Fuchsgeist Teil 3

Die Tür schob sich noch ein klein wenig mehr auf, und ein blonder Schopf linste um die Ecke.
Sofort zuckte er zurück als er die gefesselte Janama erblickte. „Oh heiliger Vater! Dieses Wesen hat mich angestarrt! Ben! Ist meine Seele jetzt verflucht? Heiliger Vater, es sitzt dort und hat mich angestarrt mit seinen toten Augen. Ben! Hat dein Großvater nichts davon gesagt, dass man ihr nicht in die Augen sehen darf? Was wenn ich nun sterben muss?“
Das panische Geschnatter wurde erst durch eine schallende Ohrfeige unterbrochen. Der junge wimmerte leise und ein Mädchen zischte wütend, zwischen zusammen gepressten Zähnen.
„Halt doch mal deine Klappe und beruhige dich! Unsere Väter haben ihr doch auch in die Augen gesehen, und sind die verflucht worden? Wohl nicht! Jetzt reiß dich zusammen!“
Ben flüsterte leise das er am besten vor gehen sollte, schließlich trug er die kleine Öllampe die ihnen in der Finsternis im Inneren Licht spenden würde.
Mit schlotternden Knien trat er in die ausgediente Scheune ein, der Rest seiner Freunde folgte ihm zögerlich. Ben hielt das Licht ein wenig höher, Xii konnte die Angst in seinem Gesicht erkennen.
Als alle sieben Kinder eingetreten waren, schob der letzte von ihnen die Tür wieder etwas zu, nicht dass sie noch von einem Erwachsenen gesehen wurden, dann hätte es ordentlich was gesetzt.
Xii bemerkte etwas in den Händen der Kinder, sie umklammerten es so fest, als könnte es ihnen einen Halt geben. Es waren Steine.
Sie atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen, allein durch diese Geste wichen die Kinder alle zusammen einen Schritt zurück und sogen die stinkende Luft ein.
„Seid ihr nur zu mir gekommen um mich anzustarren, oder wollt ihr etwas von mir?“
Als würden sie darauf warten, dass irgendwas geschah, ein Fluch der ausgesprochen wurde, oder ein Zauber den sie wirkte, starrten die zitternden Kinder die Fremde einfach nur an.
Erst nach langem Zögern, schluckte Ben seine Furcht hinunter und trat todesmutig einen Schritt nach vorn. Seine Stimme bebte vor Aufregung. „Du hast Marlie umgebracht! Dafür musst du bestraft werden hat mein Großvater gesagt!“ Ben kämpfte mit den Tränen. „Marlie war meine beste Freundin, ich werde dir das nie verzeihen. Auch wenn du meine Seele mit in das Reich der Finsternis verschleppst.“ Keines der anderen Kinder traute sich auch nur ein Wort zu sagen.
Xiis Stirn zog sich in Falten als sie die dem kleinen Jungen ihr Gehör lieh, dass selbst Kinder schon in der Lage waren solch einen Schwachsinn von sich zu geben, überraschte sie.
„Deine Freundin habe ich nicht getötet. Sie stürzte in einen See und ich holte sie heraus. Ich bat die Bewohner dieses Dorfes um Hilfe, aber niemand hörte mich an.“
„Mein Großvater sagte man dürfe dir nicht glauben weil du...“ Seine Worte wurden von einem wütenden Knurren unterbrochen, die Kinder zogen die Köpfe ein und umklammerten noch fester ihre Steine. „Dein Großvater scheint ein alter, dummer Narr zu sein.“ Bens Gesicht wurde rot vor Wut, doch Xii sprach unbeirrt weiter. „Mir ist bewusst welche Lügen über uns erzählt werden weil ihr Menschen euch vor Magie fürchtet. Doch nicht jede Magie bedeutet gleich, dass sie nur Schlechtes zu bewirken vermag.“
Xii riss ihre Augen auf als sie sah, dass der erste Stein geflogen kam. Sie versuchte sich zur Seite weg zu ducken, doch ihre sitzende Position ließ ihr nicht viel Spielraum. Der Stein traf sie an der Schulter und sie musste sich fest auf die Unterlippe beißen um nicht aufzuschreien.
Ben hatte ihn geworfen und auf ihren Kopf gezielt. Immerhin konnte er nicht gut zielen. Dennoch, der Stein hatte ihre Haut aufgerissen und eine schmerzende Wunde hinterlassen.
„Das war dafür dass du meinen Großvater beleidigt hast!“ Er ließ sich von einem seiner Freunde einen weiteren Stein reichen und trat einen Schritt nach vorn. Wieder zielte er auf ihren Kopf und wieder traf er nur ihre Schulter. „Und das war für Marlie!“
Nun wurden auch die anderen Kinder mutiger und begannen mit ihren mitgebrachten Steinen nach der Janama zu werfen. Nicht jeder Stein traf sie, aber es waren genug schmerzhafte Treffer dabei, die den Zorn in ihr wachsen ließen.
Xii bleckte knurrend ihre Zähne, doch die Kinder ließen nicht von ihr ab, ihr wehrloses Opfer verdrängte all die Angst in ihnen. Sie war gefesselt, was sollte sie schon ausrichten?
Die Dummheit dieser kleinen Menschen goss Öl in Xiis Feuer, es machte sie wütend, dass sie ein Resultat der Furcht ihrer Eltern waren, und auch sie würden diese Dummheit irgendwann an ihre eigenen Kinder weiter geben.
Sie trugen die Sorge vor etwas in den Herzen das sie nicht einmal kannten. Er wäre töricht sich nicht vor Magie zu fürchten, aber man konnte nicht jeden verurteilen dem sie anhaftete.
Als sie einst an einem kleinen Dorf, wie diesem hier, vorbei gekommen war, sah sie wie man eine junge Frau an die Fersen eines Pferdes band und ihren Körper so lange hinter sich her schleifen ließ, bis nur noch blutige Fetzen übrig waren. Und weshalb? Weil sie mit der Gabe der Magie geboren wurde. Man musste in solchen Gegenden nicht einmal schlechtes vollbracht haben, um mit dem Makel des Bösen versehen zu werden.
Menschen fürchten sich immer vor Dingen die sie nicht begreifen.
Xii spürte nicht wie das Feuer ihres Zornes aufloderte und ihren gesamten Körper einhüllte. Zu sehr hatte sie sich ihren Gefühlen ergeben, und diese wollten nun hinaus.
Sie stieß einen Schrei aus und das Feuer um sie herum wurde blau. Es schmolz das Metall der Ketten die sie an den Stuhl fesselten, ohne ihre Haut zu verbrennen.
Die Kinder erstarrten vor Angst, welche mit einem Schlag wieder all ihre Körperfunktionen lähmte. Ben´s Fingern entglitt die kleine Öllampe und fiel scheppernd zu Boden. Auch wenn es in dem alten Stall modrig roch, und das Heu an manchen Stellen dahin faulte, es war trocken genug um Feuer zu fangen. Endlich kamen die Kinder wieder zu sich und begannen zu schreien. So schnell sie konnten, rannten sie hinaus ins freie, denn die Flammen fraßen sich rasend schnell durch das Heu.
Der Geruch des Feuers brannte in Xiis Nase, doch sie realisierte nichts von dem was um sie herum geschah. Stimmengewirr schrie in ihrem Kopf durcheinander, verfluchten sie, auf dass sie niemals Erlösung finden würde, nach allem was sie getan hatte. Sie spürte den Zorn dieser Stimmen und ließ das Gefühl alles bestimmen.
Erst als sie den Schmerz an ihren Füßen wahr nahm, riss sie sich von diesen Gefühlen los. Das Heu um sie herum brannte bereits lichterloh und durch den starken Rauch brannte ihre Kehle.
Hustend sprang sie auf und blinzelte die Tränen weg. Sie entdeckte die offene Tür und rannte auf sie zu. Stolpernd gelangte sie ins Freie und rang einen Moment lang nach Luft. Als sie sich zu der Scheune umdrehte, stand diese bereits vollkommen in Flammen. Kleine Funken stoben in die Luft und gingen auf die Stroh bedeckten Häuser über, wo sich sogleich neue Glutnester bildeten.
Taumelnd ging Xii ein paar Schritte rückwärts, während sie zusah wie das Schicksal seinen Lauf nahm. Eine unbedachte Handlung, und schon brannte alles nieder, was die Bewohner dieser Häuser zum Leben brauchten.
Wütende Schreie mischten sich unter das Knacken und Knistern des Infernos. Xii wirbelte herum und sah dass eine Schar Dorfbewohner auf sie zugerannt kam. Das Feuer hatte sich auf noch mehr Häuser ausgeweitet und Schnitt ihr so den Weg ab, sie hatte keine andere Wahl als sich ihren Pfad durch die Meute hindurch zu suchen.
Nachdenklich biss Xii sich auf die Unterlippe, sie verachtete diese Menschen, aber sie war keine Mörderin. Niemanden würde sie töten, der nur aus Angst vor dem Unbekannten, versuchte sich zu wehren. Kleine Steinchen wurden aufgewirbelt als Xii voran preschte. Schneller als jeder Mensch es konnte, rannte sie auf die Dorfbewohner los, die mit allerlei Gerätschaften für den Ackerbau bewaffnet waren.
Die ersten Reihen gerieten ins Stocken und versuchten abzubremsen, als sie sahen dass jene, die sie jagen wollten, direkt auf sie zukam, statt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Einige der Männer rannten ineinander, schafften es aber gerade noch nicht zu stürzen. Im Rennen hob Xii eine ihrer Hände hoch in die Luft, sofort loderte ein blaues Feuer auf, welches ihre gesamte Hand einhüllte. Ein Feuer ohne Hitze. Wirbelnd, schlossen sich die Flammen in ihrer Handinnenfläche, zu einem Feuerball zusammen. Als er bereit war, schleuderte Xii ihn direkt vor die Füße der Männer. Schreiend wichen sie einige Schritte zurück, und starrten auf das dampfende Loch vor ihren Füßen.
Xii rannte geradewegs in die Schneise die sich in der Masse der Menschen gebildet hatte und ließ das blaue Feuer in beiden Händen wieder aufflammen, als ein paar mutige Männer mit ihren Heugabeln nach ihr stachen.
Xii fauchte laut und drohte den Männern mit ihren flammenden Händen. „Lasst mich durch! Oder ihr werdet mein Seelenfeuer zu spüren bekommen! Es wird euch das Fleisch von den Knochen brennen und eure Seele verzehren.“ Keiner der Bewohner zweifelte an ihren Worten, sie wichen einige Schritte zurück und bildeten einen Durchgang für das gefürchtete Wesen.
Xii schlug ihr Herz bis zum Hals, sie hatte nicht gelogen, was die Wirkung ihres Feuers betraf, aber sie wollte sie nicht gegen die Menschen einsetzen. Sie wollte einfach nur fort von diesem Ort.
„Macht Platz! Wir erledigen das!“ Wie ein Donnerschlag durchbrach die Stimme eines Mannes das leise Gemurmel der Dorfbewohner. Als sie gehorchten, und zur Seite traten, erblickte Xii sieben Männer die auf sie zuliefen. In ihren Händen befanden sich gespannte Armbrüste und vier von ihnen legten gerade Pfeile an die Sehnen ihrer Bögen.
„Die Jäger! Macht ihnen Platz!“ Einer der Dorfbewohner erkannte die nahende Rettung sofort und auch die anderen machten den Männern Platz. Sie waren Einzigen in diesem Dorf, die wirklich Erfahrung darin hatten, jemanden zu erlegen. Jemanden, der auf der Flucht war.
Xii´s schluckte schwer, besäße sie ein schlagendes Herz in ihrer Brust, würde es wahrscheinlich donnern vor Anspannung. Plötzlich spürte sie einen entsetzlichen Schmerz in ihrem rechten Oberschenkel, ihr Schrei hallte durch die Abendluft. Das magische Feuer in ihren Händen erlosch, als sie zusammen knickte und auf einem ihrer Knie aufschlug. Fauchend wirbelte sie mit ihrem Kopf nach hinten. Ein übermütiger Bauer hatte sich getraut vorzutreten und ihr mit der Heugabel in den Oberschenkel zu stechen. An seinen Spitzen tropfte rotes Blut hinab.
Auch wenn sein Angriff erfolgreich gewesen war, sie erkannte die Furcht in seinen weit aufgerissenen Augen. Zitternd erhob sie sich und fletschte die Zähne in seine Richtung, scharfe Eckzähne kamen zum Vorschein. Ein weiterer Bauer hieb mit seiner Sense nach ihr, doch nun war sie aufmerksamer und rollte sich rasch unter dem Angriff hinfort.
„Aus dem Weg jetzt ihr Idioten!“ Noch einmal donnerte die Stimme des Jägers durch die Straße als er seine Armbrust anlegte. Xii wusste das sie nicht länger zögern durfte, sonst war ihr Leben hier beendet. Somit auch ihre Chance, ihre Seele zu erlösen.
Sie beugte ihren Oberkörper nach vorn und setzte zu einem Sprung an. Blauer Nebel hüllte ihren Körper ein und ließ nur noch eine verschwommene Silhouette erkennen. Als sie durch den Dunst hindurch brach, landete sie auf vier Pfoten. Xii hatte erneut die Gestalt des Fuchses angenommen, welchen das kleine Mädchen draußen in den Wäldern erblickt hatte. Sofort schlug sie einen Haken und entging so einem Pfeil, den ein Jäger auf sie abgeschossen hatte.
Mit diesem Körper war sie wendig und schnell, sie schaffte es in eine kleine Gasse zwischen zwei Hütten abzutauchen, ohne von einem der Geschosse getroffen zu werden.
Männer riefen wild durcheinander, Frauen kamen bereits mit den ersten Eimern Wasser angelaufen um dem Feuer Einhalt zu gebieten. Es hatte aufgehört sich auf andere Dächer auszubreiten, aber man hoffte die brennenden Häuser noch retten zu können. Zumindest befanden sich alle Menschen in der Versammlungshalle oder dem Marktplatz. Die Anwesenheit der Janama hatte große Sorge verbreitet, und jeder wollte nicht verpassen wie der Rat der Ältesten über ihr Schicksal richtete.
Nun hatte Xii es selbst in die Hand genommen, und war so wahrscheinlich dem sicheren Tod entgangen.
Die Wunde an ihrem Oberschenkel schmerzte bei jedem Tritt, es machte sie langsam, aber Xii schöpfte Mut als sie am Ende der kleinen Straße bereits die Felder erkennen konnte. Sie musste anschließend nur noch die schützenden Wälder erreichen, dann konnten die Jäger ihr nichts mehr anhaben.

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