„Ich...
habe meine Gefühle die ganze Zeit so gut verbergen können, und ich
weiß, es gibt wahrscheinlich nichts dümmeres als dich jetzt um
etwas zu bitten, aber... kann ich diesen einen Tag noch bei dir
bleiben?“
Ganz
kurz begann ihre Unterlippe zu beben, aber sie schaffte es, das ihr
Lächeln die Oberhand gewann.
„Wenn
ich gehe... möchte ich das... mich noch viel mehr schöne
Erinnerungen begleiten. Bitte.“
Philipp
atmete schwer durch seine Nasenlöcher aus, er fand auch dass es das
Dümmste war, um das sie jetzt hätte bitten können. Aber noch einen
Tag mehr mit ihr zu verbringen, war das Schönste was er sich in
diesem Moment vorstellen konnte. Die Gefühle waren da, schon eine
ganze Weile, an ihnen würde sich sowieso nichts mehr ändern können.
Gerade
wollte er ihre Hand zur Seite schieben, als sie wild den Kopf
schüttelte. „Nichts sagen! Nicken oder Kopf schütteln!“
Er
musste ein Lachen unterdrücken, und zuckte unschlüssig mit
den Schultern. Lilly boxte ihn kaum merklich in die Magengrube,
schließlich entschied er sich zu Nicken.
Erst
jetzt ließ sie die Hand von seinem Mund sinken und schlang beide
Arme um ihn. „Danke.“
Behutsam
streichelte er über ihr Haar und schmunzelte. „Du bist echt
bescheuert.“
„Ich
weiß. Du auch.“
Stumm
verharrten sie noch einen langen Augenblick an Ort und Stelle, alles
was die Stille störte war das Rauschen des Windes in den Blättern
des Walnussbaumes und ein leises Klackern das plötzlich auftrat.
Als
Philipp den Kopf hob, sah er dass der Stab Morendras, noch an dem
Stamm des Baumes lehnend, begonnen hatte zu zittern als würde der
Boden unter ihm beben.
„Lilly!
Der Stab!“
Verwundert
drehte sich die Ellydre nach ihm um und fragte sich was das Zittern
von Morendras zu bedeuten hatte. Plötzlich fingen die kleinen und
großen Bernsteine die in den knorrigen Stab eingewachsen waren,
abwechselnd an zu leuchten.
Ein
paar Schritte eilte sie auf ihn zu, bis plötzlich der Boden unter
ihnen einmal heftig bebte.
Die
Luft, nur wenige Meter neben Morendras, begann zu flirren als wäre
sie glühend heiß.
„Lilly,
was hat das zu bedeuten?“ Verunsichert wich sie einige Schritte
zurück und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht! So etwas
habe ich noch nie gesehen!“
Die
flirrende Luft änderte ihre Farben und es schienen sich Formen aus
undeutlichen Schatten zu bilden. Ein starker Wind rauschte über sie
hinweg und brachte einen vertrauten Geruch mit sich. Es roch nach
Wald, Moos und frischen Blumen, unverwechselbar, wie sie ihn nur aus
ihrer Heimat her kannte, dem ewigen Hain.
Das
Bild der merkwürdigen Konturen wurde immer deutlicher und bildete
ein Oval. Feste Formen bildeten sich, die Philipps Kinnlade runter
klappen ließen. Er starrte geradewegs in eine Art Portal in dem er
die Frau aus Lillys Erinnerungen klar erkennen konnte. Ihre Mutter.
Und
sie war nicht allein. Hinter ihr konnte er schwammig viele Personen
ausmachen. Jede sah anders aus, aber keine glich dem menschlichen
Äußeren so sehr wie Lilly es tat. Manche hatten eine grünliche
Haut, andere hatten keine Haare, nur irgendwelche merkwürdigen
Gewächse auf dem Kopf. Bei einer Frau, die eine riesige Rosenblüte
auf ihrem Kopf trug, konnte Philipp Dornen überall an ihrem Körper
erkennen.
Lilly
schnappte nach Luft und ging zögerlich einen Schritt zurück.
„Hüterin!“
Die
Frau lächelte und neigte den Kopf zum Gruß. Ihr Haar aus feinem
Gras wog sich raschelnd in der Brise. Zu ihren beiden Seiten traten
sehr bekannte Gestalten heran. Eine zuckte nervös mit ihrem
buschigen Fuchsschwanz, der andere verschränkte die Arme vor der
Brust und zog ein verächtliches Gesicht. Xii und Ooku teilten nicht
das sanfte Lächeln der Hüterin. Ganz im Gegenteil.
„Mein
Kind, endlich habe ich dich gefunden. Oder viel besser, ihn
gefunden.“, der Blick der Hüterin richtete sich auf Morendras, der
prompt aufhörte zu zittern.
Lilly
machte einen Satz nach vorn und schnappte sich den Stab, samt des
Hexenbuches das sie zu seinen Füßen in das weiche Gras gelegt
hatte. Rückwärts ging sie so schnell wie möglich, bis sie dicht an
Philipps Seite, einige wenige Meter von dem Portal entfernt, stehen
blieb.
Ooku
bleckte die Zähne und warf einen Arm wütend in die Luft.
„Seht ihr, Hüterin? Ich habe euch doch gesagt wie starrsinnig sie ist, und das sie sich mit allen Mitteln wehren wird. Sie ist nicht einsichtig, was man auch sagt.“
„Seht ihr, Hüterin? Ich habe euch doch gesagt wie starrsinnig sie ist, und das sie sich mit allen Mitteln wehren wird. Sie ist nicht einsichtig, was man auch sagt.“
Ruhig
signalisierte das Oberhaupt der Ellydren ihm, wieder runter zu kommen
und schenkte ihm einen kurzen, aber ausdrucksstarken Blick. Er
verstummte sofort.
Langsam blickte die Hüterin wieder nach vorn zu ihrer Tochter, welche Morendras feste an sich klammerte und sie forschend betrachtete.
Langsam blickte die Hüterin wieder nach vorn zu ihrer Tochter, welche Morendras feste an sich klammerte und sie forschend betrachtete.
„Lillaraya,
es hat mich viel Kraft gekostet diesen Weg zu öffnen, und ich weiß
nicht, wie lange ich es noch kann. Daher bitte ich dich zu mir zu
kommen.
Xii
und Ooku haben mir alles erzählt. Wieso du den Stab genommen hast,
und was seitdem geschehen ist.
Es
ist an der Zeit, den Stab wieder an seinen Platz zu bringen, und
deinem Volk zu erklären was du dir dabei gedacht hast.“
Autorität
und Macht lagen in jeder ihrer Silben, das sanfte Lächeln war
verschwunden und machte einem Ausdruck platz, der keine Widerrede
duldete.
„Nein.
Ich werde Morendras nicht wieder dahin bringen wo ich ihn geholt
habe.“
Ein
Raunen ging durch die Reihen der Ellydren, einige verfielen sogar
kurzzeitig in eine Schnappatmung.
Lilly
trat einen Schritt vor, nur Philipp konnte erkennen wie leicht ihre
Hände zitterten.
„Ihr
alle werdet wohl schon wissen wieso ich die Menschen aufsuchen
wollte, und welche Bitte ich an euch habe. Mir ist auch bewusst das
der Großteil von euch denkt ich wäre dem Wahnsinn anheim gefallen
und das ihr die Sicherheit des ewigen Hains nicht verlassen wollt.
Ich
kann euch versprechen, dass das für mich keine Rolle spielt.“
Irrte
sich Philipp oder hatte er gerade die Mundwinkel der Hüterin zucken
sehen?! Gerade so als müsste sie ein amüsiertes Schmunzeln zurück
halten.
Hinter
ihr wurde Getuschel laut, und viele konnten nur den Kopf schütteln
aufgrund von Lillys Starrsinn.
„Heute
habe ich einen Entschluss gefasst, und ich werde mit allen Mitteln
dafür kämpfen das er wahr wird. Mit oder ohne eure Hilfe.“
Sie klemmte sich das Buch von Shorana unter den den Arm und umfasste Morendras mit beiden Händen. Die Hüterin stand starr und ohne Regung da, lauschte stumm den Worten.
Sie klemmte sich das Buch von Shorana unter den den Arm und umfasste Morendras mit beiden Händen. Die Hüterin stand starr und ohne Regung da, lauschte stumm den Worten.
„Dein
Entschluss lautet?“
„Ich
werde einen Ort schaffen wo jeder frei sein kann. Wo er das sein kann
was er ist.
Einen
Ort des Friedens. Wo niemand mehr fürchten muss gejagt zu werden,
nur weil er ist was er ist.“
Eine
der Ellydren trat aus den hinteren Reihen vor, es war jene, der
kleine Dornen auf der Haut wuchsen.
„Was
soll das bringen? Unser Hain ist ein friedlicher Ort für uns. Willst
du etwa das wir den Bann brechen? Das wieder Menschen, oder noch viel
schlimmeres in unser Heim eindringen?“
Die
Ellydre deutete auf Ooku. „Wir wissen von der Hexe, und was sie mit
Morendras tun wollte. Du hast ihr den Stab förmlich in die Hände
gespielt, Närrin!
Glaubst
du wirklich wir lassen zu das du aus deinen wahnwitzigen Entschlüssen
heraus bestimmst was aus uns wird? Das wir uns auch abschlachten
lassen?“
Philipp trat an Lilly Seite und schob langsam seine Hände in die Hosentaschen.
Philipp trat an Lilly Seite und schob langsam seine Hände in die Hosentaschen.
„Achte
mal ein bisschen auf deine Wortwahl. Lilly hat viel für euch alle
riskiert. Sie sagt, dass, seit ihr in eurem Exil lebt, keine Kinder
mehr geboren wurden.
Also heißt das doch, ihr werdet irgendwann sowieso sterben und verschwinden.“
Also heißt das doch, ihr werdet irgendwann sowieso sterben und verschwinden.“
„Was
fällt dir ein!? Du unverschämter Mensch!“
„Mir
fällt sogar sehr viel ein.
Lilly
hat mir gezeigt was in der Nacht damals geschah, deshalb weiß ich
ganz gut wie euch zumute ist.
Natürlich
geht ihr ein Risiko ein, wenn ihr euch der Welt wieder öffnet, und
wahrscheinlich könnt ihr neunzig Prozent der Menschen kein Stück
trauen.“
Lilly
warf ihm über die Schulter einen entrüsteten Blick zu, doch er sah
weiter in das hasserfüllte Gesicht der anderen Ellydre.
„Als
sie mir sagte, sie hat die Hoffnung auf vollkommenen Frieden in eurer
Welt, fand ich dass es das Dümmste war, was ich je gehört habe.
Es
gibt Menschen, die werden ewig an ihrer Meinung festhalten, Menschen
die sich niemals ändern werden. Aber ihr doch auch nicht, wenn ich
euch so reden höre, oder?“
Sein Blick streifte die Gesichter von Xii und Ooku.
Sein Blick streifte die Gesichter von Xii und Ooku.
„Genau
deshalb bewundere ich Lilly.
Das
es ihr egal ist was ihr denkt, das sie ihren Weg gehen will, selbst
wenn sie sich ganz allein gegen euch alle stellen muss.“
Lilly
strahlte ihn über das ganze Gesicht an, am liebsten hätte sie ihm
für das ein oder andere Wort gegen das Schienbein getreten, aber
dass er für sie einstand bedeutete ihr mehr als er sich
wahrscheinlich vorstellen konnte.
Die
Ellydre trat ein paar Schritte vor, ihre Augen brannten vor Zorn, der
augenblicklich erlosch, als sie gegen den ausgestreckten Arm der
Hüterin lief.
Auf
ihren Zügen machte sich ein breites und durchaus zufriedenes Lächeln
breit.
„Dein
Vater wäre stolz auf dich Lillaraya. Du kommst ganz nach ihm.“
Totenstille
folgte ihren Worten, viele ungläubige Gesichter starrten die Hüterin
an, darunter auch Ooku, dessen gesamte Züge entglitten waren.
Xii
war die einzige deren Augen auf Lilly ruhen blieben, vollkommen
ausdruckslos.
Die
Hüterin sprach weiter als sie sich der ungeteilten Aufmerksamkeit
aller sicher sein konnte. „Wenn es das ist was du wirklich willst,
dann werde ich dir keine Steine in deinen Weg legen. Du kannst
Morendras verwahren und dich von ihm leiten lassen. Ich will sehen
was hinter deinen Worten steckt.“, ihr Gesicht wurde Ernst.
„Solltest du scheitern, werde ich Morendras wieder an mich nehmen,
den Bann um unseren Hain wieder errichten, und niemals wieder
aufheben. Egal was kommt. Also liegt es nun bei dir.“
Niemand
traute sich auch nur ein Wort zu sagen, aber Philipp konnte das
blanke Entsetzen in den Gesichtern vieler Ellydren sehen.
Lilly
glaubte kaum was sie da hörte, ihr Herz machte einen Sprung vor
Glück, sie verbeugte sich vor ihrer Mutter und schloss die Augen.
„Danke Hüterin.“
Die
Hüterin blickte nun zu Philipp, ein wenig mulmig wurde ihm schon
wenn er in ihre klaren Augen aus Bernstein sah.
„Was
dich betrifft Mensch, hat mir Xii erzählt das du auf meine Tochter
acht gegeben hast, und sogar dein Leben für sie riskiert hast. In
eurer, und in unserer Welt. Dafür spreche ich dir meinen tiefsten
Dank aus.“
Philipp
zog beide Brauen in die Höhe und starrte ungläubig zu der Janama
hinüber. Diese verzog ihren Mund zu einem überheblichen Lächeln
und stemmte beide Hände in ihre Hüften.
„Bilde
dir darauf bloß nichts ein, leiden kann ich dich dennoch nicht.“
„Das
beruhigt mich.“
Philipp
musste schmunzeln und sah wieder zu der Hüterin als sie die Hand
ausstreckte.
Ein
seichtes, grünliches Glimmen bildete sich in ihrer Handinnenfläche.
Sie führte die Hand an ihre Lippen und pustete sachte das kleine
Licht fort, welches sich langsam und träge durch das Portal bewegte.
Als es die unsichtbare Barriere hinter sich gelassen hatte, flog es
zügig auf Philipp zu.
Ooku
riss seinen Kopf herum und zischte der Hüterin zu. „Das kann nicht
dein Ernst sein! Ihr gebt diesem Menschen...“, sie hob eine Hand
und brachte ihren Sohn sogleich zum schweigen.
„Stellst
du mein Urteilsvermögen in Frage Ooku?“
„Nein...
Natürlich nicht...“
„Gut.“
Das
Glimmen hielt direkt vor Philipps Brust an, er hob zögerlich die
Hand, und das Licht senkte sich auf seine Handinnenfläche nieder.
Langsam erlosch das Leuchten und enthüllte ein kleines Samenkorn.
Lilly
riss überrascht die Augen auf und sprach mit ehrfürchtigem Ton zu
ihm, ohne den Samen aus den Augen zu lassen.
„Das
ist ein Samenkorn von Morendras! Wir haben nur wenige von ihnen in
unserem Besitz. Philipp... noch nie hat jemand solch ein Samenkorn
von der Hüterin bekommen.“
Philipp
blinzelte erst seine Freundin an, dann die Hüterin. Sie erkannte die
Frage in seinem Blick und sprach. „Wenn du ihn in fruchtbare Erde
bettest, ihn hegst und pflegst, wird ein Baum daraus wachsen. Die
Früchte die er tragen wird, können jede Krankheit, jedes Leid
heilen.
Das
ist mein Geschenk an dich. Doch wenn du dich nicht um ihn kümmerst,
wird der Baum vergehen. Er kann keine weiteren Samen tragen, also
vergiss meine Worte besser nicht.
Außerdem
wird er bei niemandem Wirkung haben, der nicht von deinem Blut ist.
Es ist ein Geschenk an dich, nicht an die gesamte Menschheit.“
Philipp
stockte der Atem, dieses Geschenk war das kostbarste was man auf
dieser Welt besitzen konnte, dessen war er sich bewusst.
„Ich
weiß nicht was ich sagen soll. Danke, kann nicht einmal ansatzweise
ausdrücken was ich fühle.“ Die Hüterin nickte und schenkte ihm
wieder ein Lächeln.
„Manchmal
bedarf es keiner großen Worte. Du hast auf etwas Acht gegeben was
mir mehr bedeutet als mein Leben. Ich kann sehr gut verstehen was du
mir sagen möchtest.“ Langsam sah sie weiter zu ihrer Tochter und
nickte ihr zu.
„Es
ist Zeit Lillaraya. Lange kann ich die Verbindung zu Morendras nicht
mehr aufrecht halten. Komm.“
Lilly
umfasste mit beiden Händen fest den Stab. Seine Bernsteine
leuchteten noch immer, aber deutlich schwächer. Eine warme Hand
legte sich auf ihren Oberarm. Sie hob den Blick zu Philipps Gesicht.
„Darüber
hatten wir ja schon gesprochen. Dann sieh zu das dir die Tür nach
Hause nicht vor der Nase zugeschlagen wird.“
In
Lillys Augenwinkeln bildeten sich Tränen und rollten stumm an ihren
Wangen hinab, sie schluckte einige Male bevor sie ihre Stimme wieder
fand.
„Ich
weiß nicht, was Zufall war, oder was Morendras dazu bewegt hat mich
an diesen Ort zu entsenden, aber ich bin froh, das ich dich
kennenlernen durfte Philipp.
Auch
wenn ich finde das die Zeit viel zu kurz war, bin ich für jede
Minute dankbar die ich mit dir verbracht habe.
Versprichst
du mir... das du... mich nicht vergisst?“ Sie blinzelte eilig ein
paar Tränen fort, die es wagten ihren Blick zu verschleiern. Die es
wagten den Blick auf sein Lächeln zu trüben.
„Wie
könnte ich denn so etwas durchgeknalltes wie dich jemals vergessen.
Eigentlich ist es das, was mir Sorgen bereitet.“
Lilly
biss sich auf die Unterlippe um ein Schluchzen zu unterdrücken, sie
legte Morendras und das Buch vorsichtig auf dem Boden ab. Schwungvoll
fiel sie ihm um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter.
So fest sie konnte klammerte sie sich an ihn, atmete seinen Duft ein,
aus Angst dass das Erinnern an ihn irgendwann verblassen könnte.
Ihr
schien, das es ihm nicht anders gehen musste, so fest wie er sie an
sich drückte. Sie spürte die Berührung seiner Lippen an ihrem Ohr,
jedes seiner Worte das er ihr zuflüsterte, brannte sich
unwiderruflich in ihre Gedanken ein.
Keuchend
stieß sie einen tiefen Atemzug aus und hauchte leise zurück. „Ich
dich auch.“
Hätte
er sie nicht behutsam von sich gedrückt, hätte sie den Schritt wohl
niemals allein getan. Sie sah zu ihm auf und wehrte sich nicht
dagegen als er ihre letzten Tränen mit den Daumen fort wischte.
Hinter ihr drängte ihre Leibwache. „Lilly! Beeilt Euch! Das
Portal!“
Mit
pochendem Herzen stellte Lilly sich auf die Zehenspitzen und küsste
Philipp ein letztes Mal.
Rasch
hob sie Morendras und das Buch auf, und ging einige Schritte
rückwärts.
Philipp
schob beide Hände in seine Hosentaschen, sie sollte nicht merken wie
sehr sie zitterten.
„Mach
deine Sache gut, du Früchtchen, sonst suche ich einen Weg zu dir,
nur um dir den Hintern zu versohlen. Versprochen.“
Lillys
Lachen erstickte in einem Schluchzen, sie ging rückwärts so schnell
sie konnte und schüttelte den Kopf. „Bring mich nicht in
Versuchung!“
Sie
wirbelte herum und rannte auf das kleiner werdende Portal zu. Mit
einem beherzten Sprung schaffte sie es hindurch und wurde von den
Armen ihrer Leibwache aufgefangen.
Xiis
Gesicht begann zu flimmern als sie den Blick auf Philipp richtete.
„Wenn
es dich beruhigt. Sie wird nicht allein sein. Ich bin zwar nicht
begeistert, aber ich werde sie immer unterstützen. Nicht weil ich
muss, sondern weil ich will.“
Ooku
seufzte erleichtert und verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
Genervt verdrehte er die Augen. „Kleine Schwester, du machst echt
immer nur Ärger. Da habe ich sowieso keine andere Wahl als auf dich
aufzupassen.“
Lilly
lächelte den beiden dankbar zu, sie wusste das vor ihr ein steiniger
Weg lag. Hinter ihr flüsterten alle Ellydren durcheinander und taten
ihre Befürchtungen und ihre Zweifel Kund.
Aber
sie trug die Zuversicht in ihrem Herzen diese Herausforderung
meistern zu können. Sie war nicht allein, da waren ein paar in
ihrer Welt die an sie glaubten, und einer, Unzählige Galaxien
entfernt, der ebenfalls an sie glauben würde. Mehr brauchte sie
nicht.
Lillys
lächelndes Gesicht, und ihr Arm, mit dem sie ihm so wild zuwinkte,
das er befürchtete er würde ihr gleich abfallen, war das letzte was
Philipp sah, als das Portal verschwand.
Kurz
flimmerte die Luft noch an der Stelle wo es aufgetaucht war, dann
blieb nichts mehr, nur eine endlos scheinende Leere.
Sie
war so schnell aus seinem Leben verschwunden, wie sie hinein
gepurzelt war. Anfangs hatte er sich nichts mehr gewünscht, als das
sie wieder abhauen sollte, nun wollte er nichts mehr, als das sie
wieder zurück kam.
Er
schloss die Augen und atmete einige Male tief durch. Ein Lächeln
fand den Weg auf seine Züge.
Auch
wenn er sich fühlte als hätte sie einen Teil von ihm mit sich
genommen, wusste er das sie noch viel mehr zurück gelassen hatte.
Er
wusste wieder wie wertvoll jede einzige Minute seines Lebens war, und
das es zu kurz war, um es weiter mit Videospielen zu vergeuden. Sie
hatte ihm wieder gezeigt wie schön es sein konnte die Welt zu
erkunden und neues kennen zu lernen.
Als
er die Hand in seiner Tasche zur Faust ballte, spürte er das
Samenkorn darin, er würde etwas aus seinem Leben machen, ein
Versprechen das er sich selbst gab.
Lilly
würde auch nicht aufgeben, genauso wenig wie er.
Wenn
er doch nur diesen einen Tag noch mit ihr hätte genießen dürfen...
Philipps
Kehle brannte, fester presste er die Augen zusammen und dann hörte
er das Knirschen von Kies. Ein leises Tuckern, gefolgt von dem
Geräusch wenn der Motor abgestellt wurde.
Er
riss die Augen auf und drehte sich langsam herum.
Das
Auto seiner Eltern parkte gerade in der Einfahrt, als seine Schwester
unter ihrem üblichen Gezeter ausstieg. Seine Mutter verdrehte die
Augen und schlug die Autotür zu, dann erblickte sie ihren Sohn, der
wie angewurzelt mitten im Garten stand. „Phili? Was machst du denn
da?“
Sein
Vater drückte den Knopf der Zentralverrieglung und das Auto schloss
sich unter einem Klacken. Er winkte seinen Sohn heran und grinste.
Eine Tüte mit Brötchen klemmte er sich unter den Arm.
„Hey!
Ich kann ein wenig männliche Unterstützung gebrauchen. Die Mädels
machen mich noch fertig. Jetzt soll ich plötzlich Schuld sein das
wir die ganze Nacht im Krankenhaus verbringen mussten, ich hätte
mich mehr einsetzen müssen. Sagen zumindest die Weiber“
Seine
Schwester Louisa und seine Mutter zeterten im Chor. „Diese Betten
sind ein Alptraum! Mir tut der ganze Rücken weh.“
Philipp
schmunzelte und zuckte mit den Schultern.
„Ich
vermisse jetzt schon die Ruhe im Haus, ohne euch.“
Das
Lachen seines Vaters hallte in der Einfahrt wieder als die beiden
Damen wieder das Schimpfen eröffneten.
Die
drei gingen langsam ins Haus, auch Philipp setzte sich nach kurzem
Zögern in Bewegung. Sein Herz würde noch eine Weile wie Blei in
seiner Brust liegen, aber er teilte Lillys Worte. Er war froh um jede
Erinnerung die er an sie behalten würde. Und diese waren es, die ihm
am meisten bedeuteten. Außerdem blieb ihm noch etwas, das Gefühl
einer tiefen, tröstenden Verbindung in seinem Herzen. Das musste es
sein, wovon sie gesprochen hatte, bevor er in ihre Seele getaucht
war.
Im
Vorbeigehen fiel sein Blick auf das Schwert, das noch immer im
Blumenbeet seiner Mutter steckte. Dafür würde er noch ein schönes
Plätzchen finden, und ganz nebenbei vielleicht noch eine gute
Ausrede was in ihrem geliebten Beet gewütet hatte.
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