Fachidiot 2. Kapitel Teil 5

Ganz bewusst erst jetzt drückte eine kleine Pfote den roten Knopf auf der Fernbedienung und der Bildschirm wurde in eine bedrückende Schwärze getaucht.
Seht Ihr warum wir die Menschen meiden? Es macht keinen Unterschied auf welchem Planeten sie leben, sie gehen immer über Leichen um mehr und mehr Macht zu bekommen. Habt Ihr jetzt endlich gesehen was Ihr herausfinden wolltet und wir Euch schon euer ganzes Leben lang beibringen zu versuchen?“ Bevor Xii ihr noch weiter zureden konnte, brachte Lilly sie mit einer Geste zum Schweigen. Jeder Muskel in ihrem Leib war angespannt und nur mit Mühe gelang es ihr die Tränen zurück zu halten. Sie musste raus hier, Morendras finden und dann diesen Planeten verlassen. Sie hatte zwar nicht das gefunden was sie sich erhofft hatte, aber zumindest die Gewissheit das sie im Unrecht, und die Hoffnung an die sie sich geklammert hatte, eine Lüge gewesen war.
Mit gesenktem Blick erhob sich die Ellydre und verließ das Zimmer durch die Tür. Sie war so durcheinander das sie die Treppe wie in Trance hinunter polterte und Xii Probleme hatte mit ihr Schritt zu halten. Gerade als diese rufen wollte das sie doch auf sie warten sollte, versperrten ihr zwei in Pantoffeln gekleidete Beine den Weg. Rasch huschte sie hinter die Kommode die im Flur stand und linste durch säuberlich aufgereihten Schuhe hindurch zu der Frau. Zum Glück war sie unbemerkt geblieben, aber Lilly eindeutig nicht.
Oh! Ähm... Lilly richtig?“ Erschrocken fuhr sie herum als ihre Fingerspitzen gerade die Türklinke erreicht hatten. Hinter ihr betrachtete eine Frau mit welligen, blonden Haaren sie sorgenvoll und wischte ihre Hände an einem Küchenhandtuch trocken. Kyara hatte als Mutter wohl ausgeprägte Sinne wenn es darum ging Traurigkeit in der Umgebung zu wittern auch wenn die betroffene Person es noch so eilig hatte das Haus zu verlassen. Trotz des dämmrigen Lichtes im Hausflur entging ihr nicht das feuchte Echo einer Träne in dem Gesicht der jungen Frau. Unter einem leisen Seufzen trat sie wenige Schritte näher und schenkte ihrem Gegenüber ein warmes Lächeln. „Keine Ahnung was mein Sohn wieder angestellt hat, aber nimm dir seinen schroffen Ton nicht so zu Herzen Kind. In seinem Inneren ist er ein netter Junge, er war auch mal ganz anders.“
Lillys Füße waren wie angewurzelt, noch immer ruhten ihre Fingerkuppen auf der Türklinke, bereit dieses Haus und die Welt hinter sich zu lassen, auch wenn sie Tag und Nacht nach dem Stab suchen musste. Nach ein paar knappen Atemzügen schüttelte sie den Kopf und die breiten Strähnen die zu beiden Seiten ihres Gesichtes verliefen, baumelten einen Augenblick lang weiter.
Entschuldigen Sie bitte, das ist es gar nicht. Ich...“ Eine warme Hand berührte ihren Unterarm und zog sie langsam und doch bestimmt von der Tür fort. „Na na na. Jetzt komm erst einmal mit mir und trink einen Schluck Tee, das wird dir sicher gut tun.“ Protest war zwecklos, die fürsorgliche Kyara hatte in ihrem ganzen Leben noch keinen Widerstand geduldet und schleppte Lilly in die anliegende, gemütliche Küche. Ein paar frisch gewaschene Teller wurden eilig verstaut bevor sie ihrem Gast eine Tasse duftenden Kräutertees eingoss. Nachdem sie ihr gegenüber an dem kleinen Esstisch Platz genommen hatte seufzte Kyara laut und streckte die Füße weit von sich aus. Erneut bogen sich ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. „Es freut mich wirklich sehr das du hier bist.“
Lilly blinzelte völlig perplex und starrte sie aus fragenden Augen an. „Was?“
Schon eine ganze Weile ist es her das Philipp wieder Besuch mit her gebracht hat. Die meiste Zeit glotzt er nur blöd auf seinen Computer und möchte anscheinend nichts mehr mit dieser Welt hier zu tun haben. Immerhin scheint er sein Studium nicht zu vernachlässigen. Allerdings muss ich mich wohl bei dir für die Unordnung in seinem Zimmer entschuldigen, das ist eine furchtbare Angewohnheit die er sich da angelacht hat.“ Genervt verdrehte die Mutter ihre Augen und nippte an ihrem Tee.
Oh, an seiner Art zu hausen habe ich mich nicht gestört. Sie müssen sich nicht entschuldigen, er ist immer nett zu mir. Auf seine Weise.“ Lilly wollte ihren Blick gerade senken um ihr Spiegelbild in der dampfenden Flüssigkeit zu betrachten als eine Hand vor ihrer Nase herum wedelte.
Du musst dich nicht so förmlich ausdrücken! Es ist ein Saustall und das kann man auch nicht schön reden. Und wenn er nett zu dir wäre, hättest du wohl nicht geweint.“ Bevor Widerspruch eingelegt werden konnte plapperte Kyara einfach weiter. „Phili würde mich steinigen wenn er wüsste das wir hier über ihn reden, aber ich möchte das du weißt das er ein gutes Herz hat, auch wenn er das nicht so gerne zeigt. Habe etwas Geduld mit ihm, er hat eine sehr unschöne Erfahrung mit einem anderen Mädchen gemacht. Sie war alles für ihn und er hat stets das Beste für sie getan, doch sie war nicht sehr ehrlich mit ihm und hat sich hinter seinem Rücken mit einem anderen Kerl getroffen. Leider blieb es nicht bei: einfach nur getroffen. Das hat ihn sehr mitgenommen und seitdem ist seine Art etwas harsch und er vernachlässigt einiges.“ Mit den letzten Worten beugte sie sich über den Tisch und ergriff Lillys Hand um sie leicht zu drücken. „Manchmal tun Menschen grausame Dinge ohne über ihre Folgen nachzudenken, und wenn man verletzt wurde, möchte man nur noch das Schlechte in den Herzen Anderer sehen. Aber man darf deshalb noch lange nicht alle in eine Schublade stecken und denken sie wären gleich. Ich zumindest finde du machst einen guten Eindruck, auch wenn deine Haarfarbe echt abgefahren ist.“ Unter einem lauten Lachen lehnte Kyara sich wieder in ihrem Stuhl zurück und drehte die Tasse in ihren Händen.
Lilly dachte einen Moment lang über ihre Worte nach und probierte derweil einen Schluck des Kräutertees, die Wärme welche sich in ihrem Magen ausbreitete tat ihr gut und sie fühlte sich in der Gesellschaft von Philipps Mutter richtig wohl.
Sogar ihr Lächeln wirkte langsam nicht mehr so traurig. „Ja, auf die Farbe werde ich hier oft angesprochen. Aber sagen Sie... warum tun Menschen diese grausamen Dinge denn erst? Wie kommen sie auf so etwas?“
Auf die Frage folgte ein lautes Scharren als Kyara sich nachdenklich den Hinterkopf kratzte und den Kopf hin und her wog. „Och, aus den verschiedensten Beweggründen. Macht, Geld, einfach das Bedürfnis immer etwas Besseres haben zu wollen als alle anderen. Manchmal vergessen die Leute das in uns allen das gleiche Blut fließt, und das gleiche Herz schlägt.
Aber bei all dem Schlechten dürfen wir auch nie vergessen wie viel Gutes auch in uns steckt.“ Wieder machte sie diese wegwerfende Handbewegung und ihre Stimme wurde wieder sanfter. „Das Leben ist zu kurz um Trübsal zu blasen, nimm ihn an der Hand und geht raus. Unternehmt etwas schönes, habt Spaß!“
Eine dunkle Stimme räusperte sich hinter ihr und als sie über die Schulter blickte, sah sie Philipp im Türrahmen stehen, mit seinem typisch, grimmigen Gesichtsausdruck. „Über was quatscht ihr denn hier? Ich habe dir schon zwanzig Mal gesagt das sie nur eine Studienkollegin ist! Wir haben an einem... Projekt gearbeitet.“
Die Hände in die Hüften gestemmt erhob sich Kyara von ihrem Stuhl und funkelte ihren vorlauten Sohn wütend an. „An einem Projekt gearbeitet was? Und wieso ist dann dieses süße Ding unter Tränen zur Haustür gerannt um zu türmen?
Behandle sie gefälligst vernünftig sonst kannst du was erleben. Ist das klar? Sie macht mir nämlich einen sehr anständigen Eindruck und weinende Mädels dulde ich in meinem Haus nicht!“
Philipp entgleisten seine Züge, voller Überraschen wanderte sein Blick von der mutierten Furie weiter zu dem verblüfften Gesicht seiner Außerirdischen. „Geweint?“
Lilly hob beschwichtigend ihre Hände und gab sich Mühe lockerer zu sein als die Milchzähne einer Sechsjährigen. „Ach das! Es ist schon wieder gut, streitet euch bitte nicht!“ Bevor zwischen Mutter und Sohn noch tatsächlich Funken sprühten, eilte sie auf Philipp zu und bedankte sich herzlich bei Kyara. „Ich danke Ihnen für den Tee und die netten Worte! Diese werde ich mir gut merken und sicher niemals vergessen.“ Sie nahm den Griesgram an der Hand um wieder mit ihm nach oben zu gehen, zum Glück war dieser noch viel zu verwirrt um sich dagegen zu wehren.
Jene die allein in der Küche zurück geblieben war verschränkte die Arme vor der Brust und nickte stolz. Ja sie war sehr zufrieden mit sich selbst.
Das kleine, pelzige Etwas das aus dem Flur die ganze Unterhaltung mitbekommen hatte, war nicht so froh über den Ausgang des Abends. Vielmehr hatte sie darauf gehofft das ihr Schützling nun mit mehr Motivation an die Suche gehen würde damit sie so schnell wie möglich wieder nach Hause zurück kehren konnten.
Die Zimmertür zu dem Saustall schloss sich mit einem leisen Klicken bevor ein erdrückendes Schweigen einsetzte. Lilly setzte sich im Schneidersitz inmitten des Chaos hin und betrachtete Philipp neugierig, der sichtlich mit sich haderte. Schließlich war auch er es der endlich das Schweigen brach, während seine Augen einen Punkt an der Decke fixierten. „Du musst doch nicht gleich weinen... Sorry wenn ich etwas grob war. Im Moment habe ich einfach viel um die Ohren.“
Eigentlich hätte er jetzt ein angebrachtes „Ist schon ok“ oder „Ach wir haben alle mal schlechte Tage“ von ihr erwartet, aber in den letzten Tagen geschah vieles nicht so ganz nach seinem Plan.
Das kannst du wieder gut machen indem du mir meinen Wunsch erfüllst.“ Das freche Grinsen in ihrem Gesicht wirkte völlig untypisch, dennoch ließ es keinen Zweifel offen das die Ellydre das Gesagte absolut ernst meinte. „Du sollst nicht mit mir um die ganze Welt reisen, aber ich möchte ein wenig die Gegend sehen, mir Eindrücke machen und vielleicht finden was ich suche. Im Gegenzug verspreche ich auch mir Mühe zu geben mit deinen Regeln, und das du Zeit genug haben wirst deine wichtigen Dinge zu regeln. Was sagst du?“
Im ersten Moment war er alles andere als einverstanden mit ihrem Vorschlag, doch ein Blick in ihr trauriges Gesicht mit einer zitternden Unterlippe genügte ihm schon vollkommen. Philipp gab sich geschlagen und willigte mit schwerem Herzen ein

Tag um Tag verlor der Kalender und nun waren bereits wenige Wochen vergangen das eine junge Frau und ein grantiger, kleiner Fuchs vom Himmel, mitten in das Leben des Nerds Philipp gefallen waren.
Während er anfangs noch mit bitterem Beigeschmack sein Schicksal eher als eine Last empfand, hatte er sich schon langsam an seine neue Gesellschaft gewöhnt. Mehr oder Weniger. Des öfteren bekam er Gelüste Lilly einfach in der Regentonne vor dem Haus zu ertränken wenn er am Morgen erwachte und sie mal wieder bei ihm in seinem Bett lag. Oder wenn er unachtsam gewesen war und sie wieder einen dieser schmuddeligen Filme geschaut hatte und danach Gelüste bekam das Gleiche mit ihm zu probieren. Natürlich blieb es auch nicht bei der Abmachung das wenn er zur Uni oder zu seinem Arbeitsplatz im Altenheim ging, sie diese Zeit nutzte um den Stab Morendras zu suchen von dem noch immer jegliche Spur fiel.
Viel lieber schlich sie ihm nach und stellte alles auf den Kopf, sodass er ernsthaft überlegte die Stadt oder gar das Land zu wechseln nachdem sie wieder in ihre Welt zurück gekehrt war. Wunderlich betrachtete er sich jeden Morgen im Spiegel und rechnete damit eines Tages weißes, statt dunkelbraunem Haar zu sehen.
Immerhin hielt er sich an seinen Teil der Abmachung und machte regelmäßig Ausflüge mit ihr. Eingestehen das es auch ihm wieder, nach so langer Zeit in seinem Zimmer, Spaß bereitete, würde er natürlich nicht.
Nur die Laune des kleinen Fuchses Xii wollte sich nicht bessern. Es könnte auch damit zusammen hängen das Lilly mittlerweile eine Handtasche organisiert hatte in der ihre Leibwache zu ihrem eigenen Schutz sitzen musste um neugierigen Blicken zu entgehen. Zudem waren Füchse leider in den meisten öffentlichen Gebäuden nicht geduldet.
Dieser Tag war einer von jenen an dem er etwas weiter fort mit ihr gefahren war, und erst am Abend wieder heim kehrte. Alles war wie immer, sie plauderte ihm schon die ganze Rückfahrt die Ohren zu, schwärmte von diesem und von jenem was sie gesehen hatte und er schaltete wie üblich auf Durchzug. Doch als er seinen Schlüssel in das Schloss der Haustür schob und es sich nach der ersten Umdrehung schon nicht öffnen wollte, merkte er das etwas komisch war. Erst bei der zweiten Umdrehung klickte es und die Tür ging auf. Es war abgeschlossen. Dabei war um diese Zeit immer jemand hier.
Nachdem sie eingetreten waren merkte er das die Schuhe seiner Eltern und seiner Schwester nicht im Flur standen, nun gut, waren die drei eben mal ausgegangen, warum auch nicht?
Müde zog Philipp seine Schuhe aus und endlich hörte auch seine Begleiterin auf ständig ihre Worte auf ihn niederprasseln zu lassen. Für einen kleinen Augenblick zumindest. „Phil, was ist das hier? Es blinkt ein rotes Licht, das war sonst nie so. Hat das was zu bedeuten?“ Verwirrt und leicht genervt bezüglich ihrer dummen Frage linste er über ihre Schulter und betrachtete das Telefon. „Das heißt nur das jemand hier angerufen hat als keiner zu Hause war. Vielleicht hat die Person ja eine Nachricht hinterlassen.“ Nachdem er die Taste zum abspielen der Nachricht betätigt hatte lenkten seine Füße ihn in Richtung Küche. Da Ellydren nicht aßen, gönnte sie ihm auch kaum Zeit dazu seine Gelüste zu stillen. Sein Hunger war schlagartig vergessen, seine Füße taten nicht einen Schritt mehr als er aus dem Lautsprecher des Telefons die panische Stimme seiner Mutter vernahm.
Philipp! Wenn du nach Hause kommst mach dich sofort auf den Weg ins Krankenhaus! Louisa wurde von einem Betrunkenen angefahren... Sie... sie macht einfach nicht mehr ihre Augen auf...“ Kyaras Stimme brach und man hörte nur noch lautes Schluchzen, kurz danach gab ihm die ruhige Stimme seines Vaters durch in welchem Krankenhaus sie untergebracht waren und das er bitte vorsichtig fahren soll.
Der Schrecken fuhr ihm durch Mark und Bein, es gelang ihm nicht auch nur einen klaren Gedanken zu fassen bis Lilly ihn an den Schultern packte und kräftig durchschüttelte. „Hey! Hörst du mir zu! Lass uns sofort los! Deine Schwester braucht uns!“ Stotternd brachte er nur ein paar Wortfetzen heraus und hastete in der nächsten Sekunde los zu seinem Auto. Lilly und Xii konnten gerade noch die Tür schließen als er schon mit quietschenden Reifen den Rückwärtsgang einlegte. „Bitte mach langsam! Es hilft uns nicht, wenn dir nun auch noch etwas passiert.“ Besorgt legte sie ihm eine Hand auf seinen Oberschenkel und war deutlich beruhigter als er das Gaspedal nicht mehr all zu feste durchdrückte.
Die ganze Fahrt über brachte er keinen Ton heraus, in seinem Kopf ratterten so viele Gedanken wild durcheinander. Oft hatte er sich mit seiner Schwester in den Haaren und die meiste Zeit sahen sie sich mehr oder weniger nur noch im Vorbeigehen, aber wenn es drauf ankam waren sie immer füreinander da gewesen.
Das Krankenhaus war schnell erreicht und die zwei rannten die letzten Meter zum Empfang. Xiis Kopf wurde von Lilly immer wieder unsanft runter in die Tasche gedrückt, Ärger über den Schmuggel eines Tieres ins Innere war das letzte was sie gerade gebrauchen konnten. Während Philipp sich am Empfang noch kurz nach der Zimmernummer erkundigte ließ die Ellydre ihren Kopf schweifen, sie konnte es nicht erklären aber irgendwas an diesem Ort bereitete ihr tief im Inneren großes Unwohlsein. Eine unsichtbare, kalte Faust ballte sich in ihrem Magen schmerzhaft zusammen. Dieser Ort wirkte auf sie als wolle er sie erdrücken mit all seinem Kummer und Leid.
Die Beiden bahnten sich ihren Weg durch Korridore und Treppen und das komische Gefühl verschlimmerte sich mehr und mehr bis ihr richtig Elend zumute war und die Farbe ihrem Gesicht entwich. Sie wusste das hinter jeder dieser Türen Menschen mit Ängsten und Hoffnung kämpften. Ihr Volk konnte Krankheiten und Schmerzen „spüren“, und zu wissen das sie all diese an jenem Ort nicht nehmen konnte, entwickelte es sich schnell zu einer Last für sie.
Als sie die richtige Tür erreicht hatten ordnete sie ihre Gedanken wieder und atmete tief durch. Kaum das sie eingetreten waren schluchzte Kyara wieder auf. Die Eltern saßen am Bett ihres Kindes das unter all den Schläuchen und Verbänden kaum noch zu erkennen war. Die aufgelöste Mutter schloss ihren Sohn in die Arme und vergrub unter herzzerreißendem Weinen ihr Gesicht in seiner Schulter. Irgendwas wollte sie ihm sagen aber ihre Stimme zitterte so sehr das keines ihrer Worte zu verstehen war. Metthew fiel es schwer den Blick von Louisa fort zu reißen, auch wenn er ruhig und gelassen wirkte, sah man das Leid das er empfand deutlich in seinen Augen. „Sie war auf dem Heimweg und ein betrunkener Autofahrer hatte die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Es geriet ins Schlingern und erwischte sie. Das geschah schon heute morgen und seitdem haben die Ärzte sie mehrfach operiert. Sie wacht aus dem Koma nicht mehr auf. Louisa hat mehrere Knochenbrüche und innere Verletzungen davon getragen aber über ihren genauen Zustand hat uns noch niemand informiert.“
Metthew legte seiner Frau beide Hände auf die Oberarme und zog sie an sich, seine müden Augen erwiderten den schockierten Blick seines Sohnes. „Deine Mutter brauch etwas frische Luft. Wir gehen kurz raus, du bist ja jetzt hier.“ Er drückte kurz die Schulter von Philipp und verließ das Zimmer. Eine gespenstige Stille hielt Einkehr, nur die Geräte die seine Schwester beatmeten piepsten leise vor sich hin. Vorsichtig ging er um das Bett herum und betrachtete den kleinen Teil des Gesichts, der durch die dicken Verbände überhaupt noch zu sehen war. Das Atmen fiel ihm schwer als er seine Hand an ihre Wange legte und sie keine Regung von sich gab. Philipp keuchte leise auf und lachte kurz. „Wenn sie später Fotos von sich sieht wird sie sicher ausflippen und herumschreien. Sie ist doch immer so sehr auf ihr Äußerstes bedacht, die Frisur muss immer sitzen, die Handtasche muss zu den Schuhen passen... eine richtige Tussi. Aber oberflächlich war sie nie. Sie hilft jedem Freund in der Not und wenn sie ihr letztes Hemd hergeben muss.“ Hastig wischte er sich ein Staubkorn aus dem Augenwinkel.
Lilly hatte ihn eine ganze Weile lang schweigend betrachtet, nun trat sie an seine Seite. Der Himmel verfärbte sich bereits und war von rosafarbenen Wolken durchzogen, der Raum wurde in ein angenehmes Licht getaucht das diesem Ort kaum Gemütlichkeit schenkte. Sie umschloss eine seiner zitternden Hände fest mit der ihren, ihr Blick ruhte auf Louisa. Eine junge Frau die sie kaum gesehen hatte durch das ganze Versteckspiel der letzten Wochen.
Philipp entzog ihr seine Hand und zog zwei Stühle heran, den einen bot der Lilly an und ließ sich dann selbst nieder.
Auch Xii traute sich vorsichtig aus der Tasche als ihre Trägerin sie auf dem Boden abstellte. Den Menschen hatte sie nie gemocht, aber ihn nun so leiden zu sehen machte selbst ihr Herz schwer.
Nur eine Geste trennte Lilly von der Gewissheit die in ihr anschwoll, eine kurze Berührung, und doch kostete es sie enorm viel Überwindung.
Das Piepsen der Geräte schien immer lauter zu werden so hoch war ihre Anspannung als sie die Hand nach dem Körper von Louisa ausstreckte. Nur eine winzige Distanz trennte sie noch, für die sie eine gefühlte Ewigkeit brauchte.
Ihre Handfläche legte sich sanft auf die Brust der Verletzten und das Gefühl das sie übermannte riss ihr fast den Boden unter den Füßen hinfort. Alles um sie herum explodierte, der Schmerz, ihre Lungen brannten wie Feuer. Nur mit Mühe konnte sie die Hand wieder zurück ziehen, die kalte Faust in ihrem Inneren ballte sich noch fester und erschwerte ihr das Atmen. Neben ihr fragte eine Stimme leise ob alles in Ordnung sei.
Philipp hatte von der Flut der Gefühle nichts mitbekommen, für ihn war nur ein kurzer Augenblick vergangen indem Lilly ihre Hand auf Louisa gelegt hatte und plötzlich ein Gesicht machte als ob sie einen Geist gesehen hatte.
Die Zunge schwer wie Blei, stand Lilly einfach nur da und konnte die Augen nicht mehr von der jungen Frau nehmen. Ihre Stimme erklang wie ein leises Flüstern das man kaum hätte wahr nehmen können wenn es in dem Raum nicht so still gewesen wäre.
Sie liegt im Sterben.“

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