„Danke.“,
hauchte sie ihm leise entgegen während sie ihre Hand auf seine Wange
legte.
Langsam
griff Philipp nach dem Rahmen seiner Brille, zog sie sich von der
Nase, und legte sie vorsichtig zur Seite.
Lillys
Finger strichen an seiner Schläfe entlang. „Ich habe es dich schon
einmal gefragt, soll ich das wirklich nicht mal heilen?“
Er
grinste und schüttelte nur den Kopf. „Nicht nötig. Alles was mir
nahe ist, kann ich klar und deutlich sehen.“
Die
Ellydre verstand einfach nicht wieso er sich dagegen sträubte. Für
ihn würde es doch eine Erleichterung sein, und für sie wären es
höchstens ein paar Minuten die sie dafür von ihrer Lebenszeit
hergeben musste.
Gedankenverloren
grübelte sie noch darüber nach, als eine warme Hand ihre Wange
berührte.
Bevor
sie wusste wie ihr geschah, spürte sie seinen Kuss.
Ihr
Herz machte einen Sprung, es klopfte wie wild. Sie schloss die Augen
und legte beide Arme um seinen Hals. Es war so anders als damals im
Krankenhaus, als er sich vor lauter überschwänglicher Freude ganz
vergaß, und sie geküsst hatte. Bedeutend sanfter.
Viel
zu früh lösten sich seine Lippen wieder, den Augenblick wollte sie
lieber noch ein wenig auskosten. Nur ein klein wenig.
Bevor
er sich auch nur einen Hauch von ihr entfernen konnte, reckte sie das
Kinn vor und erhaschte wieder eine Lippen. Mit einem Mal war sein
Kuss weniger zurückhaltend, ihr Kopf begann sich zu drehen, sie
merkte gar nicht wie er seine Arme um ihren Rücken legte und sie
langsam auf die weiche Matratze bettete.
Nur
noch ein klein wenig sagte sie sich, wollte sie den Geschmack seiner
Lippen bewahren, die tröstende Wärme seines Körpers dicht bei sich
wissen und nur noch einen Augenblick lang all die Bilder des Tages
vergessen.
Ganz
kurz wollte sie noch sein weiches Haar zwischen ihren Fingern spüren,
ganz kurz das Gefühl erfahren wie seine Hände über ihre Haut
fuhren, verstehen woher dieses Kribbeln kam, und versuchen ihr
pochendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Ganz
kurz, sich noch in der Woge verlieren die sein inniger werdender Kuss
mit sich brachte. Nur einen kleinen Augenblick noch...
Die
ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Dachfenster auf die kleine
Galerie und begannen ihn durch die geschlossenen Lider zu wecken.
Philipp
murrte und rieb sich müde die Augen ohne sie auch nur ein klein
wenig zu öffnen. Er legte sich den Unterarm über die Stirn und
rollte sich auf den Rücken. Das Gefühl seiner weichen Matratze war
herrlich, genau das hatte er so vermisst.
Wieso
hatte er das noch gleich vermisst? Lange musste er nicht überlegen,
da fiel ihm ein wo er gestern noch gewesen war, und was er in der
fremden Welt alles erlebt hatte.
Die
Erinnerung des Abends verscheuchte die düsteren Bilder und ersetzten
sie mit etwas viel schönerem, sogar ein leichtes Lächeln schlich
sich auf seine Züge.
Träge
rollte er auf die Seite und ließ die Hand über das zerwühlte Laken
gleiten. Die Seite neben ihm war kalt und leer.
Als
hätte man ihn mit einem Eimer Wasser übergossen, schreckte er hoch
und war mit einem mal hell wach. Suchend schwenkte er den Kopf hin
und her, beugte sich über die Bretter der Galerie und warf einen
Blick nach unten, doch Lilly war nirgendwo zu sehen.
Unter
einem genervten Stöhnen robbte er auf die Treppe zu und polterte
hinunter, ihm fiel auf das der Stab Morendras und das Buch von
Shorana fort waren.
„Ernsthaft
jetzt?“ Wütend fuhr er sich durch sein Haar, ihm fiel auf dass das
Fenster seines Zimmers offen stand. Skeptisch trat er vor und reckte
den Kopf um einen Blick nach draußen zu werfen.
„Guten
Morgen!“
Philipp
kniff die Augen zusammen und beugte den Oberkörper weit aus dem
Fenster, die Stimme hatte er schon mal erkannt, jetzt musste er das
Fräulein nur noch finden um ihr die Ohren lang zu ziehen. Ein
Kichern ließ seinen Blick höher wandern, irgendwas saß da im
Walnussbaum vor seinem Fenster, das sie vielleicht von den Umrissen
her hätte sein können.
„Was
machst du denn da?“
„Ich
konnte nicht mehr schlafen, da bin ich raus gegangen um dich nicht zu
wecken. Erst habe ich dich eine ganze Weile lang beobachtet, aber ich
dachte du könntest deshalb wütend werden.“
Lilly
saß auf einem der breiten Äste und hatte sich den Stab Morendras
über die Beine gelegt. Sie hielt das Buch von Shorana in die Höhe
und winkte damit hin und her.
„Ich
wollte gerade in dem Buch blättern. Da bist du schon aufgewacht.“
Philipp
kratzte sich am Hinterkopf und fuhr sich mit der Hand durch sein
Gesicht. „Warte da, ich komme raus.“ Wieder hörte er ein Kichern
und Lilly trällerte ihm heiter entgegen.
„Vielleicht
ziehst du dir zuvor aber eine Hose an. Ich meine, seit du an das
Fenster getreten bist, kann ich nur noch deinen Nabel sehen, aber
vorher...“
„Halt bloß den Mund! Du Früchtchen!“ Er knallte das Fenster zu und zog die Vorhänge zusammen. Erst dann musste er selbst ein wenig schmunzeln und schüttelte den Kopf.
„Halt bloß den Mund! Du Früchtchen!“ Er knallte das Fenster zu und zog die Vorhänge zusammen. Erst dann musste er selbst ein wenig schmunzeln und schüttelte den Kopf.
Kleidung
und Brille waren schnell zusammen gesucht, auf dem Weg nach unten
kratzte er sich den Hinterkopf und geriet plötzlich ins stocken.
Gestern hatte er dort noch eine dicke Beule gehabt, auch seine
Kopfschmerzen waren fort.
Eilig
hastete er an einen Spiegel der im Flur hing und betrachtete den
Bereich seines Haaransatzes, die Wunde war ebenfalls verschwunden.
Selbst die blauen Flecken die er davon getragen hatten, ließen sich
nicht mehr finden. „Na warte...“
Wütend
stapfte er hinaus in den Garten wo Lilly gerade von dem Baum hinunter
geklettert kam und den Stab wie auch das Buch in weichen Gras
ablegte.
„Erst
schleichst du dich davon und dann ignorierst du auch noch was ich dir
sage! Was denkst du dir eigentlich?“ Verwundert über seinen Zorn
blieb die Ellydre wie angewurzelt stehen und legte nachdenklich den
Kopf schief.
Ihre
Lippen hatten noch keinen Ton von sich gegeben als Philipp seinen
Zeigefinger auf ihre Nasenspitze drückte. „Tu nicht so! Du hast
mich heimlich heute Nacht geheilt.“
Lillys
Mundwinkel zuckten amüsiert. „Tut mir leid, ich war die ganze
Nacht beschäftigt. Dazu wäre ich gar nicht gekommen.“
Philipp
presste die Lippen feste zusammen als er sah wie sie mit einem
Grinsen kämpfte. Er stellte sich wieder gerade hin und betastete
seinen Kopf. „Aber alle meine Verletzungen sind weg.“
Lilly
hob fragend die Schultern und verschränkte die Hände vor ihrem
Schoß, ihre Augen richteten sich auf einen Grashalm vor seinen
Füßen.
„Was
ich dir nicht erzählt habe, wenn wir Ellydren älter werden, wird
das Blut, welches in unseren Adern fließt, zu Harz. Dieses Harz
wirkt wie ein Antibiotikum. Wir müssen also nicht immer Magie
benutzen wenn wir heilen wollen.“
Genervt
breitete Philipp die Arme aus und versuchte einen Blick in ihre Augen
zu erhaschen, aber sie wich ihm immer wieder aus. „Und? Was soll
mir das jetzt sagen? Ich erinnere mich nicht dein Blut getrunken zu
haben.“
Lilly
senkte den Kopf noch mehr, mit einem ihrer Füße zog sie einen Kreis
auf dem Boden und schürzte die Lippen als sie wieder gegen ein
Grinsen ankämpfte.
„Nein.
Aber scheinbar, sind noch andere Dinge dazu in der Lage, zu heilen.“
Philipp zog die Stirn in tiefe Falten und hatte langsam genug von
ihrem rumgedruckse, dann machte es auch bei ihm Klick.
Schweigen
legte sich gefühlte Stunden zwischen sie während Philipp, eine
durchaus gesunde, Gesichtsfarbe annahm.
Lilly
lächelte ihn fast schüchtern an und zwickte ihn äußerst feste in
den Bauch. „Fast hätte ich vergessen mich bei dir zu bedanken. Für
deine Worte meine ich.“
Sie
stellte sich wieder gerade hin und strahlte förmlich über das ganze
Gesicht.
„Das
du an mich glaubst, bedeutet mir mehr als du dir vorstellen kannst.
Vorhin kam mir ein Gedanke, und ich wusste das ist der Weg den ich
gehen möchte.“ Einen großen Schritt ging sie auf ihn zu und
ballte beide Hände entschlossen zu Fäusten.
„Der
Wunsch nach Frieden überall wird vielleicht auf ewig ein Traum
bleiben. Aber nichts kann und wird mich davon abhalten einen
friedlichen Platz zu schaffen für jeden der die selben Sehnsüchte
hat wie ich. Woher man kommt, oder was man ist, soll dort keine Rolle
spielen.“
Philipp
riss die Brauen in die Höhe und schob seine Hände in die
Hosentaschen.
„Du
willst quasi, eine Art Zuflucht bauen? Habe ich das recht
verstanden?“
Das Leuchten in ihren Augen nahm zu, sie nickte eifrig und ging aufgeregt einige Schritte auf und ab. „Noch weiß ich nicht wo, und wie ich das ganze bewerkstelligen soll, aber ich werde es tun.
Das Leuchten in ihren Augen nahm zu, sie nickte eifrig und ging aufgeregt einige Schritte auf und ab. „Noch weiß ich nicht wo, und wie ich das ganze bewerkstelligen soll, aber ich werde es tun.
Jeder
der einen friedlichen Platz zum leben sucht, soll dort willkommen
sein.
Vielleicht
werde ich die Welt nicht für alle ändern können, auch wenn ich es
gern möchte, dann aber für jeden der auf der Suche nach Frieden
ist.“
„Ich
will dich nicht bremsen, aber was ist mit den anderen. Du hast gesagt
viele Ellydren wollen nicht das sich etwas ändert.“
Mit
ihrem Zeigefinger deutete Lilly auf Morendras und grinste ihn frech
an. „Ihn werde ich behalten. Morendras hat meine Bitten erhört,
das können sie nicht ignorieren.
Der
Legende nach soll Morendras jeden Herzenswunsch erfüllen, also wird
er mir auch dabei helfen. Ganz sicher. Irgendwie werde ich damit
fertig.“
Ihr
Enthusiasmus brachte Philipp zum lächeln, sie schien sich wirklich
an ihr Versprechen zu halten. Sie würde nicht aufgeben, das wusste
er. „Du bist echt ein Sturkopf, und mittlerweile finde ich das auch
gar nicht mehr so schlimm.“
Wie
bei einem kleinen Hündchen tätschelte er ihren Kopf und lächelte
schief.
„Jetzt
muss ich erst einmal was richtiges zum Essen haben, und dann machen
wir uns Gedanken wie wir dein Vorhaben in die Tat umsetzen.“ Seine
Hand steckte er wieder zurück in die Hosentasche, dabei wandte er
sich zum gehen ab und fügte noch ein paar Überlegungen an.
„Morgen
ist Sonntag, ich werde meinen Eltern einfach sagen das wir einen
Ausflug machen. Das sollte uns „Drüben“ ein paar Tage Zeit
bringen, und dann müssen wir schauen... Bis zu meinen Semesterferien
ist es noch etwas hin. Aber so lange können wir nicht warten, in
deiner Welt würde zu viel Zeit vergehen.“
„Du
wirst mich nicht wieder begleiten können Philipp.“
Ihre
ruhigen, fast trockenen Worte trafen ihn wie einen Blitz. Seine Füße
verharrten still, nur langsam gelang es ihm sich zu ihr herum zu
drehen. „Was?“
Lilly
stand nur einen Steinwurf weit entfernt, vollkommen ruhig, die Hände
noch immer vor ihrem Schoß gefaltet, auf ihren Lippen lag der Hauch
eines sanften Lächelns.
„Wenn
ich gehe, dann allein.“
Ihr
Herz krampfte sich zusammen als Philipp, sichtlich wütend wieder auf
sie zu kam und direkt vor ihr stehen blieb.
„Das
ist jetzt deine Art zu sagen das war´s?! Ist es das?“
Lillys
Finger wurden weiß, so feste verschränkte sie diese ineinander.
Leicht schüttelte sie den Kopf. „Philipp du hast hier deine
Familie, Freunde, deine Vergangenheit, deine Pläne, deine Zukunft.
Du kannst das nicht einfach alles wegwerfen.“
In
einer herausfordernden Geste breitete er die Arme aus und legte den
Kopf etwas schief. „Gar nichts wird hier weggeworfen. Immer wenn
ich frei habe kann ich dich doch begleiten, wo soll das Problem
liegen?“
Lilly
warf einen Blick zurück auf den Stab Morendras, ihre Augen schlossen
sich für einen kurzen Augenblick während sie tief Luft holte.
„Nur
weil die Reise zwischen unseren Welten jetzt dreimal funktioniert
hat, heißt das nicht, das ich Morendras beliebig oft darum bitten
kann. Zumindest liegt das außerhalb meiner Vorstellungskraft.
Philipp,
ich weiß ja nicht einmal mit Gewissheit ob ich wieder nach Hause
zurück komme...“
Er
fluchte innerlich, damals hatte er es besser gewusst. Die Mauer,
welche er um sein Herz gebaut hatte, müsste noch viel stärker sein.
So stark, das selbst er nicht mehr in der Lage gewesen wäre sie
einzureißen. Seine eigene Dummheit schürte seinen Zorn, er fühlte
sich wie der letzte Narr.
Lilly
trat dicht an ihn heran und nahm vorsichtig seine Hand, eigentlich
wollte er das sie ihm gar nicht mehr zu nahe kam, aber ein Blick in
ihre Augen verriet ihm das auch sie nicht weniger litt als er in
diesem Moment. Sie presste kurz die Lippen zusammen, es schien als
müsste sie für ihre Worte, all ihren Mut mobilisieren.
„Vielleicht
war es dumm, was gestern passiert ist. Aber ich bereue es nicht.
Nicht einen Augenblick.
Ich
will das du weißt, das ich nichts lieber erbitten würde als dass du
mich auf meiner Reise begleitest. Das der Gedanke mich zerreißt dich
nie wieder zu sehen.“
Sie
schluckte hart und drückte seine Hand so fest das es fast schmerzte,
aber sie wollte um nichts in der Welt wieder vor ihm Schwäche
zeigen.
„Aber
dein Platz ist hier. Ich kann dich dem nicht entreißen.
Denk
doch nur an deine Eltern, wenn sie dich nie wieder sehen könnten,
würde es ihnen das Herz brechen. Hier, in dieser Welt gibt es so
Viele die dich lieben. Auf Dravasuum nur eine.“
Sie
konnte in seinen Augen lesen, was er ihr sagen wollte, und klatschte
ihm schnell die Hand auf den Mund um seine Lippen zu verschließen.
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