Fachidiot 1. Kapitel Teil 6

Er schob ihr merkwürdiges Verhalten darauf, dass sie wohl Angst hatte nun enttarnt zu werden und zögerte nach ihrer Erlaubnis nicht mehr länger.
Mit großer Vorsicht tastete er über die Äste, die ein kleines Stück hinter ihrer Stirn aus dem Haar heraus linsten. Sie fühlten sich an wie ganz normale Äste eben, nichts besonderes.
Seine forschen Finger tasteten weiter hinab und er bemerkte ihren konzentrierten und aufmerksamen Blick, der auf sein Gesicht gerichtet war.
Er erreichte die Stelle an der die Äste mit einer kleinen Wulst am Ende auf der Kopfhaut saßen. Das Holz ging geradezu nahtlos in Haut über, und unter dieser konnte er immer noch die Struktur des Holzes spüren bevor das Haar dichter wurde.
Philipp stockte der Atem als ihm bewusst wurde, dass diese Dinger auf ihrem Kopf echt waren. Nachdem er, nur um ein letztes Mal sicher zu gehen, daran zog blieb kein Zweifel. Diese Äste waren angewachsen.
Keine Attrappe, kein Kopfschmuck.
So langsam wurde es Lilly zu bunt wie dieser Fremde an ihren Ästen zog und sie anstarrte als hätte er gerade vor Angst in die Hosen gemacht. Grob schob sie seine Hände von sich und sah ihn vorwurfsvoll an.
Jetzt reicht es aber. Fremde Sitten hin oder her, bei uns macht man sowas nicht!“
Ihre Worte drangen wie durch dichte Watte, in die sein Kopf gehüllt war, zu ihm durch und er brachte nicht mal eine Entschuldigung hervor.
Stattdessen stammelte er nur leise vor sich hin.
Das gibt es nicht. Das ist kein verdammter Traum, und diese Dinger auf deinem Kopf sind echt. Ich dachte, ich hätte nur zu wenig geschlafen und das alles hier ist nicht real! Aber es ist real!“
Fest packte er sie an beiden Oberarmen und schüttelte sie durch.
Woher kommst du, und was willst du ausgerechnet von mir?“
Sie lockerte ihren Griff und Xii sprang von ihrem Schoß, geradewegs an seine Brust. Mit allen vier Pforten krallte sie sich in sein T-Shirt und grub ihre Zähne knurrend in den dünnen Stoff. Wild riss das zornige Tier den Kopf hin und her, und drang dabei immer tiefer mit seinen Zähnen ein.
Mit einem Satz wich er zurück und fiel mit rudernden Armen auf den Rücken. Mit beiden Händen zerrte er an dem Fuchs und brüllte er solle ihn sofort in Ruhe lassen.
Lilly betrachtete die beiden einen Moment lang schweigend und tauchte in ihren Gedanken ab.
Die leise Vorahnung die sie seit ihrer Ankunft hier gehabt hatte wurde immer greifbarer und sie konnte langsam nicht mehr verleugnen das sie ein ernstes Problem hatte.
Unter einem leisen Seufzen beugte sie sich vor und zerrte solange an Xii bis diese nachgab, und das Stück Stoff das sie als Trophäe heraus gerissen hatte, wieder ausspuckte.
Xii, ich glaube, wir haben unsere Heimat weiter hinter uns gelassen als wir denken.“
Sie beugte sich näher zu Philipp der wütend und zeternd sein neu gestaltetes T-Shirt betrachtete.
Sag mir... wie heißt diese Welt hier?“
Er konnte einfach nicht glauben dass dieses kleine Vieh sein lieblings Shirt ruiniert hatte und betrachtete ihre Besitzerin hasserfüllt.
Diese Welt? Das du nicht von der Erde stammst bezweifle ich langsam nicht mehr, aber ich wäre dir dankbar wenn du dir die nächste Rakete nimmst und abhaust!“
Langsam legte sich Lillys Kopf auf die Seite, sie war offensichtlich verwirrt von seinen Worten und fragte sich was diese Rakete war. Es gab etwas das sie nach Hause bringen konnte?
Erregt robbte sie auf ihren Knien näher an ihn heran und drückte Xii feste an sich.
Kannst du mich zu so einer... Rakete bringen?“
Philipp schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte laut auf.
Sie merkte das die Lösung wohl doch nicht so greifbar war und ließ die Schultern sinken. Die Enttäuschung war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben und in ihren Augen funkelte es verräterisch.
Das ich hier lande war nicht so geplant. Mein Wunsch ist schief gegangen... kannst du mir nicht helfen wieder nach Hause zu kommen?“
Dir helfen? Und wie soll das gehen?“
Sein rechter Nasenflügel begann zu zucken und eine seiner Augenbrauen schoss in die Höhe.
Ich muss Morendras wieder finden! Er kann mich sicher zurück bringen!“
Mit einer wedelnden Handbewegung deutete er auf den kleinen garstigen Fuchs.
Ist dieser Morendras auch so ein... Fuchs?“
Als müsste er es doch besser wissen zog sie kurz die Stirn kraus.
Aber nein! Ich rede von einem Stab. Es heißt er entstammt dem Holz des aller ersten Baumes, Morendras.“
Philipp schloss für einen Moment die Augen ehe er antwortete.
Wenn ich dir helfe, deinen Stab zu finden, gehst du. Wohin auch immer. Und lässt mich in Frieden. In Ordnung?“
Ihre Stimmung wechselte so rasch wie nur ein Wimpernschlag dauerte, in vollkommene Freude. Xii setzte sie neben sich ab und fiel dem fremden Helfer stürmisch um den Hals. Er kullerte auf den Rücken und versuchte die Irre von sich zu drücken, aber aus ihrem Klammergriff gab es kein Entkommen mehr.
Danke! Vielen Dank!!!“
Ja, ist gut! Und jetzt geh runter von mir.“
Als sie seinem Wunsch nachkam rappelte er sich schwerfällig auf und bereute seine Entscheidung jetzt schon. Aber auf die Menschheit konnte er diese Person wohl schlecht los lassen.
Mit einem Hüpfer war auch sie auf den Beinen und hibbelte von einem Bein auf das andere.
Ich habe ihn verloren als ich fiel! Weit kann er nicht sein. Also los!“
In letzter Sekunde konnte er noch ihren Arm ergreifen bevor sie sich aus dem Fenster stürzen wollte. Schließlich war dies der Weg den sie auch hinein gekommen war.
Nicht so schnell! So kannst du doch nicht herum laufen. Du brauchst was zum anziehen. Um möglichst nicht aufzufallen.“
Er presste die Lippen fest zusammen und starrte auf ihren Kopf.
So wenig wie möglich zumindest.“
Nachdenklich rieb er sich das Kinn und betrachtete sie wieder einen ganzen Moment lang.
Du scheinst so ungefähr die Größe meiner Schwester zu haben. Warte hier und rühre dich nicht von der Stelle. Ich hol dir was.“
Bevor er die Klinke seiner Zimmertür nach unten drücken konnte blickte er sie noch einmal finster an.
Und geh ein paar Schritte weg vom Fenster.“
In seinem Kopf dröhnte und hämmerte es, was hatte er sich da nur angetan.
Schlürfend näherte er sich der Tür schräg von seiner eigenen und betrat das typische Mädchenzimmer seiner älteren Schwester.
Alles war ordentlich und hatte seinen Platz, es roch nach Parfum und an den Vorhängen ihres Fensters hatte sie kleine Plastikblumen befestigt.
Die Zeit wo Poster von Kerlen mit offenen Hemden und lüsternen Blicken an ihrer Wand gehangen hatten, waren längst vorbei.
Er steuerte ihren Kleiderschrank an und zog die Schiebetür beiseite.
Völlig überfordert zupfte er an einem rosa Kleid und ging die viel zu vielen Stapel mit Oberbekleidung durch.
Mürrisch murmelte er vor sich hin und schnappte sich einfach irgendwas. So viel Auswahl brauchte doch kein Mensch dachte er sich und öffnete eine der breiten Schubladen.
Genau das was noch fehlte fand er auf Anhieb und zog die Mundwinkel weit nach unten.
Mit zwei Fingern angelte er einen weißen Spitzenslip heraus und hielt ihn auf Augenhöhe. Sie würde doch bei all den ganzen Sachen sowieso nicht merken wenn etwas fehlte.
Während er so den Schlüpfer vor sich hielt und nachdachte ob er auch alles hatte drehte er sich zu der Tür und gefror in der nächsten Sekunde.

Louisa traute ihren Augen nicht als sie ihren eigenen Bruder dabei erwischte
wie er einen Slip von ihr ziemlich genau betrachtete.
Ihre Kinnlade klappte runter.
Als sich ihre Blicke trafen erwachte sie aus ihrer Starre und ging mit großen Schritten auf ihn zu, ihre Blonden Locken wippten bei jeder Erschütterung auf ihren Schultern.
Was machst du denn da?! Du Perverser Spinner!“
Bevor er ausweichen konnte holte sie mit ihrer Tasche aus, und schlug sie ihm um die Ohren.
Das ist doch krank! Machst du das immer wenn ich nicht da bin! Ekelhaft!“
Schützend hob er Schlüpfer und Arme vor sein Gesicht um sich vor dem brutalen Angriff zu schützen. Dabei wich er immer weiter in Richtung Tür zurück.
Hör auf! Das ist... ein Missverständnis. Ich dachte du kommst erst in einer Stunde nach Hause.“
„Also stöberst du tatsächlich in meiner Unterwäsche! Du Widerling!“
Er verstand das er sich aus dieser Sache wohl nicht so auf die Schnelle herauswinden konnte und ergriff die Flucht.
Sofort donnerte er die Tür seines Zimmers hinter sich zu und schloss sie zur Vorsicht ab.
Lilly hatte sich derweil an diesem komischen Ort etwas umgesehen und betrachtete einen großen schwarzen Kasten und drückte mit den Fingern immer wieder auf diese komische, matte Oberfläche.
Ihr Kopf drehte sich zu Philipp herum und sie fragte sich wieso er so schwer atmete und krampfhaft die Augen zusammen drückte.
Was ist denn das hier?“
Wütend stapfte er zu ihr und zerrte ihren Arm von dem schwarzen Kasten fort.
Fass das nicht an! Der Bildschirm ist empfindlich! Den Fernseher habe ich mir erst neu gekauft.“
Laut seufzend fuhr er sich mit einer Hand durch sein Haar.
Die Sache mit meiner Schwester muss ich später klären. Solang gebe ich dir was zum anziehen von mir.“
Aus seinem weniger gut bestückten Kleiderschrank, die einzige Ecke seines Zimmer wo dank seiner Mutter Ordnung herrschte, zog er einen Kapuzenpullover und eine schwarze Hose.
Kurz hielt er die Luft an und packte noch eine seiner Shorts dazu.
Immer noch schlechter Laune drückte er ihr die Sachen in die Hand.
Hier. Zieh das an.“
Er ging ein paar Schritte auf und ab während sie die komischen Kleidungsstücke skeptisch betrachtete.
Du hast gesagt der Stab sei dir beim Fallen verloren gegangen. Dann kann er ja nicht weit von deiner... Absturzstelle liegen.
Die müssen wir finden. Und wenn du das Ding hast, will ich mit dir nichts mehr...“
Ihm blieb das Wort im Hals stecken als er beiläufig einen Blick auf die verrückte Frau mit den türkisfarbenen Haaren und entblößten Brüsten warf, und die gerade dabei war den dünnen Stoff um ihre Hüften zu lösen.
Mit einem Ruck drehte er sich fort, doch das Bild hatte sich bereits unwiderruflich in seinen Kopf eingebrannt.
Hast du kein Schamgefühl?! Du bringst mich noch in Teufelsküche!!!“
Sie verwirrte seine Reaktion und fragte sich was nun dieses Schamgefühl wieder sei.
Aber du hast doch gesagt ich soll das hier anziehen? Wie soll denn das über meine Kleidung gehen? Ich bleibe ja überall hängen.“
Als er nur zeterte sie soll sich einfach schnell anziehen zuckte sie nur mit den Schultern und mühte sich in diese komischen Kleidungsstücke hinein.
Alles war viel zu groß und hing schlaff an ihr herunter aber sie staunte wie weich und angenehm der Stoff auf ihrer Haut lag.
Das ist gemütlich. Aber ist das nicht furchtbar beengend wenn eure Haut immer verdeckt ist? Wie wollt ihr denn sonst den Wind spüren oder die Gräser um eure Füße?“
Er hinterfragte ihre Worte gar nicht und drehte sich vorsichtig wieder zu ihr herum.
Seine Brille hatte er zur Vorsicht abgenommen, aber als er grob erkennen konnte das sie nicht mehr halbnackt war, setzte er sie sich wieder auf die Nase und hob seine Tasche vom Boden auf.
Gehen wir... ich will dieses Moren... was auch immer, so schnell wie möglich finden.“
Als er vorsichtig durch die Tür zum Flur hinaus linste hörte er durch die verschlossene Tür seiner Schwester eine Triade von Flüchen und Schimpfwörtern.
Ihm war bewusst das wahrscheinlich jeder ihrer Kontakte gerade auf dem Telefon durchgegangen und darüber in Kenntnis gesetzt wurde was für ein Perversling er war.
Immerhin merkte sie so nicht das ein Paar ihrer Sportschuhe den Besitzer wechselten.
Mit einem unguten Gefühl im Magen, einer Außerirdischen im Rücken und einem tollwütigen Fuchs in deren Armen machte er sich auf den Weg in das kleine Waldstück um den Stab seiner persönlichen Erlösung zu finden.

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