Kapitel 2
So schnell ihn seine Beine trugen,
rannte der Waidmann durch die schmalen Gassen des Dorfes Kraic.
Seine Beute befand sich weit fort, und
es galt die Distanz zu ihr so schnell wie möglich zu überbrücken.
In seinen Lungen brannte die kalte Luft
der jungen Nacht. Schmerzen welche ihn nie und nimmer hätten
aufhalten können. Dafür hatte er in seinem Leben schon genug andere
Dinge erlebt.
Dicht vor dem Waidmann rannte sein
treuer Begleiter, und tat sich sichtlich schwerer auf dem
Kopfsteinpflaster. Seine, mit Klauen besetzten, Pfoten fanden kaum
Halt auf dem glatten Untergrund bei diesem hohen Tempo. Der Stein war
gefroren und erschwerte somit ein schnelles Vorankommen noch mehr.
Wann immer sie um eine scharfe Kurve, in die nächste Straße
einbogen, verlor Veldig seinen Halt und schlitterte gegen die
Häuserwände.
Doch Veldig war schon lange an der
Seite des Waidmanns, diese Hetzjagd war nicht seine Erste. Er ließ
sich nicht aus der Bahn bringen, sondern nutzte die Häuserwände um
sich an ihnen wieder abzustoßen und sein Tempo erneut aufzunehmen.
Ein Pfiff hallte durch die Nacht und
brachte Veldig dazu sein Tempo zu zügeln. Als er zum stehen gekommen
war, blickte er sich nach seinem Herrn um. Wie eine Schlange
peitschte sein Schwanz nervös umher, die Lefzen hatte er hoch
gezogen und eine Reihe an scharfen Zähnen entblößt, die nur darauf
warteten sich in etwas graben zu dürfen.
Fisk stand starr und ruhig mitten auf
der Straße, beide Arme hingen zu seinen Seiten hinab. Den Kopf nur
leicht schief gelegt, lauschte er in die Stille hinein.
Große Schneeflocken fielen unendlich
langsam vom Himmel hinab, und heuchelten eine friedliche Atmosphäre
der Ruhe.
An die Ohren des Waidmanns drang das
Keuchen seines Tieres und seine eigenen Atemzüge. Das leise Murmeln
hier und da hinter den Fensterläden, verängstigter Bürger die
keinen Schlaf fanden.
Mit einem Ruck bewegte sich sein Kopf
zur Seite. Da war es. Das Schlurfen von Schritten. Füße die keine
Schuhe trugen. Nicht nah, aber auch nicht unerreichbar fern.
Er lokalisierte die Schritte und rannte
los.
Veldig folgte ihm in die dunkle
Seitengasse und hastete ihm hinterher. Auf einer breiteren Straße,
umringt von Häusern mit verriegelten Türen und Fenstern, kam er
wieder zum Stehen. Auf dem Weg vor sich sah er Fußspuren im frischen
Schnee. Fisk beugte sich zu ihnen hinunter. Die Füße die diese
Spuren hinterlassen hatten, waren größer als die seinen.
Mitten auf dem Weg endeten sie, als
hätte sich das Wesen in Luft aufgelöst.
Der Waidmann richtete sich wieder auf,
blickte hoch zu den Häuserdächern, in der Hoffnung er würde eine
Spur finden. Und er fand sie.
Auf allen Dächern lag eine Decke aus
Weiß. Nur auf einem war das Bild zerstört. Irgendetwas hatte dort
oben seinen Weg fortgesetzt.
Fisk rannte die Straße weiter, so
lange er die Spur noch verfolgen konnte. Doch schon nach wenigen
Metern war sie verschwunden. Seine Augen suchten die Höhe ab, die
Nacht blieb still und offenbarte gar nichts.
Fluchend ging er langsamen Schrittes
weiter, seine Beute konnte nicht einfach verschwunden sein. Sie
musste hier irgendwo sein, und er würde sie finden.
Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen.
Eine Krähe hatte sich in den Himmel erhoben und zog ihre Kreise hoch
über dem Jäger. Seine Augen folgten ihr einen Moment, er sah zu wie
eine ihrer schwarzen Federn langsam zu Boden fiel. Sie landete vor
seiner Fußspitze.
Plötzlich würde die Stille der Nacht
durchbrochen. Ein Schrei, schrill und nur einen Wimpernschlag zu
hören, hallte durch die Gassen. Dann kehrte sie zurück.
Bedrohlicher denn zuvor. Die Stille.
Fisk rannte die Straße weiter hinab
und hinterließ eine Spur aus aufgewirbeltem Schnee.
Er hastete in die nächste Seitengasse
zu seiner Linken und vernahm direkt hinter sich das Geräusch der
Krallen seines Begleiters, welche beim laufen über die
Pflastersteine scharrten.
Kaum hatte er die Seitengasse
verlassen, riss er seine Armbrust hoch. Sie war schussbereit. Doch
seine Beute war nicht zu sehen.
Zornig zog er seinen rechten
Nasenflügel in die Höhe und senkte seine Waffe wieder. Hier war der
Schrei her gekommen, daran hatte er keinen Zweifel. Dann entdeckte er
das schwache Flackern eines Kerzenlichts dass sich auf der dünnen
Schneedecke widerspiegelte.
Vorsichtig schlich er sich an die
offenstehende Tür heran. Seine Zunge schnellte über seine
Unterlippe um sie zu benetzen. Veldig begann zu knurren und schlich
sich mit peitschendem Schwanz an seinen Herren heran. Mit einem Satz
sprang der Waidmann um die Ecke und hielt die Armbrust in die Höhe.
Schnell richtete er sie erst zur Rechten, dann zur Linken Seite aus.
Aber außer ihm befand sich niemand im Haus.
Ein kleiner Zinnbecher war auf dem
Tisch umgekippt und der rote Inhalt tropfte auf den Teppich. Sein
Blick huschte über den Boden, er suchte nach Spuren im Schnee, doch
vor der Tür war nicht ein Fußabdruck zu sehen. Das Wesen musste an
der Häuserwand zur Tür hinab geklettert sein.
Des Waidmanns Augen verengten sich zu
schmalen Schlitzen als er die massive Holztür genau untersuchte.
Kein zersplittertes Holz oder sonstige Spuren eines gewaltsamen
Einbruchs waren zu sehen. Der Riegel des Schlosses stand heraus. Es
wirkte als hätte sich die verschlossene Tür dem fremden
Eindringling von allein geöffnet.
„Such!“ Veldig folgte seinem Befehl
und schnüffelte erst in die Luft, dann folgte er einer unsichtbaren
Spur auf den Holzdielen. Sein massiver Körper schob sich an den
Möbeln vorbei, ohne dass er mit ihnen in Berührung kam.
Fisk folgte ihm noch immer mit
erhobener Armbrust. Die Dielen unter seinen Füßen knarzten leise.
Er kam an einem Bett vorbei, die Decke war zurück geschlagen worden,
als hätte sich jemand gleich zur Nachtruhe legen wollen.
Ruhe hatte hier niemand mehr gefunden.
Veldig blieb vor einer schmalen Treppe
stehen und hob seine Schnauze in die Höhe, ein dunkles Grollen drang
aus seiner Kehle und weckte die Aufmerksamkeit des Waidmanns. Er
blickte hinauf in die Dunkelheit. Der Trank offenbarte seinen Augen
einige steile Stufen die hinauf ins Ungewisse führten.
Mit einer Hand drückte er Veldig zur
Seite und stieg langsam die Treppe hinauf, der Durchgang war so
schmal, dass seine Schultern zu beiden Seiten die Wände berührten.
Sein Begleiter würde unten warten müssen.
Ein kalter Windhauch streifte das
Gesicht des Waidmanns, er konnte in der Dunkelheit über sich ein
paar kleine Schneeflocken tanzen sehen. Sein Kopf streckte sich
unmittelbar nach seiner Armbrust durch die Öffnung zum oberen
Geschoss. Alles was dort auf ihn wartete, waren einige Regale,
vollgestopft mit Stoffballen. In der Mitte des Raumes stand ein
riesiger Tisch auf dem allerlei Utensilien die man zum schneidern
gebrauchte, verstreut.
Das einzige Fenster in der Dachschräge
stand weit offen.
Fisk rannte zum Fenster und spähte
hinaus. Häuserdächer an Häuserdächern ebneten das Bild vor ihm,
er blickte hinunter auf die Straße, die zur anderen Seite des Hauses
verlief, als die Tür durch welche er eingetreten war.
Eine Spur im Schnee dort unten verriet
seine Beute. Eine Bewegung in den Schatten ließ ihn ruckartig den
Kopf wieder heben. Am Ende der Straße konnte er eine Silhouette
erkennen die gerade um eine Ecke bog, und dieses Etwas schleifte
jemanden hinter sich her.
Fisk drückte die beiden Arme seiner
Armbrust feste zusammen bis sie unter einem Klicken einrasteten.
Rasch befestigte er seine Waffe wieder an dem Köcher, während er
einen Fuß bereits auf den Fensterrahmen stemmte.
Mit beiden Händen zog er sich hoch,
hinaus in die kalte Nacht. Ohne zu zögern schlitterte er das
Hausdach entlang und riss einige der maroden Schindeln mit sich.
Haltlos rutschte er auf die Kante des Daches zu. Erst im letzten
Augenblick stieß er sich ab, und sprang. Am Haus Gegenüber bekamen
seine Finger an einem schmalen Fensterbrett Halt. Unter ihm
zerschellten die Schindeln auf dem Pflasterstein.
Schon im nächsten Augenblick stieß er
sich von der Hauswand ab und nutzte die gegenüberliegende
Wand dazu, sich erneut abzustoßen. Nun
war es nicht mehr weit bis nach unten und er ließ sich die letzten,
wenigen Meter fallen. Der Waidmann rollte sich ab, das Schwert auf
seinem Rücken drückte sich schmerzhaft gegen seine Wirbelsäule als
sein Gewicht darüber hinweg rollte. Kaum war er wieder auf den
Beinen, rannte er los. Zwischen seinen Fingern stieß er einen Pfiff
aus, und konnte als Antwort den Ruf von Veldig durch die Straßen
hallen hören.
Fisk schoss um die Ecke, hinter welcher
der Schatten verschwunden war. Seine Beute war dort. Am Ende der
Straße, die zurück in den verwunschenen Wald führte.
Mit langen Schritten kam er dem Wesen
immer näher. Das Ende seines Mantels peitschte im Wind. In einer
fließenden Bewegung zog er seine Armbrust und machte sie
einsatzbereit.
Schlitternd kam er auf dem
Kopfsteinpflaster zu stehen und riss seine Waffe hoch. Alles um ihn
herum schwand zur Bedeutungslosigkeit. Seine Augen fixierten die
Beute. Heißer Atem verwandelte sich zu Dunst und ließ die kalte
Luft knistern. Der Waidmann hörte es nicht.
Sein Zeigefinger krümmte sich und
betätigte den Abzug.
Während der Pfeil, leise sirrend durch
die Luft glitt, rannte Fisk bereits wieder los. Ein Schritt. Zwei
Schritte. Dann schlug der Pfeil ein.
Ein Kreischen hallte durch die Gasse
und seine Beute sackte in sich zusammen. Der Waidmann verlangsamte
seine Schritte kurz bevor er die Gestalt auf dem Boden erreichte.
Langes, weißes Haar war über den
Boden verteilt. Es war verklebt und verfilzt. Der Körper des Wesens
war durch einen zerfetzten Umhang bedeckt, welcher aus braunem Moos
zu bestehen schien. Überall auf dem Moos krabbelten kleine rote
Käfer umher. Sie schlüpften zwischen den Fransen hindurch umher.
Der Schaft seines Pfeils ragte aus dem Rücken der Gestalt heraus.
Nur eine Hand lag ausgestreckt da, sie
hatte sich dem Schutz des Umhangs entzogen. Sie war dürr und grau.
Die langen Nägel waren verdreckt und hier und da abgebrochen.
Fisk schluckte, denn er wusste, ohne
ihr Gesicht zu sehen, was dort vor ihm lag. Und dass ein einzelner
Pfeil sie nicht töten konnte. Sie wartete dass er näher kam. Sie
wartete auf seine Unachtsamkeit. Sie wartete auf ihn ganz allein,
dort, liegend auf den kalten, verschneiten Straßen von Kraic, und
ihr Opfer starrte ihn aus aufgerissenen Augen an.
Die andere Hand hatte das Wesen in das
blonde Haar der Schneiderin gekrallt und sie so den ganzen Weg hinter
sich her gezerrt. Die Frau zitterte am ganzen Leib, denn sie war nur
mit einem dünnen Nachthemd bekleidet. Ihre blauen Augen starrten
Fisk flehend an, sie wimmerte und Tränen liefen an ihren Wangen
hinab.
Ranken hatten sich um ihre Glieder
gewickelt und sie so fest verschnürt dass sie sich nicht bewegen
konnte. Sie schlangen sich um ihren Körper, ihre Kehle und waren in
ihren aufgerissenen Mund eingetaucht um jeden Ton den sie von sich
geben wollte, zu ersticken.
Langsam, und so leise wie möglich zog
der Waidmann sein Schwert. Die dunkle Klinge wirkte fast unsichtbar
im Finster der Nacht. Erst als das Schwert komplett gezogen war,
erwachte es schier zum leben. Zwei Reihen goldener Runen waren in den
Stahl der Klinge eingebrannt, welche begannen ein dämmriges Licht zu
verströmen als würden sie vor Hitze glühen.
Mit beiden Händen umfasste Fisk das
Heft. Er wusste, er musste nur schneller sein als sie, dann könnte
es schon vorbei sein.
Ein leises Surren ging durch die Nacht
als die lange Klinge seines Zweihänders niedersauste. Kleine Funken
sprangen umher als sie auf den harten Stein des Kopfsteinpflasters
prallte.
Fisk stieß einen leisen Fluch aus, als
seine Augen in das hässliche, grinsende Gesicht des Wesens starrten,
dass sich über den Boden gerollt hatte und somit knapp seinem
tödlichen Angriff entgangen war.
Unter einem gackernden Laut erhob sich
das Wesen, die Schneiderin noch immer an den Haaren gepackt. Sie
weinte nur noch mehr.
Das Gesicht einer alten Frau blickte
dem Waidmann entgegen. Ihre graue Haut hing schlaff herab. Das
Grinsen auf ihren Lippen entblößte das schwarze Fleisch in ihrem
zahnlosen Mund. Rote Pupillen, umrahmt von vollkommener Schwärze
blickten ihm aus eingefallenen Höhlen entgegen.
„Ich hätte schon fast vergessen wie
hässlich Wurzelhexen sind, so lange habe ich keine mehr gesehen.“
Als hätte das Wesen seine Worte
verstanden, begann es wieder an zu gackern. Der Waidmann wusste es
besser. Sie hatte ihn verstanden.
Mit einem Satz nach vorn schwang Fisk
seine Klinge, die Runen zogen einen dünnen Nebel goldenen Lichts
hinter sich her. Doch auch so klobig wie das Wesen mit seinem breiten
Buckel wirkte, es wich ihm wieder in Windeseile aus, und seine Klinge
streifte die nahe Häuserwand. Doch so schnell würde er nicht
aufgeben, er setzte ihr nach.
Dieses Mal würde sein Schwert sich in
weiches Fleisch graben und Blut kosten. Aber das falsche Blut. In der
letzten Sekunde konnte er seinen Angriff abbremsen bevor er den
Schädel der Schneiderin spaltete. Die Wurzelhexe benutzte sie als
Schutzschild, hielt sie vor ihren knochigen Leib und drohte ihr die
Kehle mit ihren langen Fingernägeln aufzuschlitzen.
Langsam, mit kleinen Schritten bewegte
sie sich seitwärts bis hinter ihr wieder der Pfad zu den Wäldern
lag. Von Panik ergriffen begann die Schneiderin zu winseln und weinte
bittere Tränen, sie hatte sichtlich Mühe mit dem Wurzelstrang in
ihrem Mund Luft zu bekommen.
Der Waidmann nahm eine geduckte Haltung
ein, er hob sein Schwert in Kampfbereitschaft, doch er wusste, er
würde keine Gelegenheit mehr für einen weiteren Angriff bekommen.
Ein Schatten hatte sich lautlos durch
das Dunkel der Nacht geschlichen. Scharfe Klauen gruben sich in das
faulige Fleisch der Wurzelhexe als Veldig sie von hinten ansprang.
Ein schriller Schrei der Überraschung entfuhr ihrer Kehle und
schmerzte in den Ohren. Noch bevor ihre Nägel das zarte Fleisch der
Kehle ihres Opfers zerfetzen konnten, entriss ihr Fisk dieses.
Grob stieß er die wimmernde
Schneiderin hinter sich auf den Boden und stellte sich schützend vor
sie.
Mit ihrem langen Armen versuchte die
Wurzelhexe sich zu wehren und nach ihrem Angreifer zu schlagen, doch
seine massiven Kiefer schlossen sich bereits um ihren Hals und bissen
zu.
Wie ein Spielzeug schleuderte Veldig
den hageren Körper hin und her als er seinen Kopf zur Seite warf.
Zähes, grünes Blut besudelte den Boden und die Häuserwände um ihn
herum als er unter einem lauten Knacken den Kopf der Hexe von ihrem
Körper riss.
Ihr entsetzlicher Schrei hallte durch
die Gassen und Fisk könnte hören wie manche Bürger in ihren
Häusern ebenfalls vor Angst aufschrien, weil sie keine Ahnung hatten
von dem Schrecken der in ihren Straßen vor sich ging.
Zuckend blieb der Leib der Hexe am
Boden liegen und krümmte sich schließlich grotesk zusammen. Veldig
spie ihren Kopf aus, welcher unter einem dumpfen Aufprall über das
Kopfsteinpflaster rollte. Angewidert von dem Geschmack ihres Blutes
schüttelte sich das Raubtier und leckte sich über die Zähne.
Fisk steckte sein Schwert zurück und
ging neben der wimmernden Schneiderin in die Hocke. Ohne die Magie
der Wurzelhexe war es für ihn nun ein leichtes sie von den Schlingen
um ihren Körper zu befreien.
Als er die Wurzelenden aus ihrem Mund
zog, atmete sie gierig ein und brach danach in heftiges Husten aus.
Ihr ganzer Körper zitterte, vor Kälte und vor dem Schrecken dem sie
eben so knapp davon gekommen war. Mit beiden Händen klammerte sie
sich an sein Hosenbein, und zog sich so an den Jäger heran.
„Habt Dank! Habt tausend Dank!“
„Kommt hoch, der Boden ist eisig.“
Während er die Frau stützte und ihr auf die Füße half, blickte er
den Weg hinauf in die fernen Schatten des Waldes. Der Trank
ermöglichte es ihm mehr zu sehen, dass manche der Schatten sich
bewegten und ihn beobachteten.
„Ihr... Ihr seid der Jäger den wir
gerufen haben oder?“ Er sah in das erschöpfte Gesicht, auf welchem
ein dankbares Lächeln lag, und nickte ihr knapp zu. Noch etwas
anderes konnte er in ihren Augen sehen. Hoffnung.
Er hasste es wenn die Leute zu früh
voller Hoffnung waren, diese konnte nur all zu leicht in Hass und Wut
umschwenken wenn man sie ihnen wieder nahm.
Leicht drückte er sie von sich und
winkte Veldig heran.
„Er wird Euch nach Hause bringen.
Habt keine Angst vor ihm. Ich bin hier noch nicht fertig.“
Das Lächeln der Frau erlosch als sie
das wilde Tier sah, aber sie hatte nicht vergessen dass eben dieses
Tier vorhin daran beteiligt war, ihr das Leben zu retten. Ihr Blick
blieb wieder auf der Leiche der Wurzelhexe hängen und sofort spannte
sich ihr ganzer Körper an, sie begann zu schluchzen.
„Was ist das nur für ein Dämon?
Warum wollte er mich holen? Der Geistliche sagte, sie würden nur
Sündiger holen! Aber was soll ich denn schon gemacht haben? Ich
arbeite den ganzen Tag hart und lasse mir nichts zu Schulden kommen.“
Fisk legte ihr eine Hand auf die
Schulter und schob sie sachte in Veldigs Richtung, sein Blick war nur
auf das Dickicht des Waldes gerichtet, ihre Worte drangen nur ganz
nebenbei zu ihm durch.
„Wir reden später. Ich muss das hier
zu Ende bringen. Außerdem holt Ihr Euch hier Draußen noch den Tod,
dann hätte ich Euch umsonst gerettet.“
Den vollkommen entgeisterten Blick der
Schneiderin entging ihm, sie brauchte nun dringend etwas Trost, aber
er war Jäger, solche Dinge fielen nicht in seinen Aufgabenbereich.
Ohne noch länger Zeit zu verschwenden
rannte er mit langen Schritten über das Kopfsteinpflaster in
Richtung des Waldes.
Die Schatten, welche ihn beobachtet
hatten, zogen sich zurück, drängten sich tiefer in das Unterholz,
fort von dem Besucher der eine von den Ihren getötet hatte.
Doch er war keineswegs gekommen nur um
sie einzuschüchtern. Fisk nahm die Armbrust wieder in seine Hände
und machte sie bereit. Seine Augen huschten von Links nach Rechts als
er die ersten kleinen Büsche und Sträucher passierte, welche den
Einlass des Waldes umgarnten.
Ein entsetzlich schriller Schrei hallte
durch das Dickicht und überall im Wald erwachte leises Murmeln zum
Leben.
Vorsichtig und langsam schob er seine
Füße immer tiefer in den Wald, er suchte nach den Schatten die ihn
zuvor noch beobachtet hatten, konnte aber keinen mehr von ihnen
erblicken. Ein Blick über seine Schulter verriet ihm, dass er das
Dorf schon einige Meter hinter sich zurück gelassen hatte.
Als er seinen Blick wieder nach vorn
wante, versperrte eine buckelige Gestalt seinen Weg. Gackernd stürzte
sich die Wurzelhexe auf den Jäger und hieb mit ihren langen,
scharfen Fingernägeln nach ihm, doch es gelang Fisk sich mit einem
Sprung zurück in Sicherheit zu bringen.
Er hob seine Armbrust und wollte gerade
mit seinem Finger den Abzug betätigen als sich etwas um seine Kehle
schlang und ihn mit einem Ruck nach hinten zog.
Die Wurzelhexe gab wieder ein Gackern
von sich und entblößte mit einem breiten Grinsen ihr schwarzes
Zahnfleisch.
Fisk spürte die harte Rinde eines
Baumes an seinem Rücken, als sich etwas dicht neben ihm in sein
Blickfeld schob. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen dass es das
Gesicht einer wunderschönen Frau war, die ihn fast lieblich
anlächelte. Ihr Arm war es auch der sich viel zu fest für solch ein
zierliches Wesen, um seinen Hals gelegt hatte und ihn an dem Baum
fixierte. Je weiter sie sich neben seinem Gesicht hervor reckte,
spürte er weiche, warme Haut an seinem Rücken statt der harten
Rinde. Ihr dunkles Haar fiel über ihre Schultern und er konnte
erkennen dass überall Efeu hinein geflochten war.
Sie brachte ihre Lippen ganz nah an
sein Ohr und hauchte in verführerischen Ton hinein. „Du gehörst
hier nicht her. Du bist nicht willkommen.“
Fisk ließ sich von ihrer lieblichen
Stimme nicht verführen, er wusste genau was sie war, eine
Waldnymphe, und dass sie in diesen Wäldern nichts gutes mit ihm
vorhatte.
Ihr Griff wurde fester und ihre Stimme
flüsterte ihm weiter zu, dass er nicht hier her gehörte, und obwohl
er sich gegen ihren Zauber wehrte, fühlte er sich mit jedem ihrer
Worte schläfriger.
Gackernd kam die Wurzelhexe auf ihn zu,
sicher er war bereits nicht länger Herr seiner Sinne. Knackend bogen
sich ihre langen Finger unter ihren gierigen Bewegungen, sie streckte
sie aus um ihm den Leib aufzureißen und sich an seinen Innereien gut
zu tun.
Fisk bäumte sich gegen den Zauber der
Nymphe auf und stieß sich mit beiden Beinen vom Boden ab, um seine
Fußsohlen mit voller Wucht in das Gesicht der Wurzelhexe zu pressen.
Mit einem lauten Kreischen kippte das
Weib nach hinten und hielt sich das blutige Gesicht. Die grünliche
Masse sickerte in ihr langes, verfilztes Haar und tränkte den
Waldboden.
Fisk nutzte den Schwung seines
Angriffes und drehte sich halb um seine eigene Achse. Unter einem
lauten Knacken zerbrach der Unterarm der Nymphe. Unter einem wütendem
Aufheulen zog sie sich blitzschnell zurück in den Baum, tauchte in
dessen Rinde ein, und verschwand spurlos.
Die Wurzelhexe hatte sich von ihrem
Schlag erholt, rollte sich auf den Bauch und krabbelte auf allen
Vieren auf das dichte Unterholz zu. Sie wollte ihr Heil in der Flucht
suchen, brauchte nur noch ein kleines Stück bis sie die Büsche
erreichte in denen sie eintauchen konnte um sich in ihrem Schutz
davon zu schleichen.
Ein Pfeil zischte durch die Nacht und
durchbohrte ihren Hinterkopf. Zuckend und um sich schlagend blieb das
alte Weib auf dem harten Waldboden liegen, ihr gackerndes Lachen war
verstummt, geblieben waren unnatürliche Laute des Zornes die sie
unter ihren Zuckungen hervor brachte.
Fisk drückte einen seiner Stiefel auf
den Rücken der Wurzelhexe und presste ihren Körper somit fest auf
den Boden. Er beugte sich zu ihr hinab, und drückte einen der, mit
scharfen Klingen versehenen, Arme seiner Armbrust in ihren Nacken. Er
brauchte nur noch zuzustoßen und das jämmerliche Dasein dieses
Wesens hatte ein Ende.
Etwas anderes fiel in sein Blickfeld.
Etwas das sich ihm blitzschnell zwischen den Bäumen hindurch,
näherte. Zwei Männer hielten auf ihn zu und streckten ihre Arme
nach ihm aus. Ihre Kleider waren zerschlissen und hingen zum Teil nur
noch in Fetzen von ihren mageren Leibern. Der Kopf des Rechten lag
auf dessen Schulter und wurde bei seinen hastigen Schritten hin und
her geschleudert.
Fisk verengte seine Augen zu schmalen
Schlitzen und trat ein paar Schritte zurück. Ihm gefiel gar nicht
was er sah. Ganz und gar nicht.
Mit einem Sprung zur Seite wich Fisk
den beiden Angreifern aus, die über die zuckende Wurzelhexe hinüber
stiegen. Ihre Münder waren weit aufgerissen, doch außer einem
dumpfen Stöhnen waren ihre Stimmbänder zu keinem anderen laut mehr
fähig. Und auch wenn ihre Augenhöhlen längst leer und ohne Leben
waren, schienen sie Fisk voller Hass anzustarren.
Beide hieben mit Schlägen nach ihm,
sie waren schnell und kraftvoll. Fisk wich ihnen aus, duckte sich
unter einem der Arme durch und schoss von unten durch das Kinn in den
Kopf des Toten. Alles was diese Hülle noch am Leben gehalten hatte,
wich aus dem schon längst verstorbenen Menschen und ließ den
Leichnam zusammen sacken. Die Faust des Zweiten traf Fisk schmerzhaft
in die Seite. Bevor der zweite Schlag ihn treffen konnte, stoppte er
ihn mit seiner einen Hand. Fest schlossen sich seine Finger um die
Faust des Toten. Fisk nutzte den Schwung seines Angreifers und riss
diesen herum, sodass er das Gleichgewicht verlor und auf dem
gefrorenen Waldboden aufschlug.
Bevor er sich wieder aufrappelt konnte,
durchbohrte ein Pfeil seine Stirn, und erlöste auch ihn von seinem
ruhelosen Dasein.
Fisk atmete ein paar Male durch und
ließ seinen Blick durch das Dunkel der Wälder schweifen, Er konnte
in weiter Ferne noch immer die Schatten erkennen, die ihn die ganze
Zeit beobachteten. Auch sie schienen von menschlicher Statur zu sein.
Langsam zogen sie sich zurück und ihr Murmeln wurde immer leiser bis
es schließlich vollkommen verstummte.
Der Waidmann betrachtete die beiden
Leichen der Männer. Sie waren schon seit langem tot, und soweit
verwest das nur noch Knochen, überzogen mit einer trockenen Schicht
Fleisches, übrig waren. Bedeckt von ein paar Fetzen ihrer Kleidung.
Der eine musste an seinem gebrochenen
Genick verstorben sein, bei dem anderen ließ es sich nicht mehr
offensichtlich ergründen.
Dennoch war ihre Anwesenheit allein,
hier in diesen Wäldern, eine Tatsache die Fisk sehr beunruhigte.
Mehr noch als die Waldnymphe die ihn angegriffen hatte, und sogar
mehr noch als die Anwesenheit von Wurzelhexen.
Dass ein Wald verflucht war, konnte
mehrere Gründe haben, aber wenn wandelnde Tote hier ihr Unwesen
trieben, war es meist nicht sehr angenehm diesen Ursachen auf den
Grund zu gehen.
Hinter sich vernahm Fisk einen
schmatzenden Laut. Die Wurzelhexe hatte sich mit aller Kraft vom
Boden hochgestemmt und sich den Pfeil aus ihrem Kopf heraus gezogen.
Ihre Bewegungen waren ungelenk, dennoch schlurfte sie mit allen
Vieren weiter in Richtung Unterholz um dem Jäger zu entkommen.
Fisk hatte nicht die Absicht sie
entkommen zu lassen.
Langsam ging er auf das alte Weib zu
und trat ihr so fest in die Seite, dass sie kreischend auf dem Rücken
zum Liegen kam. Er stellte seine Stiefel auf ihre beiden Arme um sie
auf dem Boden zu fixieren und ging über dem Wesen in die Hocke. Er
zog sich den Handschuh seiner Rechten Hand aus. Die Hexe versuchte
nach seiner Hand zu schnappen, als er sie über ihre Augen und ihre
Stirn legte. Feste gruben sich seine Fingerkuppen in ihre ledrige
Haut, während er Worte in einer längst vergessenen Sprache
murmelte. Der Körper der Wurzelhexe zuckte noch mehr, sie versuchte
sich kreischend zu wehren und wand sich unter dem festen Griff der
sie am Boden fixierte, bis sie sich mit einem Mal zu entspannen
schien.
Langsam hob der Waidmann seine Hand,
zarte, violette Fäden verbanden seine Fingerkuppen mit der Haut der
Wurzelhexe wo sie zuvor aufgelegt waren. Als das alte Weib ihre Augen
aufschlug, leuchteten auch diese violett. Ihr Gesicht war von Zorn
verzerrt.
Fisk betrachtete sie in aller Ruhe als
er seine erste Frage stellte. „Was war es, dass dein Dasein in
diese Wälder zog?“
Die Hexe verzog ihren Mund zu einem
zahnlosen Grinsen. Ihre raue Stimme krächzte leise. „Der Geruch
des Todes.“ Wieder gackerte sie vor Freude.
„Von wo geht dieser Geruch aus?“
Die Fäden welche die Finger des Waidmanns mit der Stirn der Hexe
verbanden, glühten etwas heller auf, als sie versuchte sich gegen
die Antwort zu wehren, doch unweigerlich war sie gezwungen sie preis
zu geben.
„Überall verströmen sie den Geruch.
So viele sind es die hier umher wandeln. Sie wollen keine Ruhe
geben.“
„Was lässt sie nicht zur Ruhe
kommen?“
„Er!“ Das Grinsen der Hexe wurde
breiter und ihr fauliger Atem schlug dem Waidmann entgegen als sie
vor Qual aufstöhnte. Doch er verzog keine Miene.
„Wer ist Er?“
Der Körper der Hexe begann wild zu
zucken und Fisks Muskeln spannten sich an, der Zauber durfte nicht
abbrechen, nicht bevor er genug Antworten hatte.
„Er ist der, der sie leitet. Er ist
der, dem all dieses Leid angetan wurde. Er ist der...“ ,die Hexe
reckte dem Waidmann ihr Gesicht noch näher entgegen. Sie riss ihre
Augen auf, und krächzte unter einem letzten erstickenden Laut.
„...der nicht ruht, bis er seine Rache genommen hat.“
Fisk atmete tief aus als die violetten
Fäden sich von der Haut der Hexe lösten und verschwanden.
Die Augen des Wesens verdrehten sich so
weit, dass nur noch das Schwarze darin zu erkennen war. Der Zauber
funktionierte bei jedem Wesen nur ein einziges Mal, sie war für den
Waidmann unbrauchbar geworden, denn sie würde keine seiner Fragen
mehr beantworten. Und dennoch hatte sie ihm einen wichtigen Dienst
erwiesen. Dafür würde er sie erlösen.
Er nahm seine Armbrust und drückte die
Klinge auf die Kehle der Alten. Er stieß zu und ihr Kopf wurde mit
einem sauberen Schnitt von ihrem Körper abgetrennt.
Nachdem er seine Pfeile alle wieder
eingesammelt, und sie gesäubert hatte, blickte er sich noch ein
letztes Mal um. Nichts war dort in den Schatten zwischen den Bäumen,
dass dort nicht hin gehörte. Der Wald lag ruhig und friedlich da, in
dieser Winternacht, wie jeder andere Wald auch. Doch Fisk wusste dass
er ein grausiges Geheimnis wahrte. Ein grausiges Geheimnis das er
ergründen musste.
Aber erst musste er einigen Leuten ohne
den Gebrauch seiner Magie ein paar Fragen stellen.
Früh am nächsten Morgen, die ersten
Vorboten des Sonnenaufgangs bahnten sich erst an, donnerten wuchtige
Schläge im Gasthaus wieder. Jemand bat an der Tür um Einlass, und
das nicht gerade sanft. Immer wieder pochte es laut, bis Minas Stimme
den Lärm noch übertönte. „Ich komme ja schon! Verdammt, immer
mit der Ruhe!“
Ihre Haare waren von der Nacht noch
etwas zerzaust, ein blaues Nachthemd fiel an ihr hinab, bis zu ihren
Knöcheln, ihre Füße steckten in dicken Wollsocken. Über ihre
Schultern hatte sie sich einen grobgestrickten Überwurf gelegt und
hielt ihn mit einer Hand vor ihrer Brust zusammen.
In ihrer anderen Hand klimperte ein
voller Schlüsselring. Zumindest hatte der Jemand, auf der anderen
Seite der Tür, ihre Nachricht vernommen und das Pochen eingestellt.
Kaum hatte sie all die Schlösser und
die Riegel der Tür gelöst, drückte sie jemand von der anderen
Seite schwungvoll auf. „Was fällt dir ein, du dämlicher...“
Mina beendete ihren Satz nicht als sie sah, wer dort vor ihrer Tür
stand.
Drei Soldaten der Stadtwache und ihr
Kommandant. Alle in voller Rüstung und mit Lanzen bewaffnet. Da wäre
ihr ein dreister Jäger lieber gewesen.
Bevor sie fragen konnte, was denn der
frühmorgendliche Besuch sollte, schob der Kommandant sie bereits
grob zur Seite.
Mina raffte den Überwurf fester um
ihre Schultern und starrte wütend auf den Rücken des Kommandanten
der mit großen Schritten durch ihre Stube marschierte. „Das ist
immer noch mein privater Besitz hier! Könntet Ihr mir vielleicht
sagen was ihr wollt, bevor Ihr hier einfach rein marschiert? Ganz
nebenbei habe ich nämlich noch nicht einmal geöffnet!“
Die drei anderen Soldaten schoben sich
einer nach dem anderen durch die Tür und folgten ihrem Kommandanten.
Der hoch gewachsene Mann drehte sich zu seinen Gefolgsleuten um,
nachdem er die Stube mit einem flüchtigen Blick abgesucht hatte.
Dann endlich schenkte er der Wirtin Beachtung und reckte sein breites
Kinn vor. „Wir wollen zu dem Jäger dem Ihr hier Unterkunft gewährt
habt!“
Mina blinzelte verwirrt und schloss mit
dem Fuß die Tür hinter sich, damit nicht noch mehr der kalten
Winterluft eindringen konnte. „Der Jäger? Er war diese Nacht nicht
hier, und da ich ihm keinen Einlass gewährt habe, denke ich, dass er
noch nicht wieder zurück gekehrt ist.“
Plötzlich breitete sich in ihrem Magen
ein Gefühl der Angst und des Unwohlseins aus. Nicht weil die
Stadtwache wegen ihm hier herein platzte, sondern weil sie sich
bewusst wurde, dass er in dieser speziellen Nacht dort draußen
gewesen, und nicht wieder Heim gekehrt war.
Hatte sich dieser Kerl letztlich doch
als Scharlatan herausgestellt, ihr Gold gefunden, und war dann damit
abgehauen? Sie schüttelte den Gedanken ab, als der Kommandant sich
der Tür zu den Gästezimmern näherte.
„Und was wollt Ihr von ihm?“
Statt einer Antwort marschierte der
Trupp Soldaten ihrem Kommandanten hinterher, der sich bereits daran
machte die Treppenstufen hinauf zu den Gästezimmern zu erklimmen. In
diesem Gasthaus kannte sich jeder aus, es war das einzige in des
Dorfes, und so musste der Kommandant nicht einmal fragen wo die
Gästezimmer lagen.
Mina hastete dem Trupp hinterher, ihre
Wangen färbten sich rot vor Wut. Dass sie es sich gefallen lassen
musste, dass man sie so respektlos behandelte ärgerte sie sehr.
Bevor der Kommandant noch auf die Idee kam jede einzelne Tür
einzutreten, denn sie wusste dieser Mann war unberechenbar, sagte
Mina ihm, sie habe im Moment nur einen Gast im letzten Zimmer
untergebracht, und dass es sich um den Jäger handelte. Zur ganzen
Sicherheit fügte sie noch an, sie habe den Schlüssel für das
Zimmer bereit. Eine neue Türe konnte sie sich im Moment nicht
leisten.
Doch noch bevor die drei bewaffneten
Männer und die Wirtin die Tür erreicht hatten, öffnete sich diese
unter einem leisen Quietschen. Ein völlig zerzauster Jäger trat
hinaus auf den Flur. Er trug nur leichte Nachtwäsche aus Leinen und
sein blondes Haar stand zu allen Richtungen wild vom Kopf ab. Dunkle
Ringe untermalten seine zusammen gekniffenen Augen als er der Gruppe
entgegen blickte. Seine Stimme war rau und verschlafen. „Ist es in
so einem kleinen Dörfchen für gewöhnlich üblich, am frühen
Morgen solch einen Radau zu veranstalten der Tote wecken könnte?“
Die drei Soldaten streckten ihm zur
Antwort ihre Lanzen entgegen und machten sich kampfbereit.
Fisk hob eine seiner Brauen und kratzte
sich den Bauch, ihm war seine schlechte Stimmung ins Gesicht
geschrieben. Es gab fast nichts auf dieser Welt was er mehr hasste,
als nicht wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Eines der
Dinge aber die er noch weit mehr hasste war, wenn man ihn dann auch
noch weckte.
„Euch auch einen guten Morgen!“
Brummend schob er eine der Lanzen die auf ihn gerichtet waren zur
Seite, doch sofort richtete der Soldat sie wieder auf ihn und trat
noch einen Schritt näher an ihn heran. Fisk schenkte ihm nur einen
flüchtigen Blick. „Vorsicht, du könntest jemandem noch
versehentlich ein Auge ausstechen.“
Der Kommandant hatte die Flachserei satt und baute sich vor dem Jäger auf. Durch die massive Rüstung, die seine stämmige Statur noch mehr unterstrich, wirkte er durchaus bedrohlich.
Der Kommandant hatte die Flachserei satt und baute sich vor dem Jäger auf. Durch die massive Rüstung, die seine stämmige Statur noch mehr unterstrich, wirkte er durchaus bedrohlich.
„Jäger Thomas Fisk, im Namen des
Gesetzes verhafte ich Euch. Ihr werdet uns unverzüglich begleiten.“
Hinter dem Kommandanten schnappte die
Wirtin nach Luft, sie war noch immer verwundert darüber wie der
Jäger es in das verriegelte Gasthaus geschafft hatte, aber dass er
nun von der Stadtwache festgenommen werden sollte, zog ihr schier den
Boden unter den Füßen fort.
Fisk hob auf eine lockere Art und Weise
seine Hände auf Brusthöhe, eine Geste die unmissverständlich
seinen Hohn widerspiegelte. Leicht zuckte er mit den Schultern und
verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein.
„Oh das ist ja interessant. Und der
Grund wieso Ihr mich verhaftet ist gleich...?“
Der Kommandant blähte seine
Nasenflügel weit und leckte sich über die Unterlippe. Am liebsten
hätte er das Gesicht dieses frechen Wurms mit einem Schlag
zertrümmert.
„Ihr wurdet heute Nacht auf der
Straße gesichtet. Allerdings besitzt ihr keine Genehmigung die für
Euch die Ausgangssperre aufheben würde.“
Mina rannte um die Soldaten herum und
stellte sich an die Seite des Jägers, die Zornesröte kehrte langsam
in ihr leichenblasses Gesicht zurück. „Soll das ein schlechter
Scherz sein? Ich heuerte den Jäger an uns zu helfen und um diesen
Dämonen die Nachts unsere Bewohner verschleppen, zu erledigen! Ihr
könnt ihn doch wohl nicht anklagen nur weil er seine Arbeit
verrichtet hat!“
„Lady Bach, ihr solltet lieber von
der Seite des Angeklagten weichen.“ Die Drohung des Kommandanten
wurde von einer starken Autorität in seiner Stimme untermalt, die
keine Gegenwehr duldete.
Mina fiel das atmen schwer, sie wusste
nicht was sie tun sollte. Fisk legte ihr eine Hand auf die Schulter
und drückte sie ein Stück weit fort. „Wir spielen einfach mal
mit, in Ordnung? Lasst mich das machen.“ Sein Blick wendete sich
wieder den drei Männern zu und er zuckte mit den Schultern.
„Also schön. Ich ziehe mich nur noch
um, und dann komme ich mit Euch, und dann klären wir das. Hm?“ Der
Spaß war nun allerdings vorbei. Der Kommandant packte Fisk grob an
seinem Arm und zerrte ihn von der Tür zu seinem Zimmer fort. Seine
Lippen blieben verschlossen, es war jedoch unmissverständlich dass
er verlangte dass der Jäger ohne Umwege seinen Ausflug antreten
sollte. Fisk seufzte leise und widersetzte sich nicht. Er war froh,
dass er zumindest noch in seine Stiefel geschlüpft war, bevor er die
Tür geöffnet hatte.
Flüchtig warf er einen Blick über
seine Schulter zu Mina. „Oh, bevor ich es vergesse! Die Schneiderin
sagte gestern noch zu mir, sie wollte mit Euch reden!“
Mina stand vor der offenen Zimmertür
des Jägers und starrte ungläubig den Soldaten hinterher die gerade
ihre letzte Hoffnung abführten. Es dauerte einen Moment lang, die
Gruppe war fast schon die gesamte Treppe hinab gestiegen, bis die
letzten Worte in ihr Bewusstsein durchdrangen. Die Schneiderin? Was
sollte die Schneiderin von ihr wollen? Und warum um alles in der Welt
sollte sie diese Bitte an Fisk gerichtet haben? Sie schüttelte ihren
Kopf als wollte sie so ein paar lästige Gedanken los werden.
Nachdenklich richtete sie ihren Blick in das Zimmer ihres verhafteten
Gastes. Seine Fenster waren noch verriegelt. Wieder stellte sie sich
die Frage wie er in ihr Haus zurück gekehrt war. Doch plötzlich
schoss ein Blitz durch ihren Körper als sie die Erkenntnis traf, was
seine letzten Worte bedeutet haben könnten. Sie musste der
Schneiderin ganz dringend einen Besuch abstatten.
Fernab jedes Sonnenstrahles, erhellte
die kleine Zelle lediglich das schummrige Licht einer Öllampe vom
Gang draußen, dass durch die Gitterstäbe eines kleinen Fensters in
der Tür fiel.
Ein entsetzlicher Gestank von Urin und
fauligem Wasser hing in der Luft und sorgte dafür, dass Fisk es
bevorzugte durch den Mund zu atmen. Was sich alles in den Ecken des
winzigen Raumes befand, wollte er gar nicht erst herausfinden. Ebenso
hatte er sich dazu entschlossen sich weder hin zu hocken, noch sich
an die feuchten Wände zu lehnen. So lange er konnte, würde er
stehen bleiben. Man hatte ihn mit den Worten hier drinnen zurück
gelassen, er würde die Gnade erfahren dass sein Vergehen sicher bald
dem Bürgermeister vorgeführt werden würde. Schließlich war er ein
Fremder und hatte vielleicht nichts von der Ausgangssperre wissen
können. Doch Unwissenheit schützte bekanntlich vor Strafe nicht.
Wie schnell nun sein gnädiges
Verfahren stattfinden sollte, wusste er nicht, aber er ahnte nichts
gutes. Um so mehr überraschte es ihn, als in dem Gang vor seiner
Zelle eine weitere Tür entriegelt wurde und zwei Soldaten in seine
Richtung marschiert kamen. Fisk konnte nicht sagen wie lange er schon
in der bitteren Kälte dieses Ortes gefangen gehalten wurde, doch
anhand seiner tauben Zehen schätzte er erst ein paar wenige Stunden.
Das Schloss wurde entriegelt und die
Tür schwang auf. „Komm mit.“
Fisk folgte dem Befehl und ging hinter
einem der Soldaten her, der zweite folgte ihm. Nur für den Fall der
unbewaffnete Jäger beabsichtigte zu fliehen.
Man hatte ihm Hand- und Fußfesseln
angelegt. Die Ketten rasselten leise in der Stille während er dem
Soldaten durch die düsteren Korridore folgte. Endlich, nachdem sie
eine Treppe empor gestiegen waren, wurden die Räumlichkeiten ein
wenig gemütlicher.
In dem Flur, durch welchen er geführt
wurde, war Parkett verlegt worden. Doch nicht nur das, seine Schritte
wurden von einem sehr kunstvoll gewebten Teppich gedämpft. An den
Wänden hingen Gemälde ferner Landschaften, und der Geruch von
gebratenem Fleisch ließ einem das Wasser im Mund zusammen laufen.
Vor einer breiten, doppelflügligen Tür
kamen die beiden Soldaten zum stehen und salutierten vor den anderen
beiden Wachmännern, die diese Gemächer bewachten.
Einer der Wachmänner musterte den
Gefangenen mit finsterem Blick. „Der Bürgermeister erweist dir die
Ehre, vor ihm sprechen zu dürfen. Ich empfehle dir keine Dummheiten
zu machen, sonst kann ich dir versichern, du wirst dort unten in
deiner Zelle noch einen langen Aufenthalt haben.“
Die beiden Soldaten drehten sich herum
und marschierten wieder von dannen, während sich die breite Tür für
den Jäger öffnete.
Ihn empfing eine Woge von köstlichen
Essensdüften aller Art, so schnell konnte er sie gar nicht alle
zuordnen. In dem großen Saal befand sich eine lange Tafel an der ein
einziger Mann saß. Um seinen Platz herum stapelten sich die
verschiedensten Gerichte. Von geschmortem Gemüse, über Kartoffeln
bis hin zu saftigem Bratenfleisch mit Soße. An der kräftigen Statur
des Mannes, und seines gezwirbelten Bartes konnte Fisk den
Bürgermeister Ivan Müllebreck erkennen, von welchem er die Statue
in der Mitte des Marktplatzes entdeckt hatte. Nur dass der Mann vor
ihm um einige Kilo schwerer war.
Zwei weitere Wachen schlossen hinter
ihm die Tür und beobachteten jeden seiner Schritte, während sie ihm
zu verstehen gaben, vor der Tafel stehen zu bleiben.
Auf dem langen Tisch standen einige
Luster mit Kerzen die den Raum zusätzlich erhellten. Durch die
breite Fensterfront zu seiner Linken konnte Fisk erkennen dass es
bereits später Nachmittag war. Überall an den Wänden befand sich
allerlei Prunk. Weitere kunstvolle Gemälde, Kommoden mit goldenen
Figuren wilder Tiere die von einem tapferen Helden niedergestreckt
wurden, und hohe Spiegel, eingerahmt in noch mehr Gold. Bevor er den
Raum noch weiter auf sich wirken lassen konnte, räusperte sich der
Bürgermeister um seine Aufmerksamkeit wieder zu erlangen. Mit einer
lapidaren Geste deutet er dem Jäger an, sich an einem Platz direkt
in seiner Nähe an der Tafel nieder zu lassen. Als Fisk seiner
Aufforderung nachgegangen war, tupfte sich Müllebreck das Fett von
seinem Bart und legte die Serviette fein gefaltet wieder neben sein
Besteck.
„Es freut mich Euch persönlich
kennen zu lernen Nebeljäger. Euer Ruf ist Euch weit voraus, man
erzählt ihr habt schon oft erfolgreich gegen die Bestien der
Unterwelt gekämpft und sollt sogar schon einmal einen Dämonen zur
Strecke gebracht haben. Sagt, ist das wirklich wahr?“
Fisk atmete tief durch und schürzte
die Lippen. „Ja. Den ein oder anderen.“
Der Bürgermeister brach in schallendes
Gelächter aus. „Ihr wirkt ja so bescheiden!“
„So bescheiden man nur sein kann wenn
man ein paar Stunden lang Eure wunderschönen Zellen bewohnen
durfte.“
Mit einem Schlag erlosch das Grinsen in
dem Gesicht des Bürgermeisters. Seine Finger angelten nach seiner
Gabel die er spielerisch zwischen den Fingern drehte. „Nur um Euren
Humor scheint es nicht so gut zu stehen.“
„Verzeiht, jemand riss mich ganz
überraschend aus dem Schlaf, und ich kam noch nicht dazu ihn
nachzuholen.“
Ivan Müllebreck taxierte den Jäger eine ganze Weile lang. Eine gefährliche Stille lag in dem Raum.
Ivan Müllebreck taxierte den Jäger eine ganze Weile lang. Eine gefährliche Stille lag in dem Raum.
„Natürlich. Entschuldigt bitte dass
Euch diese Unhöflichkeiten zuteil wurden! Aber ich bin ein gerechter
Mann müsst Ihr wissen. Jeder ist vor dem Gesetz gleich. Und wie mir
zu Ohren kam, habt Ihr Euch in der letzten Nacht ohne Genehmigung
Draußen aufgehalten.“
Fisk verzog seine Lippen zu einem
dünnen Lächeln. „Verzeiht mein Versäumnis. Ich war so bedacht
darauf Eure Dorfbewohner zu beschützen und mich mit der Rettung
dieses Dorfes zu widmen, dass ich ganz vergessen habe, mich nach
etwaigen Genehmigungen zu erkundigen, die ich vielleicht benötigen
könnte.“
Langsam legte der Bürgermeister die
Gabel zurück neben seinen Teller. Das Holz seines Stuhles ächzte
gequält als sich der robuste Mann zurück lehnte und seine Finger
vor sich verschränkte.
„Wisst Ihr wieso Ihr hier seid? Weil
sich zwei besorgte Frauen heute für Euch eingesetzt haben. Eine
davon sagte sogar, Ihr habt ihr das Leben gerettet. Natürlich bin
ich Euch sehr dankbar dafür, und auch dass Ihr den weiten Weg hier
her nach Kraic gekommen seid, nur um uns zu helfen.
Aber ich gebe Euch den Rat, meine
Dankbarkeit und meine Geduld nicht aufs Spiel zu setzten. Habt Ihr
verstanden?“
Fisk hob unter dem Rascheln seiner Ketten die Hände und legte ein versöhnliches Lächeln auf. „Entschuldigt wenn ich Euch mit irgendwas verärgert haben sollte. Wisst Ihr, ich bin viel in der Wildnis unterwegs und nicht gewohnt viel zu reden. Da vergesse ich schon einmal meine Manieren, jedoch nie mit böser Absicht.“
Fisk hob unter dem Rascheln seiner Ketten die Hände und legte ein versöhnliches Lächeln auf. „Entschuldigt wenn ich Euch mit irgendwas verärgert haben sollte. Wisst Ihr, ich bin viel in der Wildnis unterwegs und nicht gewohnt viel zu reden. Da vergesse ich schon einmal meine Manieren, jedoch nie mit böser Absicht.“
Wieder taxierte der Bürgermeister ihn
einen Moment lang abschätzend, bis er einmal tief durchatmete und
das Gespräch wieder aufnahm. „Wisst Ihr, die Sache ist, diese
Wälder dort draußen sind sehr gefährlich. Niemand der diese Wälder
betreten hat, kehrte wieder zurück seit der Fluch um sich greift.
Deswegen war ich sehr überrascht als ich hörte, dass die Lady Bach
ein Hilfegesuch an einen Nebeljäger sandte.
Ich möchte dieses Handeln als
Verantwortungslos betiteln, denn ich kann nicht dulden, dass Ihr Euer
Leben riskiert und noch dort draußen umkommt.“
Langsam beugte sich der Bürgermeister
vor und deutet mit einem seiner Finger auf Fisk. „Diese Dämonen
werden von allein wieder verschwinden. Da bin ich mir sicher. Unser
heiliger Vater betet Stunde um Stunde für unser Heil. Und wenn wir
alle ihm mit unseren Gebeten beistehen, dann werden diese Dämonen
wieder verschwinden.“
Auch Fisk beugte sich vor und stützte
seine Ellenbogen auf seinen Knien ab. „Bürgermeister, ich danke
Euch für Eure Sorge. Aber bei meiner Ehre als Nebeljäger, kann ich
einer Dame in Not ihren Wunsch nicht abschlagen. Ich gab ihr mein
Wort, mich um das Problem dass diese Wälder betrifft, zu kümmern.
Alles um was ich bitte ist, eine
Genehmigung mich auch des Nachts in den Straßen aufhalten zu dürfen.
Ich weiß dass Euer Dorf in großer Not ist, und es sich nicht
leisten konnte, mich zu rufen, schließlich leidet ein jeder dort
Draußen großen Hunger, deswegen bitte ich Euch, lasst mich meinen
Auftrag zu Ende führen.
Wie
ich hörte hat die Lady Bach all ihr Erspartes aus Spiel
gesetzt als sie mich rief. Ich möchte Euch versichern, falls ich in
diesen Wäldern dort draußen umkomme, dann behält sie natürlich
ihr Gold.“ Fisk hob seine Hände und zuckte abermals mit den
Schultern. „So entsteht für niemanden ein Risiko oder eine Gefahr.
Nur für mich allein. Außerdem sagten mir einige der Bewohner sie
seien froh dass ich gekommen bin. Mit Sicherheit wären auch sie
bitterlich enttäuscht, würde ich nach einem Tag schon gehen. Dazu
noch ohne das Problem gelöst zu haben.“
Bürgermeister Müllebreck leckte sich
über seine Lippen und dachte eine ganze Weile lang über die Worte
des Jägers nach. Dann klatschte er einmal in die Hände und faltete
sie anschließend in seinem Schoß. „Nun gut. Ich sehe ein, dass
ihr Euch des Risikos bewusst sein müsst, dem ihr euch aussetzt.
Sicherlich wird Eure Anwesenheit hier ja auch niemandem schaden.“
Langsam lehnte sich der Bürgermeister wieder vor und griff nach
einer kleinen, goldenen Klingel neben seinem Besteck.
Ihr helles Leuten veranlasste einen
jungen Mann hastig aus einem der Nebenräume heran zu eilen.
Müllebreck hob eine seiner Hände und
teilte dem Dienstboten mit, er möchte ihm doch bitte sein
Schreibwerkzeug bringen und eine Genehmigung, welche die
Ausgangssperre aufheben würde.
Nachdem der Bürgermeister das wichtige
Dokument unterschrieben hatte, reichte er es dem Jäger Fisk über
den Schweinebraten hinüber.
„Habt Dank. Nun kann ich doch
sicherlich wieder gehen?“
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht
nickte Müllebreck ihm zu und deutete mit einer Hand auf die Tür.
„Aber sicher doch. Ich werde Euch nicht aufhalten. Gebt gut auf
Euch acht.“
Fisk ließ sich nicht lange bitten und
marschierte zwischen den beiden Wachen zur Tür hinaus.
Selbstverständlich traten wieder zwei hilfsbereite Soldaten an seine
Seite, und geleiteten ihn nach draußen.
Vor der Tür des Rathauses wurde Fisk
bereits zu seiner eigenen Überraschung von der Wirtin und der
Schneiderin erwartet. Beide hatten sich in dicke Mäntel gehüllt um
der kalten Luft zu trotzen. Sie wirkten sichtlich erleichtert ihn zu
sehen. Mina drückte ihm rasch seinen Mantel in die Hand. „Hier!
Den habe ich euch mitgebracht! Diese Mistkerle haben Euch ja nicht
einmal Zeit gelassen Euch etwas gescheites anzuziehen.“ Mina war
sich bewusst, die Soldaten mussten sie noch gehört haben. Es war ihr
egal.
Schmunzelnd hüllte sich Fisk in die
warme Kleidung ein, und reckte das Kinn in Richtung der nächsten
Straßenkreuzung. „Danke. Wir drei sollten wohl reden.“
Nachdem sie in der Gaststätte
eingetroffen waren, seufzte Fisk vor Wonne auf. Der Kamin in der
Stube brannte bereits eine Weile und eine herrliche Wärme vertrieb
die eisige Kälte aus seinen Knochen.
Sofort riss ihn die Schneiderin am
Ärmel und zwang ihn so, in ihr Gesicht zu blicken. Ihre Augen waren
rot und feucht. Ihre Stimme zitterte als sie sprach. „Ich danke
Euch! Ich danke Euch so sehr dass ihr mir in der vergangenen Nacht
das Leben gerettet habt! Als Mina zu mir kam, und erzählte dass die
Stadtwache Euch gefangen nahm, sind wir sofort zum Bürgermeister
gegangen um für Eure Freilassung zu bitten!“
Die Wirtin machte sich bereits dran
einen kleinen Bottich mit gewürztem Wein zu erhitzen. Sie befand
dass sie alle drei ihn nach diesem Tag dringend nötig hatten.
„Erst wollte er uns fortschicken,
sagte er habe keine Zeit. Aber Anna und ich haben nicht locker
gelassen. Ich habe keine Ahnung was in diese Idioten gefahren ist,
dass sie Euch gefangen nahmen.“
Die Schneiderin schreckte zusammen und
machte ungeschickt einen leichten Knicks, sie war so unsicher dass
ihre Geste noch mehr fehl am Platz wirkte, als sie sowieso schon war,
befand Fisk.
„Oh! Verzeiht, ich hatte mich ja noch
gar nicht vorgestellt! Mein Name ist Anna Woit.“
Der Waidmann atmete einmal tief durch
und ließ sich auf einem der Barhocker nieder ohne der dankbaren
Schneiderin große Beachtung zu schenken.
Mit einer Hand fuhr er sich durch sein
Gesicht, mit einem Mal wirkte er um einige Jahre gealtert.
„Ich danke euch beiden dass ihr mich
da raus geholt habt.“
Die Schneiderin ließ sich zaghaft auf
dem Hocker neben ihm nieder, die Wirtin hingegen schenkte drei Becher
voll mit dem köstlich duftenden Gewürzwein ein. Nachdem sie die
Becher an jeden verteilt hatte, beugte sie sich über den Tresen und
stützte sich mit beiden Unterarmen darauf ab.
„Jäger, mir brennen einige Fragen
unter den Nägeln!“
„Mir auch. Aber fangt Ihr ruhig an.“
Mina blinzelte verwirrt aufgrund der
Antwort des Jägers. Irgendetwas an ihm verunsicherte sie noch immer
und sie war sich nie sicher ob er sie nun verhöhnte oder ob er
einfach eine merkwürdige Art an sich hatte.
„Haben sie Euch etwas angetan? Ich
meine, es erschien mir so Unsinnig für Euch eine Genehmigung für
die Ausgangssperre zu besorgen. Ich dachte, der Bürgermeister würde
sich freuen und sei dankbar dass ich Hilfe holte. Ihr wisst ja wie
schlecht es Kraic im Moment geht. Bitte vergebt mir, ich konnte ja
nicht ahnen dass...“ Fisk brachte die Wirtin mit einer Handbewegung
zum schweigen und schüttelte den Kopf. Er hielt es erst einmal für
besser dass was er gesehen hatte, für sich zu behalten. „Schon
gut. Lasst uns keine Zeit mit diesem Thema verschwenden. Nun habe ich
meine Genehmigung. Mit dem Bürgermeister habe ich mich auch
geeinigt.“
Mina runzelte kurz die Stirn, für sie
schien die Sache noch nicht erledigt zu sein. Aber sie hatte noch
ganz andere Fragen die ihr mehr unter den Nägeln brannten.
Gerade als sie ihre Lippen öffnete um
etwas zu sagen, drang das Echo eines Schreis an ihr Ohr. Sofort
sprang sie auf und rannte so schnell sie konnte um den Tresen herum.
„Tobias! Das war Tobias!“
Die Wirtin rannte durch die Stube, warf
eine Tür so schnell auf, dass sie fast aus den Angeln flog. Nachdem
sie ihre eigene Wohnstube durchquert hatte, steuerte sie auf die
Hintertür zu, welche auf den Hof hinaus führte. Die anderen beiden
blieben ihr dicht auf den Fersen.
Ihre braunen Augen suchten jeden Winkel
des Hinterhofs ab, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals als sie ihren
Sohn im ersten Moment nicht finden konnte. Panisch schrie sie seinen
Namen.
„Mama! Komm schnell!“ Seine
erstickte Stimme hallte aus den Ställen. Sofort stürmte Mina
hinein, in ihrem Kopf malten ihre Fantasien bereits die
schrecklichsten Bilder.
Als die Drei in den geräumigen Stall
rannten, erblickten sie den Sohn der Wirtin auf dem Boden kauernd. Er
hatte sich mit dem Rücken an die Wand gedrückt und die Augen weit
aufgerissen, unfähig den Blick von dem Schrecken vor sich,
abzuwenden.
Mina stürzte neben ihrem Kind auf die
Knie und drückte ihn fest an sich. Blitzschnell folgte sie seinem
starren Blick, als er sich an ihr Kleid krallte.
Anna dagegen entspannte sich etwas als
sie dem Blick der beiden folgte, da war nichts, was sie nicht schon
gesehen hatte.
Fisk neigte seinen Kopf zur Seite, um
einen Blick hinter die kleine Holzwand zu werfen die einen Teil des
Stalls abtrennte, in die alle starrten. Ja, alles war noch so wie er
es hinterlassen hatte.
In der kleinen, mit Heu ausgelegten Ecke hatte Fisk die Überreste der Wurzelhexe hingelegt, welche er als erstes erlegt hatte. Ihre abgetrennter Kopf war so gedreht, dass ihre toten, starren Augen die Anwesenden zu mustern schienen.
In der kleinen, mit Heu ausgelegten Ecke hatte Fisk die Überreste der Wurzelhexe hingelegt, welche er als erstes erlegt hatte. Ihre abgetrennter Kopf war so gedreht, dass ihre toten, starren Augen die Anwesenden zu mustern schienen.
Hinter dem Leichnam der Hexe hockte
Veldig wie ein stiller Bewacher auf dem Heu und gab keine Regung von
sich.
„Keine Sorge. Es ist tot.“
Doch Fisk Worte schienen keinen der
Anwesenden zu beruhigen. Anna, die Schneiderin starrte ihn verwundert
an. „Das ist das Monster das mich entführen wollte! Wieso habt ihr
es mitgenommen?“
Mina fand ebenfalls ihre Stimme wieder
und fauchte den Jäger wütend an. „Dass ist der Dämon? Was hat es
in meinem Stall zu suchen? Seid ihr Wahnsinnig?!“
Fisk stand vollkommen gelassen da, und
sah die beiden Frauen müde an.
„Ihr hört mir nicht zu. Es ist tot.
Eine Wurzelhexe kann auch nicht untot werden, weil sie schon ein
Wesen der Unterwelt ist. Da bedeutet tot dann auch wirklich tot.“
Fisk ging langsam ein paar Schritte in
die Box hinein und strich Veldig über seinen Kopf, dieser saß noch
immer vollkommen erstarrt da, und hielt Wache über den Leichnam.
„Ich nahm sie mit, weil ich euch fragen wollte, ob ihr so etwas
schon einmal gesehen habt? Außerdem wollte ich nicht, dass der
Kadaver für Geschrei hier im Dorf sorgt.“
Mina schluckte laut und flüsterte noch
immer heiser vor Schreck. „Eine Wurzelhexe? Was um alles in der
Welt ist das?“
Fisk betrachtete den ausgetrockneten
Leichnam vor sich. „Wurzelhexen sind Geschöpfe der Unterwelt. Sie
bestätigen Euren Verdacht, dass die Wälder verflucht sind. Denn
Wurzelhexen werden von verfluchten Orten angezogen.“
Mina kam wieder auf die Beine und zog
ihren Sohn mit sich nach oben, der Jäger konnte in ihren Augen eine
falsche Hoffnung aufblitzen sehen. Mit zittriger Hand deutete sie auf
die Hexe. „Heißt dass, jetzt wo ihr sie besiegt habt, ist auch der
Fluch von uns genommen? Haben wir nun wieder Frieden?“ Ihre Worte
klangen in den Ohren des Jägers so naiv, dass sie von einem kleinen
Mädchen hätten kommen können, und es tat ihm fast leid diese
Hoffnung zu zerschlagen.
„Nein, bei weitem nicht. Im Wald traf
ich auf eine weitere, und ich bin mir sicher, es wird nicht dabei
bleiben. Wurzelhexen sind ein schlechtes Zeichen. Aber auch ein
Anfang. Sie deuten darauf hin, dass es eine Quelle gibt, von welcher
der Fluch her rührt, allerdings muss sie schon äußerst Boshafte
Ausmaße angenommen haben wenn Wurzelhexen angelockt werden.“
Tobias starrte Fisk mit weit
aufgerissenen Augen an. „Heißt dass, diese Hexe da ist gar nicht
die eigentliche Bedrohung, sondern wurde nur von dieser angelockt?“
Fisk nickte dem Jungen zu und sah dann
den beiden Frauen abwechselnd in die Augen. „Nun aber zu meiner
Frage. Gibt es vielleicht doch noch etwas, dass ich über diese
Wälder wissen müsste?“
Seine Augen bohrten sich förmlich in
die Gesichter der verängstigten Frauen. Beide warfen sich einen
fragenden Blick zu und wirkten sichtlich ratlos. Mina schüttelte
schließlich den Kopf.
„Ich wüsste nicht was...“
Fisk schnürte ihr mit einer
Handbewegung das Wort ab, sein Blick bekam etwas finsteres. „Dann
werde ich euch auf die Sprünge helfen. Wurden in diesen Wäldern
einmal Menschen hingerichtet?“
Die beiden Frauen wurden mit einem
Streich leichenblass, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.
Fisk atmete tief durch und blickte
hinab zu seinem Begleiter. „Wenn Ihr nicht ehrlich zu mir seid, ist
es mir nicht möglich meinen Auftrag weiter auszuführen.“
Mina hob rasch ihre Hände in die Luft
als könnte sie damit den Jäger besänftigen. „Aber nein! Ihr irrt
Euch! Es ist lediglich so, dass ein Gerücht vor einigen Wochen die
Runde machte. Einige machten sich deswegen Sorgen, aber die Meisten
von uns hielten es für dummes Gerede.“
Fisk kratzte sich an den Stoppeln
seines Kinns und blickte die Wirtin eindringlich an. „Was für ein
Gerücht?“
Anna trat vor und zog ihren dicken
Mantel noch fester um ihren dünnen Leib. „Die Mutter des Schmieds,
ging vor über einem Mondwechsel in den Wald um Pilze zu sammeln.
Dabei entdeckte sie einen Fingerknochen, weit ab aller Pfade. Als sie
an dem Finger zog, holte sie einen kompletten Unterarm aus der Erde
heraus. Sie hat mit ihrem bloßen Händen weiter gegraben und als sie
fertig war, hatte sie drei Skelette geborgen. Bis auf die Knochen war
nicht viel übrig, aber sie erkannte die Gebeine ihres Mannes wieder.
Ihm hatte einmal ein Bandit in den Arm geschossen, die Kugeln waren
so tief eingedrungen, dass sie in seinen Knochen feststeckten. Keiner
konnte sie entfernen. Zum Glück wuchs die Wunde wieder zu, und er
lebte damit.
Und in einem der Oberarmknochen die sie
fand, steckten zwei Kugeln drin. Sie hat immer beteuert es sei ihr
Mann gewesen.“
Mina schüttelte langsam den Kopf und
warf Anna einen Blick zu. „Die Sache ist nur, sie war schon immer
etwas sonderbar. Sagte sie könne kleine Feen im Morgenlicht tanzen
sehen und all solche Dinge. Und als sie nach ihrem Fund wieder nach
Kraic zurück kehrte, und den Soldaten ihre Fundstelle zeigen wollte,
war dort nichts außer der umgegrabenen Erde.
Sie ist durchgedreht, hat immer wieder
behauptet jemand habe die Knochen gestohlen. Sie beschimpfte den
Bürgermeister, er habe ihren Mann ermordet.“
Fisk hob seine Brauen in die Höhe und
blickte die Wirtin skeptisch an. „Wieso denn der Bürgermeister?“
Die beiden Frauen blickten sich einen
Moment lang an, eine bedrückende Stimmung legte sich über alle
Anwesenden im Stall. Mina seufzte und zog ihren Sohn dicht an sich
heran, ganz als könnte seine Körperwärme sie trösten. „Gehen
wir wieder hinein, dann mache ich den Wein noch einmal warm, und wir
erklären es Euch.“
Nachdem die vier sich wieder aufgewärmt
hatten, und die Damen sich etwas Mut durch den Wein zugeführt
hatten, erhob schließlich die Schneiderin wieder das Wort. „Unser
Bürgermeister ist eigentlich ein gnädiger Mann.“ Schon nach
diesen Worten lachte Mina auf und hätte am liebsten zur Untermalung
ihrer Meinung auf den Boden gespuckt. Anna fuhr unbeirrt weiter.
„Hier in Siont wird Betrug an der Staatskasse, Mord, schwerer
Diebstahl oder Schändung mit dem Tod bestraft.
Doch Bürgermeister Müllebreck sagt
immer, jeder Mensch macht einmal Fehler und hat eine zweite Chance
verdient. Doch solche Leute können hier natürlich nicht bleiben,
falls sie doch wieder eine Straftat begehen, würde uns das nur
bedrohen. Daher verbannt er sie.“
Fisk hob langsam eine seiner Brauen und
nahm noch einen großen Schluck des Gewürzweins. „Wohin verbannt
er sie?“
Anna musste plötzlich mit ihren
Gefühlen kämpfen und Tränen flossen an ihren Wangen hinab, daher
gab Mina ihm die Antwort. „Wenn er jemanden eine Straftat angehängt
hat, führen die Soldaten ihn zur Küste. Er darf einen Rucksack
voller Vorräte und so viel Hab und Gut mit sich führen, wie er
tragen kann. Die Soldaten fahren mit ihm hinaus auf das Meer, bis
kein Land mehr zu sehen ist. Dann wird der Angeklagte in ein Boot
gesetzt, und der See überlassen.“
Bitterkeit lag in ihrer Stimme und
untermalte ihre Ablehnung gegen diese Handhabung in jedem Wort. Fisk
kniff leicht die Augen zusammen und drehte seinen Becher langsam auf
der Tischplatte im Kreis. „Was soll der ganze Aufwand? Er verschont
sie, nur um sie dann auf See auszusetzen.“
Über Minas Züge huschte ein
höhnisches Lächeln. „Nun liegt ihr Schicksal in den Händen
unseres Schöpfers. Er allein entscheidet ob die Verurteilten auf
ihrer Reise Gnade erfahren indem sie auf Land stoßen bevor sie
verhungert und verdurstet sind, oder ob das Meer sie sich holt. Die
Soldaten überwachen natürlich diese göttliche Fügung, damit
unsere Männer nicht wieder hier an Land kommen.“
„Ihr scheint über das ganze hier
sehr zorniger Meinung zu sein?!“ Es war eher eine Feststellung von
Fisk als eine Frage. Mina lehnte sich über den Tresen und blickte
dem Jäger tief in die Augen.
„Mein Mann wurde verurteilt, genau
wie der von Anna, Steuern hinterzogen zu haben. Glaubt mir, ich
kannte meinen Mann! Er arbeitete rund um die Uhr hart für seinen
Traum, diese Gaststätte hier zu führen. Mein Mann war einer der
ehrlichsten Menschen auf dieser Welt. Keinen scheiß Kupfertaler
haben wir hinterzogen. Ich habe nämlich unsere Haushaltskasse
geführt Jäger Fisk. Ich muss es wissen.“
Sie stellte sich wieder gerade hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Auch Anna weiß das ihr Mann unschuldig war, redet sich aber jetzt gerne ein, dass er vielleicht doch etwas verbrochen hat, und unser herzensguter Bürgermeister hier, Gnade über sein Schicksal hat walten lassen.“
Sie stellte sich wieder gerade hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Auch Anna weiß das ihr Mann unschuldig war, redet sich aber jetzt gerne ein, dass er vielleicht doch etwas verbrochen hat, und unser herzensguter Bürgermeister hier, Gnade über sein Schicksal hat walten lassen.“
Mina tippte mit dem Zeigefinger auf den
Tresen und verdrehte ihre Augen. „Ich weiß nicht was die Mutter
des Schmieds wirklich gesehen hat, oder nicht. Aber auch sie hat
immer beteuert ihr Mann sei unschuldig verurteilt worden. Auch er
wurde verbannt. Ihr könnt Euch sicher vorstellen was hier in Kraic
los war, als sie herum erzählte, dass der Bürgermeister sie auf dem
Weg zu der Küste einfach im Wald abmurkse.“
Nachdenklich rieb sich Fisk wieder über
sein stoppeliges Kinn und blickte nach und nach in die Gesichter der
Anwesenden. Tobias starrte wie versteinert in seinen Becher, Anna
versuchte krampfhaft ihrer Tränen her zu werden, und Mina wurde von
ihrer Wut zerfressen.
„Und man macht Euch zu Witwen, weil
eure Männer zwar noch leben könnten, aber nie wieder hier her
zurück kommen können?“
Anna kreischte vor Verzweiflung auf und
trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf den Jäger ein. „Ich
wollte mit ihm gehen! Ich wollte meinen Mann nicht allein lassen!
Aber man hat es mir verboten! Können wir dieses Thema nicht ruhen
lassen? Unsere Männer sind da draußen, irgendwo in einer schönen
Stadt und finden ihr Glück, bei einer neuen Familie!“
Völlig überrumpelt von den Gefühlen
der Schneiderin, ließ er ihre Attacke über sich ergehen.
Mina nahm sich ihrer an und packte ihre
beiden Handgelenke, bis sich Anna wieder beruhigt hatte.
„Lass mich los!“ Wütend stapfte
sie, nachdem Mina ihrem Wunsch nachgegangen war, zur Tür hinaus.
Wieder begann sie bitterlich zu weinen und rannte so schnell sie
konnte die Seitenstraße hinab nach Hause.
Mina seufzte schwer und schloss die Tür
hinter ihr. „Entschuldigt. Sie ist sehr emotional. Tobias, bitte
fang doch schon mal an, die Fenster oben für die Nacht zu
verriegeln. Gleich helfe ich dir dabei.“ Ohne ein Murren kam der
Junge ihrer Bitte nach. Als die beiden allein in der Stube zurück
blieben setzte sich Mina auf einen Hocker neben den Jäger.
Fisk leerte seinen Becher und starrte
noch einen Moment lang in das Gefäß. „Was glaubt Ihr, was mit
Eurem Mann passiert ist?“
Mina schwieg eine ganze Weile lang, bis
ihre Stimme wieder leise erklang. „Ich weiß es nicht. Auch wenn
ich mich an die Hoffnung klammern möchte, dass er irgendwo an Land
gegangen ist, und es ihm gut geht, so werde ich die Leere in mir
nicht los. Eine Leere die mir sagt, dass das Lebenslicht meines
Liebsten erloschen ist.“
Erneut verzog sie vor Bitterkeit ihren
Mund und fügte ihren Worten noch etwas hinzu. „Immerhin lasse ich
mich nicht wie Anna schon nach kurzer Zeit wieder von unserem
Kommandanten trösten.“
Fisk blickte sie flüchtig aus dem
Augenwinkel an und spitzte die Lippen. Das waren keine Dinge die ihn
interessierten. Langsam trommelte er mit seinen Fingern auf dem
Tresen. „Die Mutter des Schmieds, wo wohnt sie? Ich würde sie
gerne etwas fragen.“
„Sie erlag vor zwei Wochen ihrem
Fieber.“
Der Jäger seufzte und trommelte weiter
mit seinen Fingern auf dem Tresen. „Ein bedauerlicher Zufall.“
„Jäger Fisk, wieso habt ihr uns
gefragt, ob wir Euch etwas über den Wald verheimlichen würden? Was
habt ihr dort gesehen?“
„Wandelnde Tote.“ Seine klare und
direkte Antwort gab Mina das Gefühl, dass ihr jemand den Boden unter
den Füßen fort gerissen hatte. Ihr stockte der Atem. „Sie griffen
mich an als ich den Wald betreten hatte. Es waren zwei Männer, einer
hatte ein gebrochenes Genick. Daher wollte ich wissen, ob vielleicht
einmal Hinrichtungen in dem Wald stattgefunden hatten.“
Mina, noch immer außerstande ein Wort
zu sagen schüttelte nur den Kopf. Sie rang sichtlich um Fassung.
Gerne hätte Fisk noch einen Becher des
Weines getrunken, normal war das nicht ganz sein Fall, aber er musste
gestehen dass er köstlich schmeckte. Vielleicht sollte er die Wirtin
mal in einem anderen Augenblick nach dem Rezept fragen, und es jener
weiter geben, die ihm im Winter ein Quartier stellte. Wenn er sie
ganz nett darum bitten würde, könnte er sie eventuell dazu erwärmen
ihm auch mal solch einen Wein zu machen.
Unter einem lauten Seufzer rutschte
Fisk von seinem Hocker und streckte sich.
„Nun gut. Bevor ich hier noch wie
eine dieser Hexen Wurzeln schlage, werde ich mich für die Nacht
vorbereiten.“
Rasch sprang auch Mina von ihrem Hocker
und ging dem Jäger ein paar Schritte nach. Bedenken spiegelten sich
in ihren Zügen wieder. „Aber die Ruhtagnacht ist vorüber. Sonst
kommen für gewöhnlich keine Dämonen in unsere Stadt.“
Fisk wandte sich der Tür zu die ihn an
die Treppe führen würde, hinauf zu dem Flur wo sich sein
Gästezimmer befand, ohne sich noch einmal herum zu drehen. „Ich
werde auch mit Sicherheit nicht warten bis sie wieder hier her
kommen. Dieses Mal werde ich es sein, der ihnen einen Besuch
abstattet.“
„Ihr wollt wirklich allein des Nachts
in die Wälder ziehen?! Wartet doch bis der Morgen anbricht!“
Fisk schloss seine Finger um die Türklinke und warf Mina einen Blick über die Schulter zu.
Fisk schloss seine Finger um die Türklinke und warf Mina einen Blick über die Schulter zu.
„Allein werde ich nicht sein. Veldig
wird mich begleiten. Außerdem, erinnert Euch wen ihr rieft. Einen
Jäger.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln, und
seine Stimme wurde von etwas Dunklem begleitet. „Ein wahrer Jäger
jagt seine Beute nicht wenn sie schläft.“
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