Fachidiot 6. Kapitel Teil 5

Ooku legte beide Hände auf die schwere Wunde an ihrer Seite und schloss die Augen.
Ewiglich das Grün,
klar und reich dein Atem,
wohlbehütet im finsteren Grunde,
ruht immerdar dein Garten.
Kehre ein, mein Geist ist frei,
auf das es gibt keine Macht, die uns entzwei.
Borge mir Leib und Seele nun.
Kenne den Preis,
in deinen Armen werde ich ruhn.“
Um seine Hände bildete sich ein grünliches Licht, feine Ranken schlängelten sich um seine Arme und bildeten ein Netz über Xiis Wunde. Ein zarter Windhauch ging durch die Klamm und brachte den Duft von frisch erblühendem Grün des Frühlings mit sich. An einem Ast seines Kopfes erblühte eine strahlend weiße Blume. Als er sie pflückte und an seine Lippen führte wurde sie schwarz. Ohne eine Miene zu verziehen schluckte er die Blüte hinunter und nahm somit das Leid von Xii in sich auf.
Ooku schwankte leicht und das grüne Licht erlosch. Kleine, leuchtende Funken stiegen auf und verschwanden. Die Ranken zogen sich zurück, offenbarten sein Werk.
Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und sah deutlich besser aus, wenn sie auch noch nicht gänzlich verheilt war.
Der Ellydre schluckte träge und flüsterte leise. „Entschuldige, mehr kann ich im Moment nicht für dich tun.“
Xii regte sich unter einem dumpfen Stöhnen und setzte sich auf. Zischend kniff sie ein Auge zusammen und betrachtete das getrocknete Blut an ihrer Seite.
Ihr seid ein Narr. So eure letzten Kräfte zu vergeuden.“
Über Ookus erschöpfte Züge huschte ein Grinsen, er gab einen Laut von sich als müsste er ein Lachen unterbinden.
Ein einfaches Danke hätte mir auch schon gereicht du garstiger Fuchs.“
Lilly lief auf den Rand der Brücke zu und schloss vor Erleichterung einen Moment lang die Augen. Mit beiden Händen fuhr sie sich über das Gesicht und wischte die Tränen fort.
Xii! Ich hatte solche Angst um dich!“
Ihr Bruder kam wieder auf die Beine und funkelte sie zornig an. „Sei bloß still und tu nicht so scheinheilig. Hättest du sie direkt erledigt als du die Zeit dafür hattest, hätte Xii gar nicht erst verletzt werden können. Nicht zu vergessen dass du wertvolle Lebensjahre an Shorana verschwenden wolltest. Hast du es denn jetzt endlich begriffen? Menschen sind schlecht Lilly! Ihre Herzen lassen sich leicht verderben. Willst du etwa jeden wieder zu einem Kind machen, nur um zu hoffen das er in seinem Leben etwas besseres tut? Dein Leben ist nicht unbegrenzt, oder ist es deine Absicht es sinnlos weg zu werfen?“
Stille legte sich für eine Weile lang über den Ort des Gefechtes, dann ballten sich langsam Lillys Hände zu Fäusten.
Xii schwankte ebenfalls noch ziemlich, schaffe es aber sich wieder auf den Beinen zu halten. Ihre mit Fell überzogene Hand legte sie auf Ookus Schulter.
Keine Streitereien jetzt. Wir sollten alle froh sein noch zu leben und Morendras dieser Hexe entrissen zu haben. Bringen wir ihn zurück in den ewigen Hain. Zu den Ellydren, denen er gehört.“
„Morendras gehört niemandem.“
Ungläubige Augen starrten auf Lilly. Bevor jemand etwas auf ihre merkwürdige Äußerung antworten konnte, erhob sie selbst wieder das Wort. „Ooku, du predigst mir immer das Beste für unser Volk zu wollen, das ich es bin die verblendet irgendwelchen Phantasien nachrennt. Aber mittlerweile glaube ich das du den Geist unserer Vorfahren vergessen hast.“
Mit fester Hand zeigte sie auf das Loch im Fels, indem Shorana verschwunden war.
Du hast sie getötet. Werden damit all die Menschen in Tion wieder lebendig? Macht was irgendwas wieder ungeschehen, was sie getan hat? Auch in hundert Leben hätte Shorana das nie wieder gut machen können, glaubst du das weiß ich nicht?
Aber wieso soll sie denn keine zweite Chance bekommen? Ich wollte auf sie acht geben und mit in unseren Hain nehmen. Wir hätten sie so viel lehren können, und zeitgleich sähe unser Volk das ein Zusammenleben mit Menschen nicht unmöglich ist, das nicht alle schlecht sind, und das wir uns nicht länger vor ihnen verstecken müssen.“
Fassungslos schüttelte Ooku den Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch sein blondes Haar.
Ich kann nicht glauben was du da sagst. Bist du noch bei sinnen? Lilly du kannst diese Welt nicht verbessern, indem du einfach nur ganz fest dran glaubst? Hast du etwa vergessen was sie uns angetan haben? Was sie unserem Vater angetan haben? Das kannst du nicht. Du hast es mit eigenen Augen gesehen!“
Philipp ging dicht an Lilly heran und rammte seine Schwertspitze in den Boden.
Du scherst uns schon wieder alle über einen Kamm! Ja, es gibt schlechte Menschen, da scheint es keinen Unterschied zu geben ob sie auf der Erde oder auf Davasuum leben, aber es gibt auch Menschen die nicht aufgehört haben, an das gute zu glauben das in uns ist.
Lilly und du, ihr seid beides Ellydren, und doch verschieden wie Tag und Nacht. Ihr seid auch nicht alle gleich.“
Wütend machte Ooku einige Schritte zurück ohne den Menschen aus den Augen zu lassen, er würde der nächste sein der in dem Erdloch verschwand, doch jemand packte sein Handgelenk.
Er sah in die hellblauen Augen der Janama, die nur langsam den Kopf schüttelte.
Er ist es nicht wert. Du hast nicht genug Kraft dazu. Außerdem würde dir das deine Schwester nicht verzeihen. Lass uns zurück in den Hain gehen und mit der Hüterin sprechen. Sie wird entscheiden was zu tun ist.“
Lilly wirbelte herum und ging mit langen Schritten auf den Stab Morendras zu. Langsam beugte sie sich zu ihm hinab und umfasste ihn mit beiden Händen. Ehrfürchtig strichen ihre Finger über das knorrige Holz.
Ein warmes Gefühl durchströmte ihr Herz, bis in die letzte Faser. So langsam, als wäre die Welt um sie eingefroren, erhob sie sich und betrachtete die klaren Bernsteine.
Morendras hat damals Artham zu sich gerufen. Einen Menschen. Sein Herz war voller Respekt für die Natur und jedes Leben. Sie wollte ihm das Geschenk ewigen Lebens machen, aber Artham lehnte ab.
Durch ihre Vereinigung enstanden wir Ellydren.“
Mit einem Ruck drehte sie sich herum, dabei fiel ihr Blick auf das Buch das Shorana hatte fallen lassen. Ohne zu zögern hob sie es auf und drückte es an sich, dann ging sie wieder an den Rand der Brücke und sah zu Ooku und Xii hinüber.
Niemand will an diese Legende glauben, weil sie vielleicht wahr sein könnte. Denn es bedeutet das wir alle zur Hälfte Menschen sind. In unseren Adern fließt nicht nur die Essenz Morendras, sondern auch das Blut Arthams.
Wie viel von den alten Legenden wahr ist oder nicht, es spielt keine Rolle.
Welche Form das Leben annimmt, spielt keine Rolle. Menschen, Ellydren, Janama, Schattenelfen und so viele mehr, wir sind alle gleich. Nur weil wir anders aussehen oder eine andere Kultur haben, an etwas anderes glauben, macht uns noch lange nicht zu etwas besserem.
Wir alle sind ein Teil dieses Lebens. Lieben, weinen, lachen und hoffen auf die gleiche Weise.
Genau das wollte Morendras mir zeigen als sie mich in diese fremde Welt geschickt hat. Das weiß ich einfach. Ooku, mir geht es nicht darum das Leben unseres Volkes dafür zu riskieren, damit sie ihr stures Denken ablegen.
Ich will das wir unseren Pfad wieder finden. Das wir das Leben bewahren, egal in welcher Form. Das wir wieder lernen wie facettenreich das Leben sein kann.“
Sie streckte ihren Arm, mit dem sie Morendras hielt, zur Seite aus ohne den Blick von ihrem Bruder zu nehmen. Philipp, der direkt neben ihr stand, sah verwundert auf den Stab.
Xii spürte wie Ookus Arm vor Zorn begann zu zittern, sie konnte selbst nicht glauben was sie da hörte. Das Lillys Fanatismus in ihren Glauben in das Gute so weit ausgeprägt war.
Lilly! Macht keine Dummheiten! Wir haben die ganze Zeit zu euch gehalten, nun wird es Zeit euren Dickkopf abzulegen. Wir suchen einen Weg euch hier herüber zu bekommen und dann gehen wir zu der Hüterin. Niemand außer ihr kennt Morendras am besten, sie wird jedem von uns zuhören und wissen was richtig und was falsch ist.“
Lilly stieß das Ende des Stabes fest auf den Boden und stemmte die andere Hand in die Hüfte.
Philipp, halt dich an Morendras fest.“ Nach kurzem Zögern tat er, was sie ihm geraten hatte und umfasste mit einer Hand den Stab. Xii und Ooku zogen beide scharf die Luft ein und riefen ihr immer wieder zu sie soll den Stab weglegen.
Lilly wusste genau was sie tat, dennoch brach es ihr das Herz sich gegen ihre beste Freundin zu stellen und ihren Bruder. Sie wusste, die beiden wollten ihr nur gutes, aber das war nicht der Weg den sie gehen wollte.
Vergebt mir. Aber ich kann nicht zulassen das wir immer weiter in einer Illusion von einer heilen Welt leben und den Rest sich selbst überlassen. Dafür habe ich schon zu vieles riskiert und mitgemacht.
Ich werde wieder kommen wenn ihr eure Meinung geändert habt.“
Lilly schloss ihre Augen und wünschte sich im Stillen von Morendras sie wieder zurück in Philipps Heimat zu schicken, und hoffte das ihr Wunsch erneut, erhört werden würde.
Die Bernsteine begannen zu leuchten und ein heftiger Wind zerrte an ihr, ein Lächeln umspielte ihre Züge. Sie war erhört worden. Der Wind übertönte die wütenden Schreie von Xii und Ooku, trug sie von dannen bis sie ganz verstummten.
Der Boden unter ihren Füßen verschwand und Philipp krallte sich bereits mit beiden Händen an dem Stab fest.
Schwärze hüllte sie ein, da Gefühl in die Unendlichkeit zu fallen war unerträglich. Blitze ohne Donner in allen Farben tanzten um sie herum und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.

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