Die Tür schob sich noch
ein klein wenig mehr auf, und ein blonder Schopf linste um die Ecke.
Sofort zuckte er zurück
als er die gefesselte Janama erblickte. „Oh heiliger Vater! Dieses
Wesen hat mich angestarrt! Ben! Ist meine Seele jetzt verflucht?
Heiliger Vater, es sitzt dort und hat mich angestarrt mit seinen
toten Augen. Ben! Hat dein Großvater nichts davon gesagt, dass man
ihr nicht in die Augen sehen darf? Was wenn ich nun sterben muss?“
Das panische Geschnatter
wurde erst durch eine schallende Ohrfeige unterbrochen. Der junge
wimmerte leise und ein Mädchen zischte wütend, zwischen zusammen
gepressten Zähnen.
„Halt doch mal deine
Klappe und beruhige dich! Unsere Väter haben ihr doch auch in die
Augen gesehen, und sind die verflucht worden? Wohl nicht! Jetzt reiß
dich zusammen!“
Ben flüsterte leise das
er am besten vor gehen sollte, schließlich trug er die kleine
Öllampe die ihnen in der Finsternis im Inneren Licht spenden würde.
Mit schlotternden Knien
trat er in die ausgediente Scheune ein, der Rest seiner Freunde
folgte ihm zögerlich. Ben hielt das Licht ein wenig höher, Xii
konnte die Angst in seinem Gesicht erkennen.
Als alle sieben Kinder
eingetreten waren, schob der letzte von ihnen die Tür wieder etwas
zu, nicht dass sie noch von einem Erwachsenen gesehen wurden, dann
hätte es ordentlich was gesetzt.
Xii bemerkte etwas in den
Händen der Kinder, sie umklammerten es so fest, als könnte es ihnen
einen Halt geben. Es waren Steine.
Sie atmete tief durch und
schloss für einen Moment die Augen, allein durch diese Geste wichen
die Kinder alle zusammen einen Schritt zurück und sogen die
stinkende Luft ein.
„Seid ihr nur zu mir
gekommen um mich anzustarren, oder wollt ihr etwas von mir?“
Als würden sie darauf
warten, dass irgendwas geschah, ein Fluch der ausgesprochen wurde,
oder ein Zauber den sie wirkte, starrten die zitternden Kinder die
Fremde einfach nur an.
Erst nach langem Zögern,
schluckte Ben seine Furcht hinunter und trat todesmutig einen Schritt
nach vorn. Seine Stimme bebte vor Aufregung. „Du hast Marlie
umgebracht! Dafür musst du bestraft werden hat mein Großvater
gesagt!“ Ben kämpfte mit den Tränen. „Marlie war meine beste
Freundin, ich werde dir das nie verzeihen. Auch wenn du meine Seele
mit in das Reich der Finsternis verschleppst.“ Keines der anderen
Kinder traute sich auch nur ein Wort zu sagen.
Xiis Stirn zog sich in
Falten als sie die dem kleinen Jungen ihr Gehör lieh, dass selbst
Kinder schon in der Lage waren solch einen Schwachsinn von sich zu
geben, überraschte sie.
„Deine Freundin habe
ich nicht getötet. Sie stürzte in einen See und ich holte sie
heraus. Ich bat die Bewohner dieses Dorfes um Hilfe, aber niemand
hörte mich an.“
„Mein Großvater sagte
man dürfe dir nicht glauben weil du...“ Seine Worte wurden von
einem wütenden Knurren unterbrochen, die Kinder zogen die Köpfe ein
und umklammerten noch fester ihre Steine. „Dein Großvater scheint
ein alter, dummer Narr zu sein.“ Bens Gesicht wurde rot vor Wut,
doch Xii sprach unbeirrt weiter. „Mir ist bewusst welche Lügen
über uns erzählt werden weil ihr Menschen euch vor Magie fürchtet.
Doch nicht jede Magie bedeutet gleich, dass sie nur Schlechtes zu
bewirken vermag.“
Xii riss ihre Augen auf
als sie sah, dass der erste Stein geflogen kam. Sie versuchte sich
zur Seite weg zu ducken, doch ihre sitzende Position ließ ihr nicht
viel Spielraum. Der Stein traf sie an der Schulter und sie musste
sich fest auf die Unterlippe beißen um nicht aufzuschreien.
Ben hatte ihn geworfen
und auf ihren Kopf gezielt. Immerhin konnte er nicht gut zielen.
Dennoch, der Stein hatte ihre Haut aufgerissen und eine schmerzende
Wunde hinterlassen.
„Das war dafür dass du
meinen Großvater beleidigt hast!“ Er ließ sich von einem seiner
Freunde einen weiteren Stein reichen und trat einen Schritt nach
vorn. Wieder zielte er auf ihren Kopf und wieder traf er nur ihre
Schulter. „Und das war für Marlie!“
Nun wurden auch die
anderen Kinder mutiger und begannen mit ihren mitgebrachten Steinen
nach der Janama zu werfen. Nicht jeder Stein traf sie, aber es waren
genug schmerzhafte Treffer dabei, die den Zorn in ihr wachsen ließen.
Xii bleckte knurrend ihre
Zähne, doch die Kinder ließen nicht von ihr ab, ihr wehrloses Opfer
verdrängte all die Angst in ihnen. Sie war gefesselt, was sollte sie
schon ausrichten?
Die Dummheit dieser
kleinen Menschen goss Öl in Xiis Feuer, es machte sie wütend, dass
sie ein Resultat der Furcht ihrer Eltern waren, und auch sie würden
diese Dummheit irgendwann an ihre eigenen Kinder weiter geben.
Sie trugen die Sorge vor
etwas in den Herzen das sie nicht einmal kannten. Er wäre töricht
sich nicht vor Magie zu fürchten, aber man konnte nicht jeden
verurteilen dem sie anhaftete.
Als sie einst an einem
kleinen Dorf, wie diesem hier, vorbei gekommen war, sah sie wie man
eine junge Frau an die Fersen eines Pferdes band und ihren Körper so
lange hinter sich her schleifen ließ, bis nur noch blutige Fetzen
übrig waren. Und weshalb? Weil sie mit der Gabe der Magie geboren
wurde. Man musste in solchen Gegenden nicht einmal schlechtes
vollbracht haben, um mit dem Makel des Bösen versehen zu werden.
Menschen fürchten sich
immer vor Dingen die sie nicht begreifen.
Xii spürte nicht wie das
Feuer ihres Zornes aufloderte und ihren gesamten Körper einhüllte.
Zu sehr hatte sie sich ihren Gefühlen ergeben, und diese wollten nun
hinaus.
Sie stieß einen Schrei
aus und das Feuer um sie herum wurde blau. Es schmolz das Metall der
Ketten die sie an den Stuhl fesselten, ohne ihre Haut zu verbrennen.
Die Kinder erstarrten vor
Angst, welche mit einem Schlag wieder all ihre Körperfunktionen
lähmte. Ben´s Fingern entglitt die kleine Öllampe und fiel
scheppernd zu Boden. Auch wenn es in dem alten Stall modrig roch, und
das Heu an manchen Stellen dahin faulte, es war trocken genug um
Feuer zu fangen. Endlich kamen die Kinder wieder zu sich und begannen
zu schreien. So schnell sie konnten, rannten sie hinaus ins freie,
denn die Flammen fraßen sich rasend schnell durch das Heu.
Der Geruch des Feuers
brannte in Xiis Nase, doch sie realisierte nichts von dem was um sie
herum geschah. Stimmengewirr schrie in ihrem Kopf durcheinander,
verfluchten sie, auf dass sie niemals Erlösung finden würde, nach
allem was sie getan hatte. Sie spürte den Zorn dieser Stimmen und
ließ das Gefühl alles bestimmen.
Erst als sie den Schmerz
an ihren Füßen wahr nahm, riss sie sich von diesen Gefühlen los.
Das Heu um sie herum brannte bereits lichterloh und durch den starken
Rauch brannte ihre Kehle.
Hustend sprang sie auf
und blinzelte die Tränen weg. Sie entdeckte die offene Tür und
rannte auf sie zu. Stolpernd gelangte sie ins Freie und rang einen
Moment lang nach Luft. Als sie sich zu der Scheune umdrehte, stand
diese bereits vollkommen in Flammen. Kleine Funken stoben in die Luft
und gingen auf die Stroh bedeckten Häuser über, wo sich sogleich
neue Glutnester bildeten.
Taumelnd ging Xii ein
paar Schritte rückwärts, während sie zusah wie das Schicksal
seinen Lauf nahm. Eine unbedachte Handlung, und schon brannte alles
nieder, was die Bewohner dieser Häuser zum Leben brauchten.
Wütende Schreie mischten
sich unter das Knacken und Knistern des Infernos. Xii wirbelte herum
und sah dass eine Schar Dorfbewohner auf sie zugerannt kam. Das Feuer
hatte sich auf noch mehr Häuser ausgeweitet und Schnitt ihr so den
Weg ab, sie hatte keine andere Wahl als sich ihren Pfad durch die
Meute hindurch zu suchen.
Nachdenklich biss Xii
sich auf die Unterlippe, sie verachtete diese Menschen, aber sie war
keine Mörderin. Niemanden würde sie töten, der nur aus Angst vor
dem Unbekannten, versuchte sich zu wehren. Kleine Steinchen wurden
aufgewirbelt als Xii voran preschte. Schneller als jeder Mensch es
konnte, rannte sie auf die Dorfbewohner los, die mit allerlei
Gerätschaften für den Ackerbau bewaffnet waren.
Die ersten Reihen
gerieten ins Stocken und versuchten abzubremsen, als sie sahen dass
jene, die sie jagen wollten, direkt auf sie zukam, statt ihr Heil in
der Flucht zu suchen. Einige der Männer rannten ineinander,
schafften es aber gerade noch nicht zu stürzen. Im Rennen hob Xii
eine ihrer Hände hoch in die Luft, sofort loderte ein blaues Feuer
auf, welches ihre gesamte Hand einhüllte. Ein Feuer ohne Hitze.
Wirbelnd, schlossen sich die Flammen in ihrer Handinnenfläche, zu
einem Feuerball zusammen. Als er bereit war, schleuderte Xii ihn
direkt vor die Füße der Männer. Schreiend wichen sie einige
Schritte zurück, und starrten auf das dampfende Loch vor ihren
Füßen.
Xii rannte geradewegs in
die Schneise die sich in der Masse der Menschen gebildet hatte und
ließ das blaue Feuer in beiden Händen wieder aufflammen, als ein
paar mutige Männer mit ihren Heugabeln nach ihr stachen.
Xii fauchte laut und
drohte den Männern mit ihren flammenden Händen. „Lasst mich
durch! Oder ihr werdet mein Seelenfeuer zu spüren bekommen! Es wird
euch das Fleisch von den Knochen brennen und eure Seele verzehren.“
Keiner der Bewohner zweifelte an ihren Worten, sie wichen einige
Schritte zurück und bildeten einen Durchgang für das gefürchtete
Wesen.
Xii schlug ihr Herz bis
zum Hals, sie hatte nicht gelogen, was die Wirkung ihres Feuers
betraf, aber sie wollte sie nicht gegen die Menschen einsetzen. Sie
wollte einfach nur fort von diesem Ort.
„Macht Platz! Wir
erledigen das!“ Wie ein Donnerschlag durchbrach die Stimme eines
Mannes das leise Gemurmel der Dorfbewohner. Als sie gehorchten, und
zur Seite traten, erblickte Xii sieben Männer die auf sie zuliefen.
In ihren Händen befanden sich gespannte Armbrüste und vier von
ihnen legten gerade Pfeile an die Sehnen ihrer Bögen.
„Die Jäger! Macht
ihnen Platz!“ Einer der Dorfbewohner erkannte die nahende Rettung
sofort und auch die anderen machten den Männern Platz. Sie waren
Einzigen in diesem Dorf, die wirklich Erfahrung darin hatten,
jemanden zu erlegen. Jemanden, der auf der Flucht war.
Xii´s schluckte schwer,
besäße sie ein schlagendes Herz in ihrer Brust, würde es
wahrscheinlich donnern vor Anspannung. Plötzlich spürte sie einen
entsetzlichen Schmerz in ihrem rechten Oberschenkel, ihr Schrei
hallte durch die Abendluft. Das magische Feuer in ihren Händen
erlosch, als sie zusammen knickte und auf einem ihrer Knie aufschlug.
Fauchend wirbelte sie mit ihrem Kopf nach hinten. Ein übermütiger
Bauer hatte sich getraut vorzutreten und ihr mit der Heugabel in den
Oberschenkel zu stechen. An seinen Spitzen tropfte rotes Blut hinab.
Auch wenn sein Angriff
erfolgreich gewesen war, sie erkannte die Furcht in seinen weit
aufgerissenen Augen. Zitternd erhob sie sich und fletschte die Zähne
in seine Richtung, scharfe Eckzähne kamen zum Vorschein. Ein
weiterer Bauer hieb mit seiner Sense nach ihr, doch nun war sie
aufmerksamer und rollte sich rasch unter dem Angriff hinfort.
„Aus dem Weg jetzt ihr
Idioten!“ Noch einmal donnerte die Stimme des Jägers durch die
Straße als er seine Armbrust anlegte. Xii wusste das sie nicht
länger zögern durfte, sonst war ihr Leben hier beendet. Somit auch
ihre Chance, ihre Seele zu erlösen.
Sie beugte ihren Oberkörper nach vorn und setzte zu einem Sprung an.
Blauer Nebel hüllte ihren Körper ein und ließ nur noch eine
verschwommene Silhouette erkennen. Als sie durch den Dunst hindurch
brach, landete sie auf vier Pfoten. Xii hatte erneut die Gestalt des
Fuchses angenommen, welchen das kleine Mädchen draußen in den
Wäldern erblickt hatte. Sofort schlug sie einen Haken und entging so
einem Pfeil, den ein Jäger auf sie abgeschossen hatte.
Mit
diesem Körper war sie wendig und schnell, sie schaffte es in eine
kleine Gasse zwischen zwei Hütten abzutauchen, ohne von einem der
Geschosse getroffen zu werden.
Männer
riefen wild durcheinander, Frauen kamen bereits mit den ersten Eimern
Wasser angelaufen um dem Feuer Einhalt zu gebieten. Es hatte
aufgehört sich auf andere Dächer auszubreiten, aber man hoffte die
brennenden Häuser noch retten zu können. Zumindest befanden sich
alle Menschen in der Versammlungshalle oder dem Marktplatz. Die
Anwesenheit der Janama hatte große Sorge verbreitet, und jeder
wollte nicht verpassen wie der Rat der Ältesten über ihr Schicksal
richtete.
Nun
hatte Xii es selbst in die Hand genommen, und war so wahrscheinlich
dem sicheren Tod entgangen.
Die
Wunde an ihrem Oberschenkel schmerzte bei jedem Tritt, es machte sie
langsam, aber Xii schöpfte Mut als sie am Ende der kleinen Straße
bereits die Felder erkennen konnte. Sie musste anschließend nur noch
die schützenden Wälder erreichen, dann konnten die Jäger ihr
nichts mehr anhaben.
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