vor einer schmalen Treppe stehen und hob seine Schnauze in die Höhe, ein dunkles Grollen drang aus seiner Kehle und weckte die Aufmerksamkeit des Waidmanns. Er blickte hinauf in die Dunkelheit. Der Trank offenbarte seinen Augen einige steile Stufen die hinauf ins Ungewisse führten.
Mit einer Hand drückte er Veldig zur Seite und stieg langsam die Treppe hinauf, der Durchgang war so schmal, dass seine Schultern zu beiden Seiten die Wände berührten. Sein Begleiter würde unten warten müssen.
Ein kalter Windhauch streifte das Gesicht des Waidmanns, er konnte in der Dunkelheit über sich ein paar kleine Schneeflocken tanzen sehen. Sein Kopf streckte sich unmittelbar nach seiner Armbrust durch die Öffnung zum oberen Geschoss. Alles was dort auf ihn wartete, waren einige Regale, vollgestopft mit Stoffballen. In der Mitte des Raumes stand ein riesiger Tisch auf dem allerlei Utensilien die man zum schneidern gebrauchte, verstreut.
Das einzige Fenster in der Dachschräge stand weit offen.
Fisk rannte zum Fenster und spähte hinaus. Häuserdächer an Häuserdächern ebneten das Bild vor ihm, er blickte hinunter auf die Straße, die zur anderen Seite des Hauses verlief, als die Tür durch welche er eingetreten war.
Eine Spur im Schnee dort unten verriet seine Beute. Eine Bewegung in den Schatten ließ ihn ruckartig den Kopf wieder heben. Am Ende der Straße konnte er eine Silhouette erkennen die gerade um eine Ecke bog, und dieses Etwas schleifte jemanden hinter sich her.
Fisk drückte die beiden Arme seiner Armbrust feste zusammen bis sie unter einem Klicken einrasteten. Rasch befestigte er seine Waffe wieder an dem Köcher, während er einen Fuß bereits auf den Fensterrahmen stemmte.
Mit beiden Händen zog er sich hoch, hinaus in die kalte Nacht. Ohne zu zögern schlitterte er das Hausdach entlang und riss einige der maroden Schindeln mit sich. Haltlos rutschte er auf die Kante des Daches zu. Erst im letzten Augenblick stieß er sich ab, und sprang. Am Haus Gegenüber bekamen seine Finger an einem schmalen Fensterbrett Halt. Unter ihm zerschellten die Schindeln auf dem Pflasterstein.
Schon im nächsten Augenblick stieß er sich von der Hauswand ab und nutzte die gegenüberliegende
Wand dazu, sich erneut abzustoßen. Nun war es nicht mehr weit bis nach unten und er ließ sich die letzten, wenigen Meter fallen. Der Waidmann rollte sich ab, das Schwert auf seinem Rücken drückte sich schmerzhaft gegen seine Wirbelsäule als sein Gewicht darüber hinweg rollte. Kaum war er wieder auf den Beinen, rannte er los. Zwischen seinen Fingern stieß er einen Pfiff aus, und konnte als Antwort den Ruf von Veldig durch die Straßen hallen hören.
Fisk schoss um die Ecke, hinter welcher der Schatten verschwunden war. Seine Beute war dort. Am Ende der Straße, die zurück in den verwunschenen Wald führte.
Mit langen Schritten kam er dem Wesen immer näher. Das Ende seines Mantels peitschte im Wind. In einer fließenden Bewegung zog er seine Armbrust und machte sie einsatzbereit.
Schlitternd kam er auf dem Kopfsteinpflaster zu stehen und riss seine Waffe hoch. Alles um ihn herum schwand zur Bedeutungslosigkeit. Seine Augen fixierten die Beute. Heißer Atem verwandelte sich zu Dunst und ließ die kalte Luft knistern. Der Waidmann hörte es nicht.
Sein Zeigefinger krümmte sich und betätigte den Abzug.
Während der Pfeil, leise sirrend durch die Luft glitt, rannte Fisk bereits wieder los. Ein Schritt. Zwei Schritte. Dann schlug der Pfeil ein.
Ein Kreischen hallte durch die Gasse und seine Beute sackte in sich zusammen. Der Waidmann verlangsamte seine Schritte kurz bevor er die Gestalt auf dem Boden erreichte.
Langes, weißes Haar war über den Boden verteilt. Es war verklebt und verfilzt. Der Körper des Wesens war durch einen zerfetzten Umhang bedeckt, welcher aus braunem Moos zu bestehen schien. Überall auf dem Moos krabbelten kleine rote Käfer umher. Sie schlüpften zwischen den Fransen hindurch umher. Der Schaft seines Pfeils ragte aus dem Rücken der Gestalt heraus.
Nur eine Hand lag ausgestreckt da, sie hatte sich dem Schutz des Umhangs entzogen. Sie war dürr und grau. Die langen Nägel waren verdreckt und hier und da abgebrochen.
Fisk schluckte, denn er wusste, ohne ihr Gesicht zu sehen, was dort vor ihm lag. Und dass ein einzelner Pfeil sie nicht töten konnte. Sie wartete dass er näher kam. Sie wartete auf seine Unachtsamkeit. Sie wartete auf ihn ganz allein, dort, liegend auf den kalten, verschneiten Straßen von Kraic, und ihr Opfer starrte ihn aus aufgerissenen Augen an.
Die andere Hand hatte das Wesen in das blonde Haar der Schneiderin gekrallt und sie so den ganzen Weg hinter sich her gezerrt. Die Frau zitterte am ganzen Leib, denn sie war nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet. Ihre blauen Augen starrten Fisk flehend an, sie wimmerte und Tränen liefen an ihren Wangen hinab.
Ranken hatten sich um ihre Glieder gewickelt und sie so fest verschnürt dass sie sich nicht bewegen konnte. Sie schlangen sich um ihren Körper, ihre Kehle und waren in ihren aufgerissenen Mund eingetaucht um jeden Ton den sie von sich geben wollte, zu ersticken.
Langsam, und so leise wie möglich zog der Waidmann sein Schwert. Die dunkle Klinge wirkte fast unsichtbar im Finster der Nacht. Erst als das Schwert komplett gezogen war, erwachte es schier zum leben. Zwei Reihen goldener Runen waren in den Stahl der Klinge eingebrannt, welche begannen ein dämmriges Licht zu verströmen als würden sie vor Hitze glühen.
Mit beiden Händen umfasste Fisk das Heft. Er wusste, er musste nur schneller sein als sie, dann könnte es schon vorbei sein.
Ein leises Surren ging durch die Nacht als die lange Klinge seines Zweihänders niedersauste. Kleine Funken sprangen umher als sie auf den harten Stein des Kopfsteinpflasters prallte.
Fisk stieß einen leisen Fluch aus, als seine Augen in das hässliche, grinsende Gesicht des Wesens starrten, dass sich über den Boden gerollt hatte und somit knapp seinem tödlichen Angriff entgangen war.
Unter einem gackernden Laut erhob sich das Wesen, die Schneiderin noch immer an den Haaren gepackt. Sie weinte nur noch mehr.
Das Gesicht einer alten Frau blickte dem Waidmann entgegen. Ihre graue Haut hing schlaff herab. Das Grinsen auf ihren Lippen entblößte das schwarze Fleisch in ihrem zahnlosen Mund. Rote Pupillen, umrahmt von vollkommener Schwärze blickten ihm aus eingefallenen Höhlen entgegen.
„Ich hätte schon fast vergessen wie hässlich Wurzelhexen sind, so lange habe ich keine mehr gesehen.“
Als hätte das Wesen seine Worte verstanden, begann es wieder an zu gackern. Der Waidmann wusste es besser. Sie hatte ihn verstanden.
Mit einem Satz nach vorn schwang Fisk seine Klinge, die Runen zogen einen dünnen Nebel goldenen Lichts hinter sich her. Doch auch so klobig wie das Wesen mit seinem breiten Buckel wirkte, es wich ihm wieder in Windeseile aus, und seine Klinge streifte die nahe Häuserwand. Doch so schnell würde er nicht aufgeben, er setzte ihr nach.
Dieses Mal würde sein Schwert sich in weiches Fleisch graben und Blut kosten. Aber das falsche Blut. In der letzten Sekunde konnte er seinen Angriff abbremsen bevor er den Schädel der Schneiderin spaltete. Die Wurzelhexe benutzte sie als Schutzschild, hielt sie vor ihren knochigen Leib und drohte ihr die Kehle mit ihren langen Fingernägeln aufzuschlitzen.
Langsam, mit kleinen Schritten bewegte sie sich seitwärts bis hinter ihr wieder der Pfad zu den Wäldern lag. Von Panik ergriffen begann die Schneiderin zu winseln und weinte bittere Tränen, sie hatte sichtlich Mühe mit dem Wurzelstrang in ihrem Mund Luft zu bekommen.
Der Waidmann nahm eine geduckte Haltung ein, er hob sein Schwert in Kampfbereitschaft, doch er wusste, er würde keine Gelegenheit mehr für einen weiteren Angriff bekommen.
Ein Schatten hatte sich lautlos durch das Dunkel der Nacht geschlichen. Scharfe Klauen gruben sich in das faulige Fleisch der Wurzelhexe als Veldig sie von hinten ansprang. Ein schriller Schrei der Überraschung entfuhr ihrer Kehle und schmerzte in den Ohren. Noch bevor ihre Nägel das zarte Fleisch der Kehle ihres Opfers zerfetzen konnten, entriss ihr Fisk dieses.
Grob stieß er die wimmernde Schneiderin hinter sich auf den Boden und stellte sich schützend vor sie.
Mit ihrem langen Armen versuchte die Wurzelhexe sich zu wehren und nach ihrem Angreifer zu schlagen, doch seine massiven Kiefer schlossen sich bereits um ihren Hals und bissen zu.
Wie ein Spielzeug schleuderte Veldig den hageren Körper hin und her als er seinen Kopf zur Seite warf. Zähes, grünes Blut besudelte den Boden und die Häuserwände um ihn herum als er unter einem lauten Knacken den Kopf der Hexe von ihrem Körper riss.
Ihr entsetzlicher Schrei hallte durch die Gassen und Fisk könnte hören wie manche Bürger in ihren Häusern ebenfalls vor Angst aufschrien, weil sie keine Ahnung hatten von dem Schrecken der in ihren Straßen vor sich ging.
Zuckend blieb der Leib der Hexe am Boden liegen und krümmte sich schließlich grotesk zusammen. Veldig spie ihren Kopf aus, welcher unter einem dumpfen Aufprall über das Kopfsteinpflaster rollte. Angewidert von dem Geschmack ihres Blutes schüttelte sich das Raubtier und leckte sich über die Zähne.
Fisk steckte sein Schwert zurück und ging neben der wimmernden Schneiderin in die Hocke. Ohne die Magie der Wurzelhexe war es für ihn nun ein leichtes sie von den Schlingen um ihren Körper zu befreien.
Als er die Wurzelenden aus ihrem Mund zog, atmete sie gierig ein und brach danach in heftiges Husten aus. Ihr ganzer Körper zitterte, vor Kälte und vor dem Schrecken dem sie eben so knapp davon gekommen war. Mit beiden Händen klammerte sie sich an sein Hosenbein, und zog sich so an den Jäger heran.
„Habt Dank! Habt tausend Dank!“
„Kommt hoch, der Boden ist eisig.“ Während er die Frau stützte und ihr auf die Füße half, blickte er den Weg hinauf in die fernen Schatten des Waldes. Der Trank ermöglichte es ihm mehr zu sehen, dass manche der Schatten sich bewegten und ihn beobachteten.
„Ihr... Ihr seid der Jäger den wir gerufen haben oder?“ Er sah in das erschöpfte Gesicht, auf welchem ein dankbares Lächeln lag, und nickte ihr knapp zu. Noch etwas anderes konnte er in ihren Augen sehen. Hoffnung.
Er hasste es wenn die Leute zu früh voller Hoffnung waren, diese konnte nur all zu leicht in Hass und Wut umschwenken wenn man sie ihnen wieder nahm.
Leicht drückte er sie von sich und winkte Veldig heran.
„Er wird Euch nach Hause bringen. Habt keine Angst vor ihm. Ich bin hier noch nicht fertig.“
Das Lächeln der Frau erlosch als sie das wilde Tier sah, aber sie hatte nicht vergessen dass eben dieses Tier vorhin daran beteiligt war, ihr das Leben zu retten. Ihr Blick blieb wieder auf der Leiche der Wurzelhexe hängen und sofort spannte sich ihr ganzer Körper an, sie begann zu schluchzen.
„Was ist das nur für ein Dämon? Warum wollte er mich holen? Der Geistliche sagte, sie würden nur Sündiger holen! Aber was soll ich denn schon gemacht haben? Ich arbeite den ganzen Tag hart und lasse mir nichts zu Schulden kommen.“
Fisk legte ihr eine Hand auf die Schulter und schob sie sachte in Veldigs Richtung, sein Blick war nur auf das Dickicht des Waldes gerichtet, ihre Worte drangen nur ganz nebenbei zu ihm durch.
„Wir reden später. Ich muss das hier zu Ende bringen. Außerdem holt Ihr Euch hier Draußen noch den Tod, dann hätte ich Euch umsonst gerettet.“
Den vollkommen entgeisterten Blick der Schneiderin entging ihm, sie brauchte nun dringend etwas Trost, aber er war Jäger, solche Dinge fielen nicht in seinen Aufgabenbereich.
Ohne noch länger Zeit zu verschwenden rannte er mit langen Schritten über das Kopfsteinpflaster in Richtung des Waldes.
Die Schatten, welche ihn beobachtet hatten, zogen sich zurück, drängten sich tiefer in das Unterholz, fort von dem Besucher der eine von den Ihren getötet hatte.
Doch er war keineswegs gekommen nur um sie einzuschüchtern. Fisk nahm die Armbrust wieder in seine Hände und machte sie bereit. Seine Augen huschten von Links nach Rechts als er die ersten kleinen Büsche und Sträucher passierte, welche den Einlass des Waldes umgarnten.
Ein entsetzlich schriller Schrei hallte durch das Dickicht und überall im Wald erwachte leises Murmeln zum Leben.
Vorsichtig und langsam schob er seine Füße immer tiefer in den Wald, er suchte nach den Schatten die ihn zuvor noch beobachtet hatten, konnte aber keinen mehr von ihnen erblicken. Ein Blick über seine Schulter verriet ihm, dass er das Dorf schon einige Meter hinter sich zurück gelassen hatte.
Als er seinen Blick wieder nach vorn wante, versperrte eine buckelige Gestalt seinen Weg. Gackernd stürzte sich die Wurzelhexe auf den Jäger und hieb mit ihren langen, scharfen Fingernägeln nach ihm, doch es gelang Fisk sich mit einem Sprung zurück in Sicherheit zu bringen.
Er hob seine Armbrust und wollte gerade mit seinem Finger den Abzug betätigen als sich etwas um seine Kehle schlang und ihn mit einem Ruck nach hinten zog.
Die Wurzelhexe gab wieder ein Gackern von sich und entblößte mit einem breiten Grinsen ihr schwarzes Zahnfleisch.
Fisk spürte die harte Rinde eines Baumes an seinem Rücken, als sich etwas dicht neben ihm in sein Blickfeld schob. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen dass es das Gesicht einer wunderschönen Frau war, die ihn fast lieblich anlächelte. Ihr Arm war es auch der sich viel zu fest für solch ein zierliches Wesen, um seinen Hals gelegt hatte und ihn an dem Baum fixierte. Je weiter sie sich neben seinem Gesicht hervor reckte, spürte er weiche, warme Haut an seinem Rücken statt der harten Rinde. Ihr dunkles Haar fiel über ihre Schultern und er konnte erkennen dass überall Efeu hinein geflochten war.
Sie brachte ihre Lippen ganz nah an sein Ohr und hauchte in verführerischen Ton hinein. „Du gehörst hier nicht her. Du bist nicht willkommen.“
Fisk ließ sich von ihrer lieblichen Stimme nicht verführen, er wusste genau was sie war, eine Waldnymphe, und dass sie in diesen Wäldern nichts gutes mit ihm vorhatte.
Ihr Griff wurde fester und ihre Stimme flüsterte ihm weiter zu, dass er nicht hier her gehörte, und obwohl er sich gegen ihren Zauber wehrte, fühlte er sich mit jedem ihrer Worte schläfriger.
Gackernd kam die Wurzelhexe auf ihn zu, sicher er war bereits nicht länger Herr seiner Sinne. Knackend bogen sich ihre langen Finger unter ihren gierigen Bewegungen, sie streckte sie aus um ihm den Leib aufzureißen und sich an seinen Innereien gut zu tun.
Fisk bäumte sich gegen den Zauber der Nymphe auf und stieß sich mit beiden Beinen vom Boden ab, um seine Fußsohlen mit voller Wucht in das Gesicht der Wurzelhexe zu pressen.
Mit einem lauten Kreischen kippte das Weib nach hinten und hielt sich das blutige Gesicht. Die grünliche Masse sickerte in ihr langes, verfilztes Haar und tränkte den Waldboden.
Fisk nutzte den Schwung seines Angriffes und drehte sich halb um seine eigene Achse. Unter einem lauten Knacken zerbrach der Unterarm der Nymphe. Unter einem wütendem Aufheulen zog sie sich blitzschnell zurück in den Baum, tauchte in dessen Rinde ein, und verschwand spurlos.
Die Wurzelhexe hatte sich von ihrem Schlag erholt, rollte sich auf den Bauch und krabbelte auf allen Vieren auf das dichte Unterholz zu. Sie wollte ihr Heil in der Flucht suchen, brauchte nur noch ein kleines Stück bis sie die Büsche erreichte in denen sie eintauchen konnte um sich in ihrem Schutz davon zu schleichen.
Ein Pfeil zischte durch die Nacht und durchbohrte ihren Hinterkopf. Zuckend und um sich schlagend blieb das alte Weib auf dem harten Waldboden liegen, ihr gackerndes Lachen war verstummt, geblieben waren unnatürliche Laute des Zornes die sie unter ihren Zuckungen hervor brachte.
Fisk drückte einen seiner Stiefel auf den Rücken der Wurzelhexe und presste ihren Körper somit fest auf den Boden. Er beugte sich zu ihr hinab, und drückte einen der, mit scharfen Klingen versehenen, Arme seiner Armbrust in ihren Nacken. Er brauchte nur noch zuzustoßen und das jämmerliche Dasein dieses Wesens hatte ein Ende.
Etwas anderes fiel in sein Blickfeld. Etwas das sich ihm blitzschnell zwischen den Bäumen hindurch, näherte. Zwei Männer hielten auf ihn zu und streckten ihre Arme nach ihm aus. Ihre Kleider waren zerschlissen und hingen zum Teil nur noch in Fetzen von ihren mageren Leibern. Der Kopf des Rechten lag auf dessen Schulter und wurde bei seinen hastigen Schritten hin und her geschleudert.
Fisk verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen und trat ein paar Schritte zurück. Ihm gefiel gar nicht was er sah. Ganz und gar nicht.
Mit einem Sprung zur Seite wich Fisk den beiden Angreifern aus, die über die zuckende Wurzelhexe hinüber stiegen. Ihre Münder waren weit aufgerissen, doch außer einem dumpfen Stöhnen waren ihre Stimmbänder zu keinem anderen laut mehr fähig. Und auch wenn ihre Augenhöhlen längst leer und ohne Leben waren, schienen sie Fisk voller Hass anzustarren.
Beide hieben mit Schlägen nach ihm, sie waren schnell und kraftvoll. Fisk wich ihnen aus, duckte sich unter einem der Arme durch und schoss von unten durch das Kinn in den Kopf des Toten. Alles was diese Hülle noch am Leben gehalten hatte, wich aus dem schon längst verstorbenen Menschen und ließ den Leichnam zusammen sacken. Die Faust des Zweiten traf Fisk schmerzhaft in die Seite. Bevor der zweite Schlag ihn treffen konnte, stoppte er ihn mit seiner einen Hand. Fest schlossen sich seine Finger um die Faust des Toten. Fisk nutzte den Schwung seines Angreifers und riss diesen herum, sodass er das Gleichgewicht verlor und auf dem gefrorenen Waldboden aufschlug.
Bevor er sich wieder aufrappelt konnte, durchbohrte ein Pfeil seine Stirn, und erlöste auch ihn von seinem ruhelosen Dasein.
Fisk atmete ein paar Male durch und ließ seinen Blick durch das Dunkel der Wälder schweifen, Er konnte in weiter Ferne noch immer die Schatten erkennen, die ihn die ganze Zeit beobachteten. Auch sie schienen von menschlicher Statur zu sein. Langsam zogen sie sich zurück und ihr Murmeln wurde immer leiser bis es schließlich vollkommen verstummte.
Der Waidmann betrachtete die beiden Leichen der Männer. Sie waren schon seit langem tot, und soweit verwest das nur noch Knochen, überzogen mit einer trockenen Schicht Fleisches, übrig waren. Bedeckt von ein paar Fetzen ihrer Kleidung.
Der eine musste an seinem gebrochenen Genick verstorben sein, bei dem anderen ließ es sich nicht mehr offensichtlich ergründen.
Dennoch war ihre Anwesenheit allein, hier in diesen Wäldern, eine Tatsache die Fisk sehr beunruhigte. Mehr noch als die Waldnymphe die ihn angegriffen hatte, und sogar mehr noch als die Anwesenheit von Wurzelhexen.
Dass ein Wald verflucht war, konnte mehrere Gründe haben, aber wenn wandelnde Tote hier ihr Unwesen trieben, war es meist nicht sehr angenehm diesen Ursachen auf den Grund zu gehen.
Hinter sich vernahm Fisk einen schmatzenden Laut. Die Wurzelhexe hatte sich mit aller Kraft vom Boden hochgestemmt und sich den Pfeil aus ihrem Kopf heraus gezogen. Ihre Bewegungen waren ungelenk, dennoch schlurfte sie mit allen Vieren weiter in Richtung Unterholz um dem Jäger zu entkommen.
Fisk hatte nicht die Absicht sie entkommen zu lassen.
Langsam ging er auf das alte Weib zu und trat ihr so fest in die Seite, dass sie kreischend auf dem Rücken zum Liegen kam. Er stellte seine Stiefel auf ihre beiden Arme um sie auf dem Boden zu fixieren und ging über dem Wesen in die Hocke. Er zog sich den Handschuh seiner Rechten Hand aus. Die Hexe versuchte nach seiner Hand zu schnappen, als er sie über ihre Augen und ihre Stirn legte. Feste gruben sich seine Fingerkuppen in ihre ledrige Haut, während er Worte in einer längst vergessenen Sprache murmelte. Der Körper der Wurzelhexe zuckte noch mehr, sie versuchte sich kreischend zu wehren und wand sich unter dem festen Griff der sie am Boden fixierte, bis sie sich mit einem Mal zu entspannen schien.
Langsam hob der Waidmann seine Hand, zarte, violette Fäden verbanden seine Fingerkuppen mit der Haut der Wurzelhexe wo sie zuvor aufgelegt waren. Als das alte Weib ihre Augen aufschlug, leuchteten auch diese violett. Ihr Gesicht war von Zorn verzerrt.
Fisk betrachtete sie in aller Ruhe als er seine erste Frage stellte. „Was war es, dass dein Dasein in diese Wälder zog?“
Die Hexe verzog ihren Mund zu einem zahnlosen Grinsen. Ihre raue Stimme krächzte leise. „Der Geruch des Todes.“ Wieder gackerte sie vor Freude.
„Von wo geht dieser Geruch aus?“ Die Fäden welche die Finger des Waidmanns mit der Stirn der Hexe verbanden, glühten etwas heller auf, als sie versuchte sich gegen die Antwort zu wehren, doch unweigerlich war sie gezwungen sie preis zu geben.
„Überall verströmen sie den Geruch. So viele sind es die hier umher wandeln. Sie wollen keine Ruhe geben.“
„Was lässt sie nicht zur Ruhe kommen?“
„Er!“ Das Grinsen der Hexe wurde breiter und ihr fauliger Atem schlug dem Waidmann entgegen als sie vor Qual aufstöhnte. Doch er verzog keine Miene.
„Wer ist Er?“
Der Körper der Hexe begann wild zu zucken und Fisks Muskeln spannten sich an, der Zauber durfte nicht abbrechen, nicht bevor er genug Antworten hatte.
„Er ist der, der sie leitet. Er ist der, dem all dieses Leid angetan wurde. Er ist der...“ ,die Hexe reckte dem Waidmann ihr Gesicht noch näher entgegen. Sie riss ihre Augen auf, und krächzte unter einem letzten erstickenden Laut. „...der nicht ruht, bis er seine Rache genommen hat.“
Fisk atmete tief aus als die violetten Fäden sich von der Haut der Hexe lösten und verschwanden.
Die Augen des Wesens verdrehten sich so weit, dass nur noch das Schwarze darin zu erkennen war. Der Zauber funktionierte bei jedem Wesen nur ein einziges Mal, sie war für den Waidmann unbrauchbar geworden, denn sie würde keine seiner Fragen mehr beantworten. Und dennoch hatte sie ihm einen wichtigen Dienst erwiesen. Dafür würde er sie erlösen.
Er nahm seine Armbrust und drückte die Klinge auf die Kehle der Alten. Er stieß zu und ihr Kopf wurde mit einem sauberen Schnitt von ihrem Körper abgetrennt.
Nachdem er seine Pfeile alle wieder eingesammelt, und sie gesäubert hatte, blickte er sich noch ein letztes Mal um. Nichts war dort in den Schatten zwischen den Bäumen, dass dort nicht hin gehörte. Der Wald lag ruhig und friedlich da, in dieser Winternacht, wie jeder andere Wald auch. Doch Fisk wusste dass er ein grausiges Geheimnis wahrte. Ein grausiges Geheimnis das er ergründen musste.
Aber erst musste er einigen Leuten ohne den Gebrauch seiner Magie ein paar Fragen stellen.

Früh am nächsten Morgen, die ersten Vorboten des Sonnenaufgangs bahnten sich erst an, donnerten wuchtige Schläge im Gasthaus wieder. Jemand bat an der Tür um Einlass, und das nicht gerade sanft. Immer wieder pochte es laut, bis Minas Stimme den Lärm noch übertönte. „Ich komme ja schon! Verdammt, immer mit der Ruhe!“
Ihre Haare waren von der Nacht noch etwas zerzaust, ein blaues Nachthemd fiel an ihr hinab, bis zu ihren Knöcheln, ihre Füße steckten in dicken Wollsocken. Über ihre Schultern hatte sie sich einen grobgestrickten Überwurf gelegt und hielt ihn mit einer Hand vor ihrer Brust zusammen.
In ihrer anderen Hand klimperte ein voller Schlüsselring. Zumindest hatte der Jemand, auf der anderen Seite der Tür, ihre Nachricht vernommen und das Pochen eingestellt.
Kaum hatte sie all die Schlösser und die Riegel der Tür gelöst, drückte sie jemand von der anderen Seite schwungvoll auf. „Was fällt dir ein, du dämlicher...“ Mina beendete ihren Satz nicht als sie sah, wer dort vor ihrer Tür stand.
Drei Soldaten der Stadtwache und ihr Kommandant. Alle in voller Rüstung und mit Lanzen bewaffnet. Da wäre ihr ein dreister Jäger lieber gewesen.
Bevor sie fragen konnte, was denn der frühmorgendliche Besuch sollte, schob der Kommandant sie bereits grob zur Seite.
Mina raffte den Überwurf fester um ihre Schultern und starrte wütend auf den Rücken des Kommandanten der mit großen Schritten durch ihre Stube marschierte. „Das ist immer noch mein privater Besitz hier! Könntet Ihr mir vielleicht sagen was ihr wollt, bevor Ihr hier einfach rein marschiert? Ganz nebenbei habe ich nämlich noch nicht einmal geöffnet!“
Die drei anderen Soldaten schoben sich einer nach dem anderen durch die Tür und folgten ihrem Kommandanten. Der hoch gewachsene Mann drehte sich zu seinen Gefolgsleuten um, nachdem er die Stube mit einem flüchtigen Blick abgesucht hatte. Dann endlich schenkte er der Wirtin Beachtung und reckte sein breites Kinn vor. „Wir wollen zu dem Jäger dem Ihr hier Unterkunft gewährt habt!“
Mina blinzelte verwirrt und schloss mit dem Fuß die Tür hinter sich, damit nicht noch mehr der kalten Winterluft eindringen konnte. „Der Jäger? Er war diese Nacht nicht hier, und da ich ihm keinen Einlass gewährt habe, denke ich, dass er noch nicht wieder zurück gekehrt ist.“
Plötzlich breitete sich in ihrem Magen ein Gefühl der Angst und des Unwohlseins aus. Nicht weil die Stadtwache wegen ihm hier herein platzte, sondern weil sie sich bewusst wurde, dass er in dieser speziellen Nacht dort draußen gewesen, und nicht wieder Heim gekehrt war.
Hatte sich dieser Kerl letztlich doch als Scharlatan herausgestellt, ihr Gold gefunden, und war dann damit abgehauen? Sie schüttelte den Gedanken ab, als der Kommandant sich der Tür zu den Gästezimmern näherte.
„Und was wollt Ihr von ihm?“
Statt einer Antwort marschierte der Trupp Soldaten ihrem Kommandanten hinterher, der sich bereits daran machte die Treppenstufen hinauf zu den Gästezimmern zu erklimmen. In diesem Gasthaus kannte sich jeder aus, es war das einzige in des Dorfes, und so musste der Kommandant nicht einmal fragen wo die Gästezimmer lagen.
Mina hastete dem Trupp hinterher, ihre Wangen färbten sich rot vor Wut. Dass sie es sich gefallen lassen musste, dass man sie so respektlos behandelte ärgerte sie sehr. Bevor der Kommandant noch auf die Idee kam jede einzelne Tür einzutreten, denn sie wusste dieser Mann war unberechenbar, sagte Mina ihm, sie habe im Moment nur einen Gast im letzten Zimmer untergebracht, und dass es sich um den Jäger handelte. Zur ganzen Sicherheit fügte sie noch an, sie habe den Schlüssel für das Zimmer bereit. Eine neue Türe konnte sie sich im Moment nicht leisten.
Doch noch bevor die drei bewaffneten Männer und die Wirtin die Tür erreicht hatten, öffnete sich diese unter einem leisen Quietschen. Ein völlig zerzauster Jäger trat hinaus auf den Flur. Er trug nur leichte Nachtwäsche aus Leinen und sein blondes Haar stand zu allen Richtungen wild vom Kopf ab. Dunkle Ringe untermalten seine zusammen gekniffenen Augen als er der Gruppe entgegen blickte. Seine Stimme war rau und verschlafen. „Ist es in so einem kleinen Dörfchen für gewöhnlich üblich, am frühen Morgen solch einen Radau zu veranstalten der Tote wecken könnte?“
Die drei Soldaten streckten ihm zur Antwort ihre Lanzen entgegen und machten sich kampfbereit.
Fisk hob eine seiner Brauen und kratzte sich den Bauch, ihm war seine schlechte Stimmung ins Gesicht geschrieben. Es gab fast nichts auf dieser Welt was er mehr hasste, als nicht wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Eines der Dinge aber die er noch weit mehr hasste war, wenn man ihn dann auch noch weckte.
„Euch auch einen guten Morgen!“ Brummend schob er eine der Lanzen die auf ihn gerichtet waren zur Seite, doch sofort richtete der Soldat sie wieder auf ihn und trat noch einen Schritt näher an ihn heran. Fisk schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick. „Vorsicht, du könntest jemandem noch versehentlich ein Auge ausstechen.“
Der Kommandant hatte die Flachserei satt und baute sich vor dem Jäger auf. Durch die massive Rüstung, die seine stämmige Statur noch mehr unterstrich, wirkte er durchaus bedrohlich.
„Jäger Thomas Fisk, im Namen des Gesetzes verhafte ich Euch. Ihr werdet uns unverzüglich begleiten.“
Hinter dem Kommandanten schnappte die Wirtin nach Luft, sie war noch immer verwundert darüber wie der Jäger es in das verriegelte Gasthaus geschafft hatte, aber dass er nun von der Stadtwache festgenommen werden sollte, zog ihr schier den Boden unter den Füßen fort.
Fisk hob auf eine lockere Art und Weise seine Hände auf Brusthöhe, eine Geste die unmissverständlich seinen Hohn widerspiegelte. Leicht zuckte er mit den Schultern und verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein.
„Oh das ist ja interessant. Und der Grund wieso Ihr mich verhaftet ist gleich...?“
Der Kommandant blähte seine Nasenflügel weit und leckte sich über die Unterlippe. Am liebsten hätte er das Gesicht dieses frechen Wurms mit einem Schlag zertrümmert.
„Ihr wurdet heute Nacht auf der Straße gesichtet. Allerdings besitzt ihr keine Genehmigung die für Euch die Ausgangssperre aufheben würde.“
Mina rannte um die Soldaten herum und stellte sich an die Seite des Jägers, die Zornesröte kehrte langsam in ihr leichenblasses Gesicht zurück. „Soll das ein schlechter Scherz sein? Ich heuerte den Jäger an uns zu helfen und um diesen Dämonen die Nachts unsere Bewohner verschleppen, zu erledigen! Ihr könnt ihn doch wohl nicht anklagen nur weil er seine Arbeit verrichtet hat!“
„Lady Bach, ihr solltet lieber von der Seite des Angeklagten weichen.“ Die Drohung des Kommandanten wurde von einer starken Autorität in seiner Stimme untermalt, die keine Gegenwehr duldete.
Mina fiel das atmen schwer, sie wusste nicht was sie tun sollte. Fisk legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie ein Stück weit fort. „Wir spielen einfach mal mit, in Ordnung? Lasst mich das machen.“ Sein Blick wendete sich wieder den drei Männern zu und er zuckte mit den Schultern.
„Also schön. Ich ziehe mich nur noch um, und dann komme ich mit Euch, und dann klären wir das. Hm?“ Der Spaß war nun allerdings vorbei. Der Kommandant packte Fisk grob an seinem Arm und zerrte ihn von der Tür zu seinem Zimmer fort. Seine Lippen blieben verschlossen, es war jedoch unmissverständlich dass er verlangte dass der Jäger ohne Umwege seinen Ausflug antreten sollte. Fisk seufzte leise und widersetzte sich nicht. Er war froh, dass er zumindest noch in seine Stiefel geschlüpft war, bevor er die Tür geöffnet hatte.
Flüchtig warf er einen Blick über seine Schulter zu Mina. „Oh, bevor ich es vergesse! Die Schneiderin sagte gestern noch zu mir, sie wollte mit Euch reden!“
Mina stand vor der offenen Zimmertür des Jägers und starrte ungläubig den Soldaten hinterher die gerade ihre letzte Hoffnung abführten. Es dauerte einen Moment lang, die Gruppe war fast schon die gesamte Treppe hinab gestiegen, bis die letzten Worte in ihr Bewusstsein durchdrangen. Die Schneiderin? Was sollte die Schneiderin von ihr wollen? Und warum um alles in der Welt sollte sie diese Bitte an Fisk gerichtet haben? Sie schüttelte ihren Kopf als wollte sie so ein paar lästige Gedanken los werden. Nachdenklich richtete sie ihren Blick in das Zimmer ihres verhafteten Gastes. Seine Fenster waren noch verriegelt. Wieder stellte sie sich die Frage wie er in ihr Haus zurück gekehrt war. Doch plötzlich schoss ein Blitz durch ihren Körper als sie die Erkenntnis traf, was seine letzten Worte bedeutet haben könnten. Sie musste der Schneiderin ganz dringend einen Besuch abstatten.

Fernab jedes Sonnenstrahles, erhellte die kleine Zelle lediglich das schummrige Licht einer Öllampe vom Gang draußen, dass durch die Gitterstäbe eines kleinen Fensters in der Tür fiel.
Ein entsetzlicher Gestank von Urin und fauligem Wasser hing in der Luft und sorgte dafür, dass Fisk es bevorzugte durch den Mund zu atmen. Was sich alles in den Ecken des winzigen Raumes befand, wollte er gar nicht erst herausfinden. Ebenso hatte er sich dazu entschlossen sich weder hin zu hocken, noch sich an die feuchten Wände zu lehnen. So lange er konnte, würde er stehen bleiben. Man hatte ihn mit den Worten hier drinnen zurück gelassen, er würde die Gnade erfahren dass sein Vergehen sicher bald dem Bürgermeister vorgeführt werden würde. Schließlich war er ein Fremder und hatte vielleicht nichts von der Ausgangssperre wissen können. Doch Unwissenheit schützte bekanntlich vor Strafe nicht.
Wie schnell nun sein gnädiges Verfahren stattfinden sollte, wusste er nicht, aber er ahnte nichts gutes. Um so mehr überraschte es ihn, als in dem Gang vor seiner Zelle eine weitere Tür entriegelt wurde und zwei Soldaten in seine Richtung marschiert kamen. Fisk konnte nicht sagen wie lange er schon in der bitteren Kälte dieses Ortes gefangen gehalten wurde, doch anhand seiner tauben Zehen schätzte er erst ein paar wenige Stunden.
Das Schloss wurde entriegelt und die Tür schwang auf. „Komm mit.“
Fisk folgte dem Befehl und ging hinter einem der Soldaten her, der zweite folgte ihm. Nur für den Fall der unbewaffnete Jäger beabsichtigte zu fliehen.
Man hatte ihm Hand- und Fußfesseln angelegt. Die Ketten rasselten leise in der Stille während er dem Soldaten durch die düsteren Korridore folgte. Endlich, nachdem sie eine Treppe empor gestiegen waren, wurden die Räumlichkeiten ein wenig gemütlicher.
In dem Flur, durch welchen er geführt wurde, war Parkett verlegt worden. Doch nicht nur das, seine Schritte wurden von einem sehr kunstvoll gewebten Teppich gedämpft. An den Wänden hingen Gemälde ferner Landschaften, und der Geruch von gebratenem Fleisch ließ einem das Wasser im Mund zusammen laufen.
Vor einer breiten, doppelflügligen Tür kamen die beiden Soldaten zum stehen und salutierten vor den anderen beiden Wachmännern, die diese Gemächer bewachten.
Einer der Wachmänner musterte den Gefangenen mit finsterem Blick. „Der Bürgermeister erweist dir die Ehre, vor ihm sprechen zu dürfen. Ich empfehle dir keine Dummheiten zu machen, sonst kann ich dir versichern, du wirst dort unten in deiner Zelle noch einen langen Aufenthalt haben.“
Die beiden Soldaten drehten sich herum und marschierten wieder von dannen, während sich die breite Tür für den Jäger öffnete.
Ihn empfing eine Woge von köstlichen Essensdüften aller Art, so schnell konnte er sie gar nicht alle zuordnen. In dem großen Saal befand sich eine lange Tafel an der ein einziger Mann saß. Um seinen Platz herum stapelten sich die verschiedensten Gerichte. Von geschmortem Gemüse, über Kartoffeln bis hin zu saftigem Bratenfleisch mit Soße. An der kräftigen Statur des Mannes, und seines gezwirbelten Bartes konnte Fisk den Bürgermeister Ivan Müllebreck erkennen, von welchem er die Statue in der Mitte des Marktplatzes entdeckt hatte. Nur dass der Mann vor ihm um einige Kilo schwerer war.
Zwei weitere Wachen schlossen hinter ihm die Tür und beobachteten jeden seiner Schritte, während sie ihm zu verstehen gaben, vor der Tafel stehen zu bleiben.
Auf dem langen Tisch standen einige Luster mit Kerzen die den Raum zusätzlich erhellten. Durch die breite Fensterfront zu seiner Linken konnte Fisk erkennen dass es bereits später Nachmittag war. Überall an den Wänden befand sich allerlei Prunk. Weitere kunstvolle Gemälde, Kommoden mit goldenen Figuren wilder Tiere die von einem tapferen Helden niedergestreckt wurden, und hohe Spiegel, eingerahmt in noch mehr Gold. Bevor er den Raum noch weiter auf sich wirken lassen konnte, räusperte sich der Bürgermeister um seine Aufmerksamkeit wieder zu erlangen. Mit einer lapidaren Geste deutet er dem Jäger an, sich an einem Platz direkt in seiner Nähe an der Tafel nieder zu lassen. Als Fisk seiner Aufforderung nachgegangen war, tupfte sich Müllebreck das Fett von seinem Bart und legte die Serviette fein gefaltet wieder neben sein Besteck.
„Es freut mich Euch persönlich kennen zu lernen Nebeljäger. Euer Ruf ist Euch weit voraus, man erzählt ihr habt schon oft erfolgreich gegen die Bestien der Unterwelt gekämpft und sollt sogar schon einmal einen Dämonen zur Strecke gebracht haben. Sagt, ist das wirklich wahr?“
Fisk atmete tief durch und schürzte die Lippen. „Ja. Den ein oder anderen.“
Der Bürgermeister brach in schallendes Gelächter aus. „Ihr wirkt ja so bescheiden!“
„So bescheiden man nur sein kann wenn man ein paar Stunden lang Eure wunderschönen Zellen bewohnen durfte.“
Mit einem Schlag erlosch das Grinsen in dem Gesicht des Bürgermeisters. Seine Finger angelten nach seiner Gabel die er spielerisch zwischen den Fingern drehte. „Nur um Euren Humor scheint es nicht so gut zu stehen.“
„Verzeiht, jemand riss mich ganz überraschend aus dem Schlaf, und ich kam noch nicht dazu ihn nachzuholen.“
Ivan Müllebreck taxierte den Jäger eine ganze Weile lang. Eine gefährliche Stille lag in dem Raum.
„Natürlich. Entschuldigt bitte dass Euch diese Unhöflichkeiten zuteil wurden! Aber ich bin ein gerechter Mann müsst Ihr wissen. Jeder ist vor dem Gesetz gleich. Und wie mir zu Ohren kam, habt Ihr Euch in der letzten Nacht ohne Genehmigung Draußen aufgehalten.“
Fisk verzog seine Lippen zu einem dünnen Lächeln. „Verzeiht mein Versäumnis. Ich war so bedacht darauf Eure Dorfbewohner zu beschützen und mich mit der Rettung dieses Dorfes zu widmen, dass ich ganz vergessen habe, mich nach etwaigen Genehmigungen zu erkundigen, die ich vielleicht benötigen könnte.“
Langsam legte der Bürgermeister die Gabel zurück neben seinen Teller. Das Holz seines Stuhles ächzte gequält als sich der robuste Mann zurück lehnte und seine Finger vor sich verschränkte.
„Wisst Ihr wieso Ihr hier seid? Weil sich zwei besorgte Frauen heute für Euch eingesetzt haben. Eine davon sagte sogar, Ihr habt ihr das Leben gerettet. Natürlich bin ich Euch sehr dankbar dafür, und auch dass Ihr den weiten Weg hier her nach Kraic gekommen seid, nur um uns zu helfen.
Aber ich gebe Euch den Rat, meine Dankbarkeit und meine Geduld nicht aufs Spiel zu setzten. Habt Ihr verstanden?“
Fisk hob unter dem Rascheln seiner Ketten die Hände und legte ein versöhnliches Lächeln auf. „Entschuldigt wenn ich Euch mit irgendwas verärgert haben sollte. Wisst Ihr, ich bin viel in der Wildnis unterwegs und nicht gewohnt viel zu reden. Da vergesse ich schon einmal meine Manieren, jedoch nie mit böser Absicht.“
Wieder taxierte der Bürgermeister ihn einen Moment lang abschätzend, bis er einmal tief durchatmete und das Gespräch wieder aufnahm. „Wisst Ihr, die Sache ist, diese Wälder dort draußen sind sehr gefährlich. Niemand der diese Wälder betreten hat, kehrte wieder zurück seit der Fluch um sich greift. Deswegen war ich sehr überrascht als ich hörte, dass die Lady Bach ein Hilfegesuch an einen Nebeljäger sandte.
Ich möchte dieses Handeln als Verantwortungslos betiteln, denn ich kann nicht dulden, dass Ihr Euer Leben riskiert und noch dort draußen umkommt.“
Langsam beugte sich der Bürgermeister vor und deutet mit einem seiner Finger auf Fisk. „Diese Dämonen werden von allein wieder verschwinden. Da bin ich mir sicher. Unser heiliger Vater betet Stunde um Stunde für unser Heil. Und wenn wir alle ihm mit unseren Gebeten beistehen, dann werden diese Dämonen wieder verschwinden.“
Auch Fisk beugte sich vor und stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab. „Bürgermeister, ich danke Euch für Eure Sorge. Aber bei meiner Ehre als Nebeljäger, kann ich einer Dame in Not ihren Wunsch nicht abschlagen. Ich gab ihr mein Wort, mich um das Problem dass diese Wälder betrifft, zu kümmern.
Alles um was ich bitte ist, eine Genehmigung mich auch des Nachts in den Straßen aufhalten zu dürfen. Ich weiß dass Euer Dorf in großer Not ist, und es sich nicht leisten konnte, mich zu rufen, schließlich leidet ein jeder dort Draußen großen Hunger, deswegen bitte ich Euch, lasst mich meinen Auftrag zu Ende führen.
Wie ich hörte hat die Lady Bach all ihr Erspartes aus Spiel gesetzt als sie mich rief. Ich möchte Euch versichern, falls ich in diesen Wäldern dort draußen umkomme, dann behält sie natürlich ihr Gold.“ Fisk hob seine Hände und zuckte abermals mit den Schultern. „So entsteht für niemanden ein Risiko oder eine Gefahr. Nur für mich allein. Außerdem sagten mir einige der Bewohner sie seien froh dass ich gekommen bin. Mit Sicherheit wären auch sie bitterlich enttäuscht, würde ich nach einem Tag schon gehen. Dazu noch ohne das Problem gelöst zu haben.“
Bürgermeister Müllebreck leckte sich über seine Lippen und dachte eine ganze Weile lang über die Worte des Jägers nach. Dann klatschte er einmal in die Hände und faltete sie anschließend in seinem Schoß. „Nun gut. Ich sehe ein, dass ihr Euch des Risikos bewusst sein müsst, dem ihr euch aussetzt. Sicherlich wird Eure Anwesenheit hier ja auch niemandem schaden.“ Langsam lehnte sich der Bürgermeister wieder vor und griff nach einer kleinen, goldenen Klingel neben seinem Besteck.
Ihr helles Leuten veranlasste einen jungen Mann hastig aus einem der Nebenräume heran zu eilen.
Müllebreck hob eine seiner Hände und teilte dem Dienstboten mit, er möchte ihm doch bitte sein Schreibwerkzeug bringen und eine Genehmigung, welche die Ausgangssperre aufheben würde.
Nachdem der Bürgermeister das wichtige Dokument unterschrieben hatte, reichte er es dem Jäger Fisk über den Schweinebraten hinüber.
„Habt Dank. Nun kann ich doch sicherlich wieder gehen?“
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht nickte Müllebreck ihm zu und deutete mit einer Hand auf die Tür. „Aber sicher doch. Ich werde Euch nicht aufhalten. Gebt gut auf Euch acht.“
Fisk ließ sich nicht lange bitten und marschierte zwischen den beiden Wachen zur Tür hinaus. Selbstverständlich traten wieder zwei hilfsbereite Soldaten an seine Seite, und geleiteten ihn nach draußen.
Vor der Tür des Rathauses wurde Fisk bereits zu seiner eigenen Überraschung von der Wirtin und der Schneiderin erwartet. Beide hatten sich in dicke Mäntel gehüllt um der kalten Luft zu trotzen. Sie wirkten sichtlich erleichtert ihn zu sehen. Mina drückte ihm rasch seinen Mantel in die Hand. „Hier! Den habe ich euch mitgebracht! Diese Mistkerle haben Euch ja nicht einmal Zeit gelassen Euch etwas gescheites anzuziehen.“ Mina war sich bewusst, die Soldaten mussten sie noch gehört haben. Es war ihr egal.
Schmunzelnd hüllte sich Fisk in die warme Kleidung ein, und reckte das Kinn in Richtung der nächsten Straßenkreuzung. „Danke. Wir drei sollten wohl reden.“

Nachdem sie in der Gaststätte eingetroffen waren, seufzte Fisk vor Wonne auf. Der Kamin in der Stube brannte bereits eine Weile und eine herrliche Wärme vertrieb die eisige Kälte aus seinen Knochen.
Sofort riss ihn die Schneiderin am Ärmel und zwang ihn so, in ihr Gesicht zu blicken. Ihre Augen waren rot und feucht. Ihre Stimme zitterte als sie sprach. „Ich danke Euch! Ich danke Euch so sehr dass ihr mir in der vergangenen Nacht das Leben gerettet habt! Als Mina zu mir kam, und erzählte dass die Stadtwache Euch gefangen nahm, sind wir sofort zum Bürgermeister gegangen um für Eure Freilassung zu bitten!“
Die Wirtin machte sich bereits dran einen kleinen Bottich mit gewürztem Wein zu erhitzen. Sie befand dass sie alle drei ihn nach diesem Tag dringend nötig hatten.
„Erst wollte er uns fortschicken, sagte er habe keine Zeit. Aber Anna und ich haben nicht locker gelassen. Ich habe keine Ahnung was in diese Idioten gefahren ist, dass sie Euch gefangen nahmen.“
Die Schneiderin schreckte zusammen und machte ungeschickt einen leichten Knicks, sie war so unsicher dass ihre Geste noch mehr fehl am Platz wirkte, als sie sowieso schon war, befand Fisk.
„Oh! Verzeiht, ich hatte mich ja noch gar nicht vorgestellt! Mein Name ist Anna Woit.“
Der Waidmann atmete einmal tief durch und ließ sich auf einem der Barhocker nieder ohne der dankbaren Schneiderin große Beachtung zu schenken.
Mit einer Hand fuhr er sich durch sein Gesicht, mit einem Mal wirkte er um einige Jahre gealtert.
„Ich danke euch beiden dass ihr mich da raus geholt habt.“
Die Schneiderin ließ sich zaghaft auf dem Hocker neben ihm nieder, die Wirtin hingegen schenkte drei Becher voll mit dem köstlich duftenden Gewürzwein ein. Nachdem sie die Becher an jeden verteilt hatte, beugte sie sich über den Tresen und stützte sich mit beiden Unterarmen darauf ab.
„Jäger, mir brennen einige Fragen unter den Nägeln!“
„Mir auch. Aber fangt Ihr ruhig an.“
Mina blinzelte verwirrt aufgrund der Antwort des Jägers. Irgendetwas an ihm verunsicherte sie noch immer und sie war sich nie sicher ob er sie nun verhöhnte oder ob er einfach eine merkwürdige Art an sich hatte.
„Haben sie Euch etwas angetan? Ich meine, es erschien mir so Unsinnig für Euch eine Genehmigung für die Ausgangssperre zu besorgen. Ich dachte, der Bürgermeister würde sich freuen und sei dankbar dass ich Hilfe holte. Ihr wisst ja wie schlecht es Kraic im Moment geht. Bitte vergebt mir, ich konnte ja nicht ahnen dass...“ Fisk brachte die Wirtin mit einer Handbewegung zum schweigen und schüttelte den Kopf. Er hielt es erst einmal für besser dass was er gesehen hatte, für sich zu behalten. „Schon gut. Lasst uns keine Zeit mit diesem Thema verschwenden. Nun habe ich meine Genehmigung. Mit dem Bürgermeister habe ich mich auch geeinigt.“
Mina runzelte kurz die Stirn, für sie schien die Sache noch nicht erledigt zu sein. Aber sie hatte noch ganz andere Fragen die ihr mehr unter den Nägeln brannten.
Gerade als sie ihre Lippen öffnete um etwas zu sagen, drang das Echo eines Schreis an ihr Ohr. Sofort sprang sie auf und rannte so schnell sie konnte um den Tresen herum. „Tobias! Das war Tobias!“
Die Wirtin rannte durch die Stube, warf eine Tür so schnell auf, dass sie fast aus den Angeln flog. Nachdem sie ihre eigene Wohnstube durchquert hatte, steuerte sie auf die Hintertür zu, welche auf den Hof hinaus führte. Die anderen beiden blieben ihr dicht auf den Fersen.
Ihre braunen Augen suchten jeden Winkel des Hinterhofs ab, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals als sie ihren Sohn im ersten Moment nicht finden konnte. Panisch schrie sie seinen Namen.
„Mama! Komm schnell!“ Seine erstickte Stimme hallte aus den Ställen. Sofort stürmte Mina hinein, in ihrem Kopf malten ihre Fantasien bereits die schrecklichsten Bilder.
Als die Drei in den geräumigen Stall rannten, erblickten sie den Sohn der Wirtin auf dem Boden kauernd. Er hatte sich mit dem Rücken an die Wand gedrückt und die Augen weit aufgerissen, unfähig den Blick von dem Schrecken vor sich, abzuwenden.
Mina stürzte neben ihrem Kind auf die Knie und drückte ihn fest an sich. Blitzschnell folgte sie seinem starren Blick, als er sich an ihr Kleid krallte.
Anna dagegen entspannte sich etwas als sie dem Blick der beiden folgte, da war nichts, was sie nicht schon gesehen hatte.
Fisk neigte seinen Kopf zur Seite, um einen Blick hinter die kleine Holzwand zu werfen die einen Teil des Stalls abtrennte, in die alle starrten. Ja, alles war noch so wie er es hinterlassen hatte.
In der kleinen, mit Heu ausgelegten Ecke hatte Fisk die Überreste der Wurzelhexe hingelegt, welche er als erstes erlegt hatte. Ihre abgetrennter Kopf war so gedreht, dass ihre toten, starren Augen die Anwesenden zu mustern schienen.
Hinter dem Leichnam der Hexe hockte Veldig wie ein stiller Bewacher auf dem Heu und gab keine Regung von sich.
„Keine Sorge. Es ist tot.“
Doch Fisk Worte schienen keinen der Anwesenden zu beruhigen. Anna, die Schneiderin starrte ihn verwundert an. „Das ist das Monster das mich entführen wollte! Wieso habt ihr es mitgenommen?“
Mina fand ebenfalls ihre Stimme wieder und fauchte den Jäger wütend an. „Dass ist der Dämon? Was hat es in meinem Stall zu suchen? Seid ihr Wahnsinnig?!“
Fisk stand vollkommen gelassen da, und sah die beiden Frauen müde an.
„Ihr hört mir nicht zu. Es ist tot. Eine Wurzelhexe kann auch nicht untot werden, weil sie schon ein Wesen der Unterwelt ist. Da bedeutet tot dann auch wirklich tot.“
Fisk ging langsam ein paar Schritte in die Box hinein und strich Veldig über seinen Kopf, dieser saß noch immer vollkommen erstarrt da, und hielt Wache über den Leichnam. „Ich nahm sie mit, weil ich euch fragen wollte, ob ihr so etwas schon einmal gesehen habt? Außerdem wollte ich nicht, dass der Kadaver für Geschrei hier im Dorf sorgt.“
Mina schluckte laut und flüsterte noch immer heiser vor Schreck. „Eine Wurzelhexe? Was um alles in der Welt ist das?“
Fisk betrachtete den ausgetrockneten Leichnam vor sich. „Wurzelhexen sind Geschöpfe der Unterwelt. Sie bestätigen Euren Verdacht, dass die Wälder verflucht sind. Denn Wurzelhexen werden von verfluchten Orten angezogen.“
Mina kam wieder auf die Beine und zog ihren Sohn mit sich nach oben, der Jäger konnte in ihren Augen eine falsche Hoffnung aufblitzen sehen. Mit zittriger Hand deutete sie auf die Hexe. „Heißt dass, jetzt wo ihr sie besiegt habt, ist auch der Fluch von uns genommen? Haben wir nun wieder Frieden?“ Ihre Worte klangen in den Ohren des Jägers so naiv, dass sie von einem kleinen Mädchen hätten kommen können, und es tat ihm fast leid diese Hoffnung zu zerschlagen.
„Nein, bei weitem nicht. Im Wald traf ich auf eine weitere, und ich bin mir sicher, es wird nicht dabei bleiben. Wurzelhexen sind ein schlechtes Zeichen. Aber auch ein Anfang. Sie deuten darauf hin, dass es eine Quelle gibt, von welcher der Fluch her rührt, allerdings muss sie schon äußerst Boshafte Ausmaße angenommen haben wenn Wurzelhexen angelockt werden.“
Tobias starrte Fisk mit weit aufgerissenen Augen an. „Heißt dass, diese Hexe da ist gar nicht die eigentliche Bedrohung, sondern wurde nur von dieser angelockt?“
Fisk nickte dem Jungen zu und sah dann den beiden Frauen abwechselnd in die Augen. „Nun aber zu meiner Frage. Gibt es vielleicht doch noch etwas, dass ich über diese Wälder wissen müsste?“
Seine Augen bohrten sich förmlich in die Gesichter der verängstigten Frauen. Beide warfen sich einen fragenden Blick zu und wirkten sichtlich ratlos. Mina schüttelte schließlich den Kopf.
„Ich wüsste nicht was...“
Fisk schnürte ihr mit einer Handbewegung das Wort ab, sein Blick bekam etwas finsteres. „Dann werde ich euch auf die Sprünge helfen. Wurden in diesen Wäldern einmal Menschen hingerichtet?“
Die beiden Frauen wurden mit einem Streich leichenblass, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.
Fisk atmete tief durch und blickte hinab zu seinem Begleiter. „Wenn Ihr nicht ehrlich zu mir seid, ist es mir nicht möglich meinen Auftrag weiter auszuführen.“
Mina hob rasch ihre Hände in die Luft als könnte sie damit den Jäger besänftigen. „Aber nein! Ihr irrt Euch! Es ist lediglich so, dass ein Gerücht vor einigen Wochen die Runde machte. Einige machten sich deswegen Sorgen, aber die Meisten von uns hielten es für dummes Gerede.“
Fisk kratzte sich an den Stoppeln seines Kinns und blickte die Wirtin eindringlich an. „Was für ein Gerücht?“
Anna trat vor und zog ihren dicken Mantel noch fester um ihren dünnen Leib. „Die Mutter des Schmieds, ging vor über einem Mondwechsel in den Wald um Pilze zu sammeln. Dabei entdeckte sie einen Fingerknochen, weit ab aller Pfade. Als sie an dem Finger zog, holte sie einen kompletten Unterarm aus der Erde heraus. Sie hat mit ihrem bloßen Händen weiter gegraben und als sie fertig war, hatte sie drei Skelette geborgen. Bis auf die Knochen war nicht viel übrig, aber sie erkannte die Gebeine ihres Mannes wieder. Ihm hatte einmal ein Bandit in den Arm geschossen, die Kugeln waren so tief eingedrungen, dass sie in seinen Knochen feststeckten. Keiner konnte sie entfernen. Zum Glück wuchs die Wunde wieder zu, und er lebte damit.
Und in einem der Oberarmknochen die sie fand, steckten zwei Kugeln drin. Sie hat immer beteuert es sei ihr Mann gewesen.“
Mina schüttelte langsam den Kopf und warf Anna einen Blick zu. „Die Sache ist nur, sie war schon immer etwas sonderbar. Sagte sie könne kleine Feen im Morgenlicht tanzen sehen und all solche Dinge. Und als sie nach ihrem Fund wieder nach Kraic zurück kehrte, und den Soldaten ihre Fundstelle zeigen wollte, war dort nichts außer der umgegrabenen Erde.
Sie ist durchgedreht, hat immer wieder behauptet jemand habe die Knochen gestohlen. Sie beschimpfte den Bürgermeister, er habe ihren Mann ermordet.“
Fisk hob seine Brauen in die Höhe und blickte die Wirtin skeptisch an. „Wieso denn der Bürgermeister?“
Die beiden Frauen blickten sich einen Moment lang an, eine bedrückende Stimmung legte sich über alle Anwesenden im Stall. Mina seufzte und zog ihren Sohn dicht an sich heran, ganz als könnte seine Körperwärme sie trösten. „Gehen wir wieder hinein, dann mache ich den Wein noch einmal warm, und wir erklären es Euch.“

Nachdem die vier sich wieder aufgewärmt hatten, und die Damen sich etwas Mut durch den Wein zugeführt hatten, erhob schließlich die Schneiderin wieder das Wort. „Unser Bürgermeister ist eigentlich ein gnädiger Mann.“ Schon nach diesen Worten lachte Mina auf und hätte am liebsten zur Untermalung ihrer Meinung auf den Boden gespuckt. Anna fuhr unbeirrt weiter. „Hier in Siont wird Betrug an der Staatskasse, Mord, schwerer Diebstahl oder Schändung mit dem Tod bestraft.
Doch Bürgermeister Müllebreck sagt immer, jeder Mensch macht einmal Fehler und hat eine zweite Chance verdient. Doch solche Leute können hier natürlich nicht bleiben, falls sie doch wieder eine Straftat begehen, würde uns das nur bedrohen. Daher verbannt er sie.“
Fisk hob langsam eine seiner Brauen und nahm noch einen großen Schluck des Gewürzweins. „Wohin verbannt er sie?“
Anna musste plötzlich mit ihren Gefühlen kämpfen und Tränen flossen an ihren Wangen hinab, daher gab Mina ihm die Antwort. „Wenn er jemanden eine Straftat angehängt hat, führen die Soldaten ihn zur Küste. Er darf einen Rucksack voller Vorräte und so viel Hab und Gut mit sich führen, wie er tragen kann. Die Soldaten fahren mit ihm hinaus auf das Meer, bis kein Land mehr zu sehen ist. Dann wird der Angeklagte in ein Boot gesetzt, und der See überlassen.“
Bitterkeit lag in ihrer Stimme und untermalte ihre Ablehnung gegen diese Handhabung in jedem Wort. Fisk kniff leicht die Augen zusammen und drehte seinen Becher langsam auf der Tischplatte im Kreis. „Was soll der ganze Aufwand? Er verschont sie, nur um sie dann auf See auszusetzen.“
Über Minas Züge huschte ein höhnisches Lächeln. „Nun liegt ihr Schicksal in den Händen unseres Schöpfers. Er allein entscheidet ob die Verurteilten auf ihrer Reise Gnade erfahren indem sie auf Land stoßen bevor sie verhungert und verdurstet sind, oder ob das Meer sie sich holt. Die Soldaten überwachen natürlich diese göttliche Fügung, damit unsere Männer nicht wieder hier an Land kommen.“
„Ihr scheint über das ganze hier sehr zorniger Meinung zu sein?!“ Es war eher eine Feststellung von Fisk als eine Frage. Mina lehnte sich über den Tresen und blickte dem Jäger tief in die Augen.
„Mein Mann wurde verurteilt, genau wie der von Anna, Steuern hinterzogen zu haben. Glaubt mir, ich kannte meinen Mann! Er arbeitete rund um die Uhr hart für seinen Traum, diese Gaststätte hier zu führen. Mein Mann war einer der ehrlichsten Menschen auf dieser Welt. Keinen scheiß Kupfertaler haben wir hinterzogen. Ich habe nämlich unsere Haushaltskasse geführt Jäger Fisk. Ich muss es wissen.“
Sie stellte sich wieder gerade hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Auch Anna weiß das ihr Mann unschuldig war, redet sich aber jetzt gerne ein, dass er vielleicht doch etwas verbrochen hat, und unser herzensguter Bürgermeister hier, Gnade über sein Schicksal hat walten lassen.“
Mina tippte mit dem Zeigefinger auf den Tresen und verdrehte ihre Augen. „Ich weiß nicht was die Mutter des Schmieds wirklich gesehen hat, oder nicht. Aber auch sie hat immer beteuert ihr Mann sei unschuldig verurteilt worden. Auch er wurde verbannt. Ihr könnt Euch sicher vorstellen was hier in Kraic los war, als sie herum erzählte, dass der Bürgermeister sie auf dem Weg zu der Küste einfach im Wald abmurkse.“
Nachdenklich rieb sich Fisk wieder über sein stoppeliges Kinn und blickte nach und nach in die Gesichter der Anwesenden. Tobias starrte wie versteinert in seinen Becher, Anna versuchte krampfhaft ihrer Tränen her zu werden, und Mina wurde von ihrer Wut zerfressen.
„Und man macht Euch zu Witwen, weil eure Männer zwar noch leben könnten, aber nie wieder hier her zurück kommen können?“
Anna kreischte vor Verzweiflung auf und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf den Jäger ein. „Ich wollte mit ihm gehen! Ich wollte meinen Mann nicht allein lassen! Aber man hat es mir verboten! Können wir dieses Thema nicht ruhen lassen? Unsere Männer sind da draußen, irgendwo in einer schönen Stadt und finden ihr Glück, bei einer neuen Familie!“
Völlig überrumpelt von den Gefühlen der Schneiderin, ließ er ihre Attacke über sich ergehen.
Mina nahm sich ihrer an und packte ihre beiden Handgelenke, bis sich Anna wieder beruhigt hatte.
„Lass mich los!“ Wütend stapfte sie, nachdem Mina ihrem Wunsch nachgegangen war, zur Tür hinaus. Wieder begann sie bitterlich zu weinen und rannte so schnell sie konnte die Seitenstraße hinab nach Hause.
Mina seufzte schwer und schloss die Tür hinter ihr. „Entschuldigt. Sie ist sehr emotional. Tobias, bitte fang doch schon mal an, die Fenster oben für die Nacht zu verriegeln. Gleich helfe ich dir dabei.“ Ohne ein Murren kam der Junge ihrer Bitte nach. Als die beiden allein in der Stube zurück blieben setzte sich Mina auf einen Hocker neben den Jäger.
Fisk leerte seinen Becher und starrte noch einen Moment lang in das Gefäß. „Was glaubt Ihr, was mit Eurem Mann passiert ist?“
Mina schwieg eine ganze Weile lang, bis ihre Stimme wieder leise erklang. „Ich weiß es nicht. Auch wenn ich mich an die Hoffnung klammern möchte, dass er irgendwo an Land gegangen ist, und es ihm gut geht, so werde ich die Leere in mir nicht los. Eine Leere die mir sagt, dass das Lebenslicht meines Liebsten erloschen ist.“
Erneut verzog sie vor Bitterkeit ihren Mund und fügte ihren Worten noch etwas hinzu. „Immerhin lasse ich mich nicht wie Anna schon nach kurzer Zeit wieder von unserem Kommandanten trösten.“
Fisk blickte sie flüchtig aus dem Augenwinkel an und spitzte die Lippen. Das waren keine Dinge die ihn interessierten. Langsam trommelte er mit seinen Fingern auf dem Tresen. „Die Mutter des Schmieds, wo wohnt sie? Ich würde sie gerne etwas fragen.“
„Sie erlag vor zwei Wochen ihrem Fieber.“
Der Jäger seufzte und trommelte weiter mit seinen Fingern auf dem Tresen. „Ein bedauerlicher Zufall.“
„Jäger Fisk, wieso habt ihr uns gefragt, ob wir Euch etwas über den Wald verheimlichen würden? Was habt ihr dort gesehen?“
„Wandelnde Tote.“ Seine klare und direkte Antwort gab Mina das Gefühl, dass ihr jemand den Boden unter den Füßen fort gerissen hatte. Ihr stockte der Atem. „Sie griffen mich an als ich den Wald betreten hatte. Es waren zwei Männer, einer hatte ein gebrochenes Genick. Daher wollte ich wissen, ob vielleicht einmal Hinrichtungen in dem Wald stattgefunden hatten.“
Mina, noch immer außerstande ein Wort zu sagen schüttelte nur den Kopf. Sie rang sichtlich um Fassung.
Gerne hätte Fisk noch einen Becher des Weines getrunken, normal war das nicht ganz sein Fall, aber er musste gestehen dass er köstlich schmeckte. Vielleicht sollte er die Wirtin mal in einem anderen Augenblick nach dem Rezept fragen, und es jener weiter geben, die ihm im Winter ein Quartier stellte. Wenn er sie ganz nett darum bitten würde, könnte er sie eventuell dazu erwärmen ihm auch mal solch einen Wein zu machen.
Unter einem lauten Seufzer rutschte Fisk von seinem Hocker und streckte sich.
„Nun gut. Bevor ich hier noch wie eine dieser Hexen Wurzeln schlage, werde ich mich für die Nacht vorbereiten.“
Rasch sprang auch Mina von ihrem Hocker und ging dem Jäger ein paar Schritte nach. Bedenken spiegelten sich in ihren Zügen wieder. „Aber die Ruhtagnacht ist vorüber. Sonst kommen für gewöhnlich keine Dämonen in unsere Stadt.“
Fisk wandte sich der Tür zu die ihn an die Treppe führen würde, hinauf zu dem Flur wo sich sein Gästezimmer befand, ohne sich noch einmal herum zu drehen. „Ich werde auch mit Sicherheit nicht warten bis sie wieder hier her kommen. Dieses Mal werde ich es sein, der ihnen einen Besuch abstattet.“
„Ihr wollt wirklich allein des Nachts in die Wälder ziehen?! Wartet doch bis der Morgen anbricht!“
Fisk schloss seine Finger um die Türklinke und warf Mina einen Blick über die Schulter zu.
„Allein werde ich nicht sein. Veldig wird mich begleiten. Außerdem, erinnert Euch wen ihr rieft. Einen Jäger.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln, und seine Stimme wurde von etwas Dunklem begleitet. „Ein wahrer Jäger jagt seine Beute nicht wenn sie schläft.“

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