Fachidiot 6. Kapitel Teil 4

Philipp hielt Morendras fest in beiden Händen, an der Seite seiner Stirn klebte frisches Blut und lief an seinem Gesicht hinab.
Ooku hatten gerade den letzten Flammenwächter dort hin geschickt wo er hin gehörte, und atmete erleichtert auf als er sah wie Shorana der Stab entrissen wurde.
Ihr glaubt ich lasse mich von solch mickrigen Wesen wie euch besiegen? Nichts als kleine Würmer seid ihr die ich zerquetschen werde.“
Unter einem lauten Lachen ballte Shorana ihre Kraft in beiden Händen, mit ihrem Feuer würde sie die lästigen Ranken einfach verbrennen. Rasch wurde aus ihrem Lachen ein entsetzlicher Schrei. Lillys Ranken hatten sich noch fester um ihre Arme geschraubt, kleine Dornen schossen hervor und bohrten sich in ihre Haut. Ein Nervengift betäubte die Hexe blitzschnell.
Du verdammte kleine Made! Ich werde dir die Haut in kleinen Streifen vom Fleisch ziehen!“
Shorana, es spielt für mich keine Rolle wer dir in deinem Leben so viel Leid zugefügt hat, das du solch einen Hass gegen die Menschheit hegst. Aber ich werde dir nicht durchgehen lassen dass du all die unschuldigen Menschen in Tion dem Leben entrissen hast. Auf so sinnlose Weise, nur um uns hier in deine Falle zu locken, und das du meine Freunde verletzt hast.“
Von ihrem Kinn tropfte der Schweiß und ihr ganzer Leib bebte vor Anstrengung, sie würde der Hexe nicht mehr lange stand halten können, doch genau dies beabsichtigte sie auch gar nicht.
Menschen können grausam sein. Doch keiner ist wie der andere. Es gibt so viele schöne Eigenschaften an ihnen. Erinnere dich, das du selbst einer von ihnen warst.“
Die Qual in ihren Zügen ebbte ab, sie lächelte voller Zuversicht und Güte.
Was du getan hast, kann ich dir nicht verzeihen Shorana, niemals. Nichts kann ungeschehen gemacht werden, aber ich möchte das du Gutes über diese Welt bringst, mehr Gutes als du Schlechtes getan hast.“
Langsam schlossen sich ihre Augen und sie setzte zu einem Singsang an, der jedem der es hörte, das Herz schwer werden ließ.
Bin kein Henker, bin kein Richter,
bin kein Schenker, kein Vernichter.
Kann es nicht nehmen, ohne zu geben,
alles worum ich bitte, ist dein Segen.
Leih mir Gabe und Verstand,
zeige was uns einst verband.
Verblasse Erinnerung und Wissen,
tiefe Leere hinterlässt kein Vermissen.
Schuld ist es die bleibt,
nun und für alle Zeit.
Drum verschließe sicher und fest,
das Herz für des Lebens Rest.“
Philipp hielt noch immer mit beiden Händen Morendras fest und war bereit ihn jeder Zeit zu nutzen um dieser verfluchten Hexe den Schädel einzuschlagen. Sein Kopf dröhnte und ihm war noch immer als würde jemand versuchen ihn in die Benommenheit zu zerren, aber er würde Lilly diesen Kampf nicht alleine austragen lassen.
Plötzlich drangen panische Rufe an sein Ohr und er sah zu dem erschrockenen Gesicht von Ooku hinüber. Er rief Lilly zu, sie solle sofort aufhören. Auf und ab laufend versuchten sie eine Möglichkeit zu finden den riesigen Spalt zu überbrücken, aber für einen Sprung war es viel zu weit.
Ooku überlegte ob die Baumseele ihn nicht rüber werfen könnte, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war das er es schaffte, am liebsten würde er das Risiko eingehen um seine Schwester von der Dummheit die sie gerade begann, abzuhalten.
Er könnte sie mit einem Windstoß oder einem Schwarm Insekten aufhalten, aber er wollte auch nicht riskieren das Shorana diese Situation für einen Gegenangriff nutzte.
Lilly sang immer weiter die traurige Melodie von vorn, ihre Ranken leuchteten in einem grünen Licht und überall bildeten sich kleine weiße Blüten. Shoranas wütende Schreie waren verstummt, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Körper zuckte unkontrolliert.
Ooku nagte auf seiner Unterlippe herum und verfluchte seine Schwester. Er schrie über das tosende Wasser hinweg.
Philipp! Töte Shorana! Egal wie, aber beeile dich. Lilly wendet einen Zauber an der Shorana die Lebenszeit die sie bereits gelebt hat, entzieht. Für jedes Jahr das sie ihr nimmt, gibt sie eines ihres eigenen Lebens her.“
Philipp verstand erst nicht was Ooku damit meinte, aber als er in das Gesicht von Shorana sah, traf es ihn wie einen Schlag. Es war viel jünger geworden und schien es auch noch immer zu werden. Lilly würde sie wieder zu einem Kind machen und all die Jahre die sie Shorana wieder neu schenkte, verbrauchte sie von ihrer eigenen Lebenszeit.
Er ließ Morendras fallen und lief zu dem Schwert das nur wenige Meter entfernt lag.
Klirrend zog er die Spitze über den Boden als er Anlauf nahm, er dachte nur darüber nach das er Lilly retten wollte, und dafür würde er alles tun.
Die Ellydre riss die Augen auf als Philipp zu seinem Schlag ausholte. „Nein! Hör auf damit!“
Lilly löste die Ranken die Shorana gefangen hielten und machte blitzschnell einige Gestiken mit ihren Händen. Philipp konzentrierte sich auf den Nacken der Hexe und biss die Zähne fest zusammen, doch nur einen Augenblick bevor die Klinge sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, traf sie auf einen festen Wall aus Ranken die vor ihm in die Höhe schossen.
Einige Zentimeter grub sich sein Schwert hinein und blieb stecken. So sehr er sich auch bemühte, er bekam es nicht mehr frei.
Shorana nutzte ihre Gelegenheit und riss sich von den letzten paar Ranken los die sie noch an Ort und Stelle hielten, der Riemen des Bündels das sie trug blieb verheddert. Sie zerrte so fest daran das die Naht riss und der Inhalt zu Boden ging.
Ein in Leder gebundenes Buch fiel heraus, an vielen Stellen war es sichtlich abgegriffen, an den Ecken waren kleine Winkel aus Silber angebracht. Ein triumphierendes Grinsen lag auf ihren Zügen, während sie sich nach dem Buch bückte.
Danke für die kleine Verjüngungskur! Auch wenn du auf mich nicht den hellsten Eindruck gemacht hast, hätte ich nie gedacht das du so dumm sein kannst!“
Lilly weitete vor Schreck die Augen und keuchte auf, ihre Knie waren weich wie Butter in der Sonne, doch sie hielt sich mit letzter Kraft weiter auf den Beinen.
Philipp. Was hast du getan!? Ich wollte ihr die Unschuld eines Kindes wieder geben, damit sie noch einmal von vorne anfangen kann. Ich wollte ihr die Gelegenheit geben alles wieder gut zu machen...“
Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du kannst doch nicht deine Lebenszeit für jemanden her gebend er ein ganzes Dorf ausgelöscht hat! Sie hat ein schlechtes Herz, das kannst du auch nicht ändern wenn du sie wieder jung machst.“
Shorana leckte sich über die Lippen vor freudiger Erregung, sie hätte fast alles verloren, aber dank dieser Ellydre fühlte sie sich wie neu geboren.
Einen Schritt trat sie nach vorn und schlug das Buch auf, eilig blätterte sie ein paar Seiten weiter. Sie wusste, diese Welt würde schon bald ihr gehören. Dann könnte sie ihren Meister herbei rufen und er würde ihr endlose Macht und ein unsterbliches Leben schenken, ganz so wie er es ihr versprochen hatte.
Shorana setzte mit ihrem zweiten Fuß auf und ein violettes Hexenfeuer tanzte um ihre Finger, ein groteskes Grinsen überzog ihr gesamtes Gesicht. Diese Maden waren mit ihren Kräften am Ende, es würde für sie ein Hochgenuss sein ihre Schreie über Stunden zu hören. Sie senkte ihren Blick und las etwas in einer fremden Sprache vor.
Noch bevor sie noch einen weiteren Schritt machen konnte geriet sie ins Stocken. Irgendetwas hatte sich um ihr Bein gewickelt und hielt sie fest an ihrem Knöchel. Es war eine Wurzel, so dick wie ihr Oberarm, ganz anders als das Rankengeflecht von vorhin.
Mit einem Ruck hob sie den Kopf, Lilly starrte ebenfalls auf die Wurzel und weitete die Augen als sie die Magie erkannte.
Shorana hatte den zweiten Ellydren vergessen und sah auf die andere Seite der Brücke. Statt die verwundete Janama zu heilen, war er den Rest der Brücke weiter gelaufen bis er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Dort kniete er nieder und drückte beide Handflächen fest auf den felsigen Untergrund.
Jeder Muskel seines Körpers war angespannt, sein hasserfüllter Blick hatte sich auf die Hexenmeisterin gerichtet. Er stieß einen Schrei aus und presste seine Hände noch fester auf den Boden, plötzlich zerbarst der Grund unter dem Shorana stand und noch mehr Wurzeln schossen hervor. Sie umschlangen ihren Körper bis zur Hüfte in nur einer Sekunde.
Gerade als sie das Hexenfeuer auf eine der Wurzeln schleudern wollte, hatte eine von ihnen ihren Arm gepackt. Ein lautes Knacken und ein entsetzlicher Schrei verkündeten den Bruch ihres Knochens. Das Buch glitt aus ihrer Hand, und kam mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Bis hinauf zu ihrem Kinn wickelten sich die Wurzeln. „Nein! Nein! Du verdammter Wurm! Ich werde dich...“
Ookus Stimme donnerte über das tosende Wasser und Shoranas wütende Schreie. „Du wirst gar nichts mehr! Ich bin nicht so gnädig wie meine kleine, naive Schwester! Du wirst jetzt dahin geschickt wo du hin gehörst.“
Die Wurzeln schienen zu pulsieren, der Fels um sie herum bekam Risse und Gesteinsbrocken schoben sich in die Höhe. Die Wurzeln begannen sich ins Erdreich zurück zu ziehen und zogen Shorana mit sich.
Lilly machte einen Satz nach vorn und rannte auf Shorana zu. „Hör auf damit!“
Ihr Freund aus einer anderen Welt bekam ihr Handgelenk zu fassen und zerrte sie zurück. So sehr sie es auch mit ihrer verbliebenen Kraft versuchte, sie konnte sich nicht losreißen und musste hilflos mitansehen wie die vor Zorn schreiende Hexenmeisterin in das Erdreich gezogen wurde. Ihre grausamen Augen bohrten sich voller Hass in Lillys Herz. Ein Blick den sie nie vergessen würde.
Wo sie noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte klaffte nun ein tiefes Loch im Fels. Überall war der Grund von Rissen durchzogen.
Tränen sammelten sich in Lillys Augen. An diesem frühen Tag hatten schon so viele Menschen sterben müssen, sie hatte genug vom Tod gehabt und wollte Leben schenken.
Ihr Kopf war wie in Watte gehüllt, nur leise drang die Stimme nahe ihres Ohres, zu ihr durch. „Sieh dich doch nur mal um! Denk darüber nach was sie getan hat, und noch tun wollte. Du kannst nicht jeden retten. Was wenn sie ihr Leben neu begonnen hätte, aber wieder nur Unheil brächte?“
Lilly blinzelte und sah hoch in Philipps Gesicht, ihre Knie hatten nachgegeben ohne das sie es merkte. Stumme Tränen rollten an ihren Wangen hinab.
Ihr Blick folgte seinem Fingerdeut. Dort wo die Baumseele verbrannt war, zeugte nur noch ein kleiner Haufen Asche von der grässlichen Tat. Der Boden hatte sich schwarz gefärbt und überall sah man verhärtete Lavabrocken, die letzten Zeugen dass vor wenigen Minuten noch Flammwächter hier getobt hatten.
Auf der anderen Seite der Brücke war das Chaos noch viel schlimmer. Ihre beste Freundin und Leibwache Xii lag regungslos da. Hinter ihnen in dem ruhigen Tal lag eine Stadt der Toten. All das war das Werk von Shorana gewesen.
Ooku hatte Mühe wieder auf die Beine zu kommen und schleppte sich zu der Janama hinüber. Eine Hand legte er Behutsam auf ihre Schulter. Erleichterung machte sich breit als sie sich rührte und kraftlos einen Spalt die Augen öffnete.
Shorana...“
Es ist vorbei Xii. Sie wird niemandem mehr ein Haar krümmen. Lilly geht es auch gut. Jetzt entspann dich.“

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