Fachidiot 2. Kapitel Teil 3

Philipp sah aus dem Augenwinkel wie Lilly die Lippen öffnete um etwas zu sagen, eilig kam er ihr mit ein paar Worten zuvor. „Das ist Lilly. Sie ist eine Studienkollegin von mir. Wir arbeiten zusammen an einem Projekt. Hör auf so zu gucken, es ist sonst nichts weiter.“
Wütend runzelte Kyara die Stirn als ihr Sohn sie aus ihren romantischen Fantasien riss. Mit einem zauberhaften Lächeln blickte sie zu der jungen Dame mit dem türkisfarbenen Haar. „Lilly, freut mich dich kennen zu lernen! Mein Name ist Kyara. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten!“
Ma! Ich kümmere mich um sie. Du musst nicht...“
Oh ja sehr gern! Wasser bitte, ich bin schon am verdursten.“ Glücklich lächelnd verfolgte Lilly wie Kyara das Zimmer wieder verließ. „Das ist deine Mutter? Sie hat eine so warme Ausstrahlung.“
Philipp knirschte noch eine ganze Weile lang mit seinen Zähnen. Die Schlinge um seinen Hals fühlte sich an als würde sie sich immer enger und enger ziehen.
Es dauerte noch eine ganze Weile bis seine Mutter nicht mehr alle paar Minuten angerannt kam um ihnen etwas neues anzubieten, und immer weiter an seinem Geduldsfaden sägte. Sein altes Leben war so viel langweiliger und besser gewesen, alles hatte seinen Rhythmus gehabt. Morgens ging er in die Uni, zweimal in der Woche arbeitete er nachmittags in einem Altenpflegeheim um sich etwas dazu zu verdienen und Abends, sowie das ganze Wochenende hatte er dann Zeit zum Zocken und sich in der virtuellen Welt mit seinen Freunden zu treffen.
Erst seit zwei Tagen war dieser Alltag gestört, und er wünschte sich nichts mehr als das alles wieder so war wie früher. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm und er drückte Lilly die Fernbedienung in die Hand. „Hier und hier kannst du das Programm wechseln. Ich brauche eine Dusche um meinen Kopf zu kühlen.“
Flüchtig sah die Ellydre ihm nach, erst als er das Zimmer verlassen hatte krabbelte auch Xii wieder aus dem Versteck hervor das sie sich gesucht hatte.
Auf die vorwurfsvollen Blicke der Füchsin hatte sie so gar keine Lust und drückte ein paar Knöpfe auf diesem kleinen Gerät mit dem er dieses merkwürdige Fenster bediente. Sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus als sie durch nur einmal drücken etwas ganz anderes sah. Xii hatte kapituliert und war nach einem knappen anknurren hinauf auf die Galerie geklettert um die Augen vor dieser furchtbaren Welt zu verschließen.
Plötzlich geriet Lilly ins Stocken als merkwürdige Dinge in diesem Fenster erschienen. Ganz eindeutig schienen diese zwei Menschen sich um etwas zu Essen zu streiten. Immer wieder pressten sie ihre Lippen aufeinander und klammerten sich ganz fest an ihr Gegenüber, aber sie konnte absolut nichts essbares erkennen?! Ihr Kopf neigte sich leicht zur Seite als die beiden sich auch noch eilig ihrer Kleider entledigten, und mit ihr hatte man geschimpft als sie sich umziehen wollte, verstehe mal einer diese Menschen die selbst nicht zu wissen schienen was sie wollen.
Als die Frau erneut engen Körperkontakt zu diesem Mann zu suchen schien, senken sich ihre Augenlider und sie hauchte leise ein bittendes „Küss mich noch einmal“,Lilly musste sich diesen merkwürdigen Akt genauer ansehen. Den beiden schien zu gefallen was sie da taten. Unruhig wechselte Lilly die Sitzposition, ihr Herz klopfte viel stärker und wurde ganz warm in ihrer Brust, wenn das so viel Spaß machte, dann wollte sie das auch.
Noch etwas abgelenkt von ihren Gedanken und Wünschen zuckte sie zusammen als die Frau begann komische Geräusche von sich zu geben. Ihr Unterkiefer erschlaffte zusehend als sie mitansehen musste was der Mann plötzlich für merkwürdige Dinge mit der Frau anstellte. Ihre Wangen fühlten sich warm an, und ihr Herz begann noch etwas schneller zu klopfen. Gerade als sie begann diese Szenerie spannend zu finden, und sie sich fragte worauf das ganze hinaus laufen würde, hörte sie hinter sich ein erschrockenes Keuchen. Blitzschnell hechtete Philipp an ihr vorbei und riss die Fernbedienung an sich.
Als das Fenster wieder schwarz und leer wurde runzelte sie die Stirn und blickte vorwurfsvoll zu ihm auf.
Das wollte ich sehen!“ Ihr Gegenüber gestikulierte sinnlos in der Luft herum bevor er seine Arme wieder unter Kontrolle zu haben schien. „Da gibt es aber nichts für dich zu sehen! Du kommst nur wieder auf dämliche Gedanken!“
Rasch stopfte er die Fernbedienung in irgendeine von den Schubladen seines Schreibtisches die er auch mal wieder aufräumen konnte. „Es reicht mir schon das meine Mutter dich jetzt gesehen hat und andauernd hier auftaucht!“
Träge kletterte er die schmale Leiter zu der Galerie hinauf und seufzte. „Ich gehe schlafen... Das solltest du auch tun, morgen früh gehen wir wieder los und ich gehe erst wieder ohne dich Heim!“
Er schlüpfte unter seine Decke und rieb sich erschöpft das Gesicht, noch einen Tag länger mit ihr würde er nicht überleben.
Als auch Lilly die Galerie hinauf geklettert kam fügte er noch schnell etwas hinzu. „Und du bleibst heute auf deinem Platz! Ich warne dich, schleiche dich bloß nicht wieder in mein Bett!“
Nur wenige Minuten der Harmonie und Stille waren verstrichen da hörte er ein leises Scharren auf dem Boden. Als er die Augen öffnete ging ihm der Schrecken durch Mark und Bein. Er sah irgendwas vor sich was da nicht hingehörte, panisch fischte er nach seiner Brille und setzte sie sich eilig auf.
Sag mal! Hast du was an den Ohren oder was?“ Die Ellydre saß direkt vor ihm auf dem Boden und starrte ihn hochkonzentriert an. Verwundert über seine Frage betastete sie flüchtig ihre Ohren. „Hm? Nein, sie haben hier eine andere Form angenommen, aber ich habe eigentlich keine Probleme damit. Viel mehr stört mich mein mickriges Geäst.“
Sie deutete auf ihren Kopf und schüttelte eifrig den Kopf. Dann beugte sich sich vornüber und kam dem Menschen noch näher, ihr Blick bekam irgendwie etwas ganz verträumtes. „Aber das war nicht mein Anliegen. Die Frau eben wirkte so glücklich, ich will wissen wieso! Mach das mit mir Philipp. Bitte.“
In der nächsten Sekunde saß er wie eine Eins in seinem Bett und rutschte so weit es ihm möglich war von ihr fort, sein Herz drohte auszusetzen. „Was?! Du hast ja keine Ahnung was du da redest du... dumme Nuss! Ich werde das ganz sicher nicht mit dir machen!“ Nun wurde auch er etwas verlegen als er sich die Situation in nur einer Sekunde ausmalte und sie direkt wieder versuchte aus seinem Kopf zu verbannen. „Pflanze dich mit deinen eigenen Leuten fort!“
Das war sogar mal eine Erläuterung welche die junge Ellydre verstand. Schockiert weitete sie ihre Augen und beugte sich noch weiter vor. „Ihr pflanzt euch mit eurem Mund fort??? Wie interessant! Ich hatte da ganz andere Geschichten gehört!“
Harsch unterbrach er sie und schlug sich mit der flachen Hand vor seine Stirn. „Nein! Das mit dem Mund war nur ein Kuss, ein Zeichen von Zuneigung. Ich... ich will auch gar nicht wissen was du für Sachen gehört hast oder wie ihr das bei euch macht! Leg dich jetzt schlafen!“
Mit einem kleinen Sprung war sie auf seine Matratze gehüpft und faltete die Hände wie zu einem Gebet, er fragte sich wieso er sich überhaupt noch die Mühe machte ihr Befehle zu geben. Vielleicht sollte er ihr genau das Gegenteil von dem sagen was sie machen sollte damit sie gehorchte. Sein Ärger kühlte mit einem Mal ab als sie etwas sagte das er so gar nicht erwartet hätte.
Aber wenn es eine Bekundung von Zuneigung ist, dann ist es doch in Ordnung. Schließlich mag ich dich sehr, du hilfst mir Morendras zu finden obwohl du das nicht tun müsstest. Zudem, auch wenn du immer schlecht gelaunt bist, kümmerst du dich um Xii und mich. Mit in dein Heim hättest du uns auch nicht nehmen müssen.“
Lilly schenkte ihm ein herzliches Lächeln, das ihn keine Sekunde lang an der Aufrichtigkeit ihrer Worte zweifeln ließ. Er merkte wie sein Groll über den ganzen Ärger den sie ihm bereitete verschwand und ein warmes Gefühl an dessen Stelle trat.
Nachdem er seine Brille wieder zurecht gerückt hatte räusperte er sich und brachte seine Worte nicht ganz so grob herüber wie sie wirken sollten. „Du hast dich mir doch aufgezwungen, da hatte ich ja wohl keine andere Wahl! Also schleim hier nicht so herum!“ Philipp packte sie bestimmt aber nicht zu feste an den Schultern und schob sie von seinem Bett herunter.
Schlaf jetzt, sei still und bleib gefälligst auf deinem Platz!“ Schon mit dem letzten Wort zog er seine Decke so weit nach oben dass sie nur noch ein paar einzelne Strähnen von ihm ausmachen konnte.
Mit schwerem Herzen krabbelte sie unter ihre Decke und erntete von Xii einen wütenden Blick bevor diese ihr wieder den Rücken kehrte. Noch eine Weile betrachtete sie ihre Leibwache und beste Freundin, sie konnte ihre Wut und die Enttäuschung verstehen. Sie hatte sie unter einem falschen Plan mit in diese Sache hinein gezogen, sie waren auf einem fremden Planeten gelandet und saßen hier fest weil sie das wertvollste das ihr Volk noch besaß, verloren hatte.
Ein Lächeln lag auf ihren Zügen als sie die Augen langsam schloss. Sie würde sich schon wieder ein bekommen. Vor allem wenn sie diesen Menschen von seinen magischen Fähigkeiten überzeugt hatte, würde man ihr diesen kleinen Ausrutscher sicherlich verzeihen. Zuversichtlich hielt sie an ihrer Hoffnung fest das Philipp der sein könnte der ihrem Volk die Freiheit zurück schenkt.

Die Sonne stieg empor und kündigte einen neuen Tag an, ein weiterer Tag an dem eine kleine Gruppe die nahen Wälder durchkämmte, auf der Suche nach einem heiligen Relikt. Nur einer von ihnen wusste dass das wonach sie suchten in seiner eigentlichen Form nicht mehr zu finden war. Aber was würde nur geschehen wenn sie es den Beiden erzählte? Xii strafte sie jetzt schon die meiste Zeit mit strengen Blicken und beharrlichem Schweigen. Und Philipp, er würde ihr wohl wie versprochen den Hals herum drehen sodass sie rückwärts laufen müsste um den Weg vor sich zu sehen.
Eine Fliege schwirrte schon eine ganze Weile lang um sein Gesicht herum, und das ging ihm furchtbar auf die Nerven, Philipp hob den Blick und stand einem Tobsuchtsanfall nahe bevor sein Blick zufällig auf Lilly traf. Mit gesenktem Kopf stand sie da und starrte in die Leere. Ihre Trauer war selbst für ihn zum greifen nahe, und da erst begriff er das ihre heitere, unbeschwerte Art auch nur eine Maske sein könnte.
Sicherlich hatte sie Heimweh, und wünschte sich noch mehr als er diesen Stab endlich zu finden. Nach einer Weile des Zögerns fasste er sich ein Herz und ging auf den Trauerkloß zu, unbeholfen verschwanden seine Hände in den Taschen als er bei ihr angekommen war.
Mit großen, grünen Augen blickte sie fragend zu ihm auf und wartete, und wartete. „Ja...?“
Wir scheinen auch heute keinen Erfolg zu haben, komm mit. Ich will dir etwas zeigen.“ Direkt nach seinen Worten wandte er sich ab und stapfte davon. Lilly zögerte nicht lange und wollte ihm gerade folgen als ein rötlicher Fellball direkt in ihren Weg sprang. „Wo wollt Ihr hin? Ihr wisst nicht was dieser Mensch im Schilde führt. Außerdem müssen wir Morendras finden! Das habt ihr doch wohl nicht bereits aufgegeben?!“ Die Wut in Xiis Stimme vernahm man deutlich. Noch deutlicher kam sie hervor als zwei Hände sie hoch hoben und an sich drückten. Ernsthaft spielte sie mit dem Gedanken Lilly in die Hand zu beißen.
Jetzt bleib artig. Findest du es nicht auch komisch das Morendras uns erst hier her führt und dann unauffindbar ist? Vielleicht will er das wir hier irgendwas erleben das für uns wichtig sein könnte?“
Eigentlich hatte sie die Worte nur gesprochen um das Tosen des Zornes ihrer Freundin zu bändigen, aber wenn sie so genau darüber nachdachte, machte das ganze auch für die selbst einen Sinn. Das musste es sein! Sie musste diese Welt, diese Menschen hier vielleicht besser kennen lernen! Oder vielleicht war es auch ihre Bestimmung Philipp klar zu machen was er für ungeheuerliche Fähigkeiten hatte. Ein Breites Grinsen überzog ihr Gesicht, beflügelt von der Gewissheit das alles schon seinen Rechten Weg ging rannte sie dem Menschen hinterher und ignorierte das Fauchen und das Knurren in ihren Armen.

Das... bringt uns zu einem anderen Platz? Aber wie soll das denn funktionieren?“ Genau nahm sie dieses deformierte Ding unter die Lupe. Es stand so steif da, rührte sich nicht und machte auch keinen Laut, also ein Tier konnte es schon einmal nicht sein beschloss sie.
Philipp machte sich gar nicht die Mühe genervt zu sein und stieg in sein Auto ein. Von Innen drückte er ihr die Tür auf und klopfte auf den Beifahrersitz. „Auch wenn ich es dir erkläre, du wirst es nicht verstehen. Setz dich einfach hin.“
Es brachte ihn sogar zum schmunzeln wie zaghaft sie sich nieder ließ und Xii in ihren Armen lauthals dagegen protestierte.
Ganz schnell war Ruhe eingekehrt als er den Schlüssel drehte und der Motor aufheulte.
Gibt es denn bei euch keine Maschinen?“ Seine Sitznachbarin schüttelte energisch den Kopf und klammerte sich an alles was in greifbarer Nähe war. Die ganze Fahrt über hatte er damit zu tun, ihr zu erklären was eine Maschine war, und wie dieses aufregende Ding namens Auto funktionierte.
Den Mund voller Fusseln parkte er schließlich den Wagen ein, und musste jetzt Geduld beweisen bis seine Bekanntschaft aus einer anderen Welt wieder aussteigen wollte, sie war vollkommen fasziniert von diesem Ding was sich Auto nannte.
Nur eines muss ich dir sagen, es atmet sehr schlechte Luft aus. Daran solltet ihr etwas ändern. Allgemein...“ Ihr Blick richtete sich in den Himmel und sie zog die Brauen zu der Mitte ihrer Stirn hin zusammen, „...habt ihr eine sehr komische Luft auf eurem Planeten finde ich. Die unsere ist viel... klarer.“
Philipp packte sie am Ärmel und zog sie energisch ein Stück weiter bevor er sie wieder los ließ. „Ja ja, da kümmern sich schon andere drum, komm jetzt. Ein kleiner Spaziergang wird dir vielleicht auch mit schlechter Luft gefallen.“
Um sie herum lag ein kleines Wäldchen in welches sie durch einen schmalen Pfad gelangten. Die Luft roch frisch und war erfüllt vom Gesang der Vögel. Kleine Gräser wiegten sich unter der Berührung eines lauen Windes. Die Geräusche der Dörfer wurden selbst für das gute Gehör der Ellydre immer weniger zu vernehmen.
Lilly ließ Xii hinab und betrachtete im vorbeigehen die ihr fremden Sträucher und Bäume. Obwohl die Fauna und die Flora hier deutliche Unterschiede aufwies, konnte sie auch viele Gemeinsamkeiten erkennen, ja sogar Pflanzen die denen in ihrer Heimat zum Verwechseln ähnlich waren fand sie hier.
Ihr Begleiter ging stumm an ihrer Seite entlang und warf ihr hin und wieder einen Blick aus dem Augenwinkel zu, er war zufrieden das sein Plan von Erfolg gekrönt schien.
Eine ganze Weile lang gingen sie schweigend nebeneinander her und lauschten dem Flüstern des Wäldchens bis der Weg sie schließlich an einen kleinen See brachte, dessen Oberfläche mit Seerosenblättern bedeckt waren. Die junge Ellydre rannte die letzten paar Schritte auf das Ufer zu und gab einen Jauchzer der Freunde von sich.
Bevor Philipps Zufriedenheit noch Übermaß nehmen konnte war es schon geschehen. Samt der neuen Kleidung verschwand Lilly mit lautem Platschen im Wasser und war nicht mehr gesehen.

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