5.Kapitel
Minuten
verstrichen so zäh wie Stunden, seine Beine schmerzten schier
unerträglich und mit wachsender Gewissheit würde er bald den Kampf
gegen die Müdigkeit verlieren.
Lilly
warf einen Seitenblick auf Philipp als sich die kleine Laterne, die
Mervan ihm überlassen hatte, immer weiter senkte und kaum mehr den
Sinn erfüllte, ihm den Weg zu leuchten.
Für
die Ellydre war das sehen in der Dunkelheit erschwert, aber nicht
unmöglich wie bei einem Menschen.
Vorsichtig
griff sie nach seiner Hand, er war zu erschöpft und müde um sich
davon zu befreien.
„Philipp,
halte noch ein wenig durch ja? Wenn wir die Spur der Faulvaruls
gefunden haben, dann legen wir eine Rast ein und du kannst schlafen.
Wir müssen nur einen sicheren Platz finden.“
Mehr
als ein Brummen bekam sie nicht als Antwort.
Nur
wenige Augenblicke später huschte eine vertraute Gestalt durch die
Schatten der Bäume auf sie zu. Das rötliche Fell von Xii schimmerte
im sanften Mondlicht das durch die Baumkronen der kleinen gelben
Blätter fiel.
Sie
sprach zu den Beiden ohne das sich ihr Mund bewegte. Ihre Stimme
hallte in ihren Köpfen wieder.
„Ich
habe die Stelle gefunden, und sogar eine deutliche Spur. Was auch
nicht ganz schwierig war bei dem Gestank den diese Bestien
hinterlassen haben.
Wir
sollten uns beeilen, sie haben schon einen großen Vorsprung.“
Ihre
eisblauen Augen richteten sich auf Philipp gerade als Lilly das Wort
ergriff.
„Nein,
wir sollten erst eine Pause einlegen. Philipp und ich sind erschöpft.
Lass uns nur ein paar Stunden schlafen Xii.“
Der
weiche Fuchsschwanz peitschte wild von links nach rechts und ein
leises Knurren war aus ihrer Kehle zu vernehmen, ganz offenbar gefiel
Xii der Vorschlag nicht mal ansatzweise.
„Du
meinst wohl der Mensch ist erschöpft. Ich sehe nicht ein, wegen ihm
Zeit zu verschwenden! Er kann hier irgendwo in einem Versteck bleiben
und warten bis wir Morendras zurück bekommen haben.“
Nun
war es Lilly die ihre Brauen zornig zur Mitte ihrer Stirn hin
zusammen zog und einen Schritt nach vorn machte.
„Auch
ich bin erschöpft. Ich habe kaum noch Kraftreserven ohne das
Sonnenlicht, nicht einmal Glühwürmchen könnte ich so im Moment
herbei rufen. Außerdem hast du schon vergessen was Mervan sagte? Was
wenn seine Vermutung stimmt und wir auf einen Hexenmeister oder
schlimmeres treffen. Kein Faulvarul würde grundlos ernstes Interesse
an Morendras haben. Wenn es zu einem Kampf kommt, haben wir kaum
Chancen.“
Dann
nahm sie wieder Philipp an die Hand und funkelte ihre Leibwache noch
wütender an.
„Außerdem
lasse ich ihn hier nicht einfach schutzlos zurück.“
Die
Beine von Philipp waren seinem Geiste schon einen Schritt voraus, sie
gaben nach, und der junge Mann ließ sich auf den Hosenboden fallen.
Der Waldboden war nicht so angenehm weich wie er vermutet hatte. Es
spielte keine Rolle mehr. Neben sich machte er einen umgefallenen
Baumstamm aus und ließ sich dagegen sinken. Sollten die beiden doch
diskutieren bis sie schwarz wurden, derweil würde er einfach
schlafen, und morgen früh ganz sicher wieder Zuhause in seinem
weichen Bett aufwachen.
Das
letzte was er hörte war das laute Fauchen von Xii die sich noch eine
Weile eine angeregte Diskussion mit Lilly lieferte.
Wilde
Träume hatten ihm einen unruhigen Schlaf beschert, und noch bevor er
einen klaren Gedanken fassen konnte, nahm er die unwillkommenen
Eindrücke seiner Umgebung wahr. Zwitschernde Vögel, das Rauschen
von Blättern im Wind und der unverwechselbare Geruch von Wald. Seine
Augen wollte er gar nicht öffnen, denn sie würden ihm nur
bestätigen dass seine Gebete nicht erhört worden waren, er befand
sich nicht in seinem Bett. Er war nicht Zuhause, nein, er war
irgendwo in einer gottverlassenen Welt in einem gottverlassenen Wald,
und er hatte keine Ahnung wie er wieder zurück auf die Erde gelangen
sollte.
Ein
leises, beruhigendes Summen drang an sein Ohr, noch immer machte er
keine Anstalten seine Augen zu öffnen. Lieber tat er das, was er in
seinem heimischen Bett in solchen Dämmerphasen immer tat. Sich noch
einmal herum zu drehen.
Eine
Schmerzenswelle jagte die nächste, er wusste gar nicht welcher
Knochen und welcher Muskel in seinem Leib nicht weh tat.
Unbewusst
musste er vor Leid seines geplagten Körpers gestöhnt haben, denn
das Summen verstummte.
Ganz
zögerlich öffnete er doch die Augen, nahm dafür all seinen Mut
zusammen, und bereute es zugleich.
Seine
Brille war etwas verschoben, aber nicht so viel, dass er das Bild das
sich ihm bot, nicht deutlich erkannt hätte.
Lilly
kniete nur wenige Meter von ihm entfernt auf dem Waldboden, inmitten
eines Kreises aus Sonnenlichts welches durch das Blätterdach brach.
Ihre Arme waren zu beiden Seiten ausgebreitet. Nichts was schlimm
gewesen wäre, wenn doch nur die Tatsache nicht bestünde, dass sie
vollkommen nackt war. Als wäre das ganze nicht schon schrecklich
genug, bemerkte sie das er wach wurde und sprang freudig auf die
Beine. Hastig lief sie die wenigen Schritte zu ihm hinüber. Noch
bevor sie ihn erreichte, stützte er sich mit seinen Armen auf dem
umgefallenen Baumstamm ab und drückte sich in die Höhe.
„Halt
du Verrückte! Bleib mir ja vom Leib! Gott, wie oft soll ich dir noch
sagen du sollst nicht ständig nackt vor mit herum tänzeln! Das ist
ja grässlich.“
Panisch
versuchte er noch mehr Distanz zwischen sie und sich zu bringen, und
purzelte somit rücklings von dem Baumstamm herunter. Stöhnend vor
Schmerzen hielt er sich den Kopf und wünschte sich nichts mehr als
dass dieser Alptraum endlich endete. Die Ellydre umfasste seine
Unterschenkel die noch auf dem Stamm lagen und reckte das Kinn hervor
um nach dem Rechten zu sehen.
„Phil?!
Was machst du denn da? Geht es dir wieder besser?“
Als
der arme Bursche es wagte nach oben zu sehen, schlug er sich sogleich
beide Hände vor das Gesicht und brüllte ihr wütend entgegen.
„Lilly!
Zum letzten Mal, pack deine Brüste ein! Das hält man ja nicht aus!“
Was
der Mensch nur immer für Probleme hatte verstand sie einfach nicht.
Die Frauen in seiner Welt sahen doch nicht anders aus. So hässlich
konnte sie auch nicht sein das er den Anblick nicht ertragen konnte.
Wie
immer ließ sie sich von ihm nicht die gute Laune verderben und
sprang zurück in die Wärme der Sonnenstrahlen, mit einem Lächeln
auf den Lippen schloss sie die Augen und trällerte fröhlich.
„Schon
passiert! Aber nochmal werde ich eure menschliche Kleidung nicht
anziehen! Jetzt wo ich meine Kräfte wieder habe.“
Philipp
rappelte sich langsam auf und wagte einen Blick über den kleinen
Sichtschutz hinter den er gefallen war. Lillys Körper war hier und
da mit Ranken umschlungen, überall verdeckten die verschiedensten
Blätter gekonnt die Stellen, wo er um Verschleierung gebeten hatte.
Auf ihrer linken Hüfte erblühte sogar eine gelbe Blume, noch nie
hatte er auf den Zügen der Ellydre ein solch glückliches Lächeln
gesehen.
„Seid
ihr beiden jetzt endlich fertig? Wir müssen los!“
Xii
stand mit verschränkten Armen an einem nahe gelegenen Baum und
funkelte die Nervensägen zornig an. Ihr buschiger Schwanz zuckte
nervös umher.
Philipp
räusperte sich laut und richtete seine Brille während er sich auf
die Beine quälte. Noch wusste er nicht wie er diesen Tag überstehen
sollte, aber was hatte er schon für eine Wahl, hier bleiben und auf
die beiden warten kam überhaupt nicht infrage.
Das
Trio marschierte weiter durch das immer dichter werdende Unterholz,
Philipp ließ den Blick schweifen, in dieser Welt gab es so vieles zu
sehen. Merkwürdige Pflanzen wuchsen neben den seltsamsten Pilzen,
und noch mehr bestaunte er die Insekten die sich hier und da zu
erkennen gaben. Diese Welt Dravasuum schien viele Wunder bereit zu
halten, dennoch wünschte er sich nichts mehr als sie niemals kennen
zu lernen weil er schon bald wieder auf seiner guten, alten Erde
stehen würde.
„Lilly,
diese Ranken und Blätter die an dir... wachsen, gehört das zu dem
Symbiont in deinem Körper von dem du mir einmal erzählt hast?
Kannst du sie steuern?`“
Das er solches Interesse zeigte, ließ sie sofort in Hochstimmung geraten, sie hob eine Hand und die feinen Ranken um ihre Finger begannen sich zu schlängeln und zu winden.
Das er solches Interesse zeigte, ließ sie sofort in Hochstimmung geraten, sie hob eine Hand und die feinen Ranken um ihre Finger begannen sich zu schlängeln und zu winden.
„Ja!
Das hast du gut erkannt. Hier in unserer Welt habe ich meine
Verbindung zu ihm wieder, das hier ist sozusagen meine wahre
Gestalt.“
Stolz
deutete sie auf die Äste die auf ihrem Kopf wuchsen.
„Bis
zu einem bestimmten Grad kann ich die Eigenschaften die er mir
verleiht beeinflussen.“
Eigentlich hatte Philipp beabsichtigt sie zu fragen ob sie ihn dann nicht dazu bringen könnte ihren Körper noch mehr zu verhüllen, aber er merkte wie froh sie war und auch das sie einen gewissen Stolz ausstrahlte das er es dabei beließ.
Eigentlich hatte Philipp beabsichtigt sie zu fragen ob sie ihn dann nicht dazu bringen könnte ihren Körper noch mehr zu verhüllen, aber er merkte wie froh sie war und auch das sie einen gewissen Stolz ausstrahlte das er es dabei beließ.
Wie
viele halbnackte Frauen konnte ein junger Mann, in der Blüte seines
Lebens, um sich herum eigentlich ertragen? Zwei sollten noch im
Grünen Bereich liegen.
„Sag
mal, der Kommandant der Soldaten nannte Xii eine Janama. Was ist
das?“
Mit einem Finger deutete er auf Lillys Leibwache die mit großen Schritten einige Meter voraus ging. Ihre Ohren zuckten und sie blickte über die Schulter hinweg zu Philipp.
Mit einem Finger deutete er auf Lillys Leibwache die mit großen Schritten einige Meter voraus ging. Ihre Ohren zuckten und sie blickte über die Schulter hinweg zu Philipp.
„Hör
auf ständig Fragen zu stellen über Dinge die dich nichts angehen.
Wenn wir uns heute Morendras wieder beschaffen, wirst du wieder in
deine Welt gehen und wirst sowieso nichts von all dem Wissen haben
was du hier erfragst. Du verschwendest nur deinen Atem.“
Ohne
auf die Nettigkeiten von Xii einzugehen, tippte sich Lilly auf die
Unterlippe und runzelte nachdenklich die Stirn.
„Um
es für dich am verständlichsten zu erklären, könnte man sie als
eine Art Tiergeist bezeichnen. Janama sind Seelen die in unsere Welt
gelangen weil sie eine Aufgabe zu erfüllen haben, sie tauchen in den
verschiedensten Tiergestalten auf, keiner ist wie der andere. Welche
Aufgabe sie zu erfüllen haben, wissen sie nicht, sie müssen suchen
bis sie denken sie gefunden zu haben.“
Eine
scharfe Stimme schnitt durch ihren Verstand.
„Meine
Aufgabe ist es Euren Verstand einst zum denken anzuregen. Gut möglich
das mein Dasein ewig währt.“
„Wenn
sie die richtige Wahl getroffen haben, und ihre Pflicht erfüllt ist,
verlassen sie diese Welt wieder.
Bei
der falschen Wahl, müssen sie weiter suchen, bis sie ihre richtige
Aufgabe gefunden haben.“
Philipp
sah seine Freundin aus dieser fremden Welt skeptisch an und breitete
seine Hände zu einer fragenden Geste aus.
„Wer
schickt sie denn auf diese Missionen?“
Die
Ellydre hob ahnungslos ihre Schultern. „Was geschieht mit eurem
Bewusstsein wenn ihr sterbt? Gibt es einen Gott, ein Paradies und die
Hölle? Genauso wenig wie ihr Antworten auf diese Fragen habt, haben
wir keine auf die unseren.“
„Verstehe.
Was mir aber nicht ganz schlüssig erscheint, wieso werden sie auf
diese Welt gesandt, um eine ihnen völlig unbekannte Aufgabe zu
erfüllen, nur damit sie sterben dürfen. So ist es doch, oder habe
ich das falsch verstanden?
Sie
vollbringen quasi etwas gutes, und werden bestraft.“
Lillys
Blick wurde ausdruckslos und huschte sofort zu Xii. Sie war zu
langsam.
Eine
Hand, bedeckt mit schwarzem Fell, schnellte aus bläulichem Dunst
nach vorn, und schloss sich um Philipps Kehle. Dieser wusste gar
nicht wie ihm geschah, bevor er reagieren konnte baumelten seine Füße
bereits in der Luft. Er starrte hinab in Augen aus kaltem Eis.
„Du
stellst zu viele von den falschen Fragen. Mensch. Gerade ziehe ich es
in Betracht meinen Schwur für dich zu brechen.“
Eine
Hand legte sich behutsam auf Xiis Oberarm, mit dem sie Philipp in die
Höhe hob.
„Hör
auf damit, er konnte es doch nicht wissen. Bitte, habe etwas
Nachsicht.“
Nach
einem kurzen Augenblick des Zögerns öffnete sie ihre Klaue wieder
und Philipp landete hustend auf dem Boden.
Erschrocken
hielt er sich den Hals und stolperte ein paar Schritte zurück.Unter
abflauendem Husten blaffte er Xii an.
„Du
bist doch irre! Was stimmt eigentlich nicht mit dir?“
Lilly
trat einen Schritt an ihn heran und hob beschwichtigend die Hände.
Auf ihrem Gesicht lag ein bedauerndes Lächeln.
„Es
ist ein empfindliches Thema. Wir sollten es dabei belassen. Als
Mensch, der ohne die Berührung von Magie lebt, kannst du das nicht
verstehen. Vielleicht hat Xii Recht, und du musst das alles auch gar
nicht verstehen. Mit etwas Glück finden wir heute noch Morendras und
kannst auf die Erde zurück kehren.
Konzentrieren
wir uns auf die Suche nach den Faulvaruls.“
Philipp
rappelte sich wieder auf, wütend blinzelte er die beiden Frauen an
und marschierte mit langen Schritten an ihnen vorbei. Lillys
Vorschlag kam ihm gelegen, nichts lieber als das.
Den
ganzen Tag marschierte das Trio durch die malerischen Wälder des
Königreiches Nawenn gen Norden.
Nur
selten nahmen sie eine kurze Rast ein, wenn sie einen Flusslauf
fanden oder einige Früchte mit denen sie sich stärken konnten. Je
weiter sie in die Tiefen der Wälder vordrangen, desto dichter wurde
das Unterholz.
Anfangs
mussten sie Umwege in Kauf nehmen um den Siedlungen der Gegend
auszuweichen. Nun aber stießen sie auf keine anderen Menschen mehr,
denn sie näherten sich immer weiter den Sümpfen der Verbannten.
Einem Ort, den jeder Mensch mied.
Auch
Xii und Lilly wurden immer angespannter und schweigsamer, sie hatten
gehofft die Faulvaruls einzuholen, noch bevor sie diesen verfluchten
Ort erreichten.
Philipps
Rücken jagten kalte Schauer hinunter, immerzu hielt er Ausschau nach
Augen die ihn zu beobachten schienen.
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