Fachidiot 1. Kapitel Teil 5

Seine Brille legte er auf den ganzen Krempel der sich auf seinem Schreibtisch angehäuft hatte, darum wie er sie später wiederfinden sollte, machte er sich keine Gedanken.
Hauptsache er konnte erst einmal schlafen.
Mit einem lauten Ächzen ließ er sich in seinen bequemen Sitzsack aus schwarzem Kunstleder fallen.
Den Kopf legte er weit in den Nacken und rieb sich mit den Händen über sein Gesicht.
Schlapp sanken seine Arme zu beiden Seiten des Sitzsackes herunter und in nur wenigen Sekunden wurden seine Atemzüge tief.
Gerade als der erlösende Schlaf über ihn kommen wollte schreckte er auf weil ein lautes Geräusch an sein Ohr drang.
Mit klopfendem Herzen lauschte er, und musste nicht lange warten. Irgendwas flog erneut gegen seine Fensterscheibe und das war äußerst beunruhigend. Unter seinem Fenster befand sich der heimische Garten und dort hatte niemand etwas zu suchen.
Mein Gott! Was ist denn jetzt wieder?“
Schwerfällig hob er sich in die Höhe und schlurfte zu dem Schreibtisch hinüber, irgendwas knallte wieder gegen seine Scheibe und brachte ihn dazu mit den Zähnen zu knirschen.
Seine Finger ertasteten wie durch ein Wunder die Brille und er ging zum Fenster das links neben seinem Schreibtisch lag.
Vorsichtig blickte er hinab, aber außer dem kleinen Gemüsebeet seiner Mutter, der Regentonne, der Hecke des Grundstückes und dem Stamm des großen Walnussbaumes konnte er nichts ungewöhnliches erkennen.
Seufzend kratzte er sich an seinem Hinterkopf und machte einen Schritt von dem Fenster weg, vielleicht hörte er jetzt schon Dinge die es gar nicht gab.
Doch bevor er sich das ganze schön reden konnte, erblickte er es.
Zum wiederholten Mal an diesem Tag entgleisten ihm die Gesichtszüge und er glaubte an einen schlechten Traum aus dem er nicht erwachen konnte.
Mit einem Ruck riss er das Fenster auf und brüllte der jungen Frau mit türkisfarbenen Haar zu, die auf seiner Höhe in den Ästen des Walnussbaumes saß.
Was um alles in der Welt machst du da? Was stimmt mit dir nicht!? Hast du mich allen ernstes verfolgt und... kletterst in die Bäume... anderer Leute?“
Er war fassungslos und raufte sich vor lauter Unglauben die Haare.
Sie würde sich noch alle Knochen im Leib brechen, und dann war er dran. Wie sollte er das der Polizei erklären? Das er vor einer Verrückten mit magischen Kräften verfolgt wurde, diese alleine auf einen Baum geklettert war und nach einer unaufmerksamen Bewegung in die Tiefe gestürzt war?
Natürlich kannte er sie nicht, und war vollkommen unschuldig.
Sehr glaubwürdig.
Lilly winkte ihm derweil mit einem freudigen Lächeln zu. Als würde so etwas zu ihrem Alltag gehören, robbte sie auf dem Ast nach vorn, die Beine fest um ihn geschlungen. Xii saß auf ihrer Schulter als gäbe es gerade keinen bequemeren Platz.
Fast hätte ich dich verloren! Du kannst ganz schön schnell rennen.“
Sie stellte sich in einer fließenden Bewegung auf, ihre Füße schwankten nicht einmal als sie über den schmalen Ast ein Stück nach vorn balancierte. Mit einer Hand hielt sie sich in dem Geäst über ihr fest.
Bleib stehen du Irre! Du fällst noch! Warte da, und bewege dich nicht, ich suche nach einer Leiter und hole dich da runter.“
Philipp drehte dem Fenster den Rücken zu und stürzte zu der Tür, in seinem Kopf ratterte es schon wo er eine Leiter her bekommen sollte die so hoch war. Dazu noch möglich unauffällig.
Seine Fingerkuppen berührten die Klinke und plötzlich gab es einen lauten Rums, kurz darauf war ein leises Wehklagen zu hören und ein schmerzliches Ächzen.
Es war ihm, als hörte sein Herz auf zu schlagen und er atmete zweimal tief durch bevor es ihm möglich war sich herum zu drehen.
Wollte er es überhaupt sehen? Diesen Anblick würde er doch nie wieder vergessen!
Sein Herz klopfte wie verrückt und drohte seine Brust zu sprengen als er sich mit zögerlichen Schritten dem Fenster näherte. Die Faust die seinen Magen fest umklammert hielt, drückte immer fester zu und er wechselte in Schnappatmung über.
Seine Knie wurden weich und kalt warme Schauer rauschten abwechselnd seinen Rücken hinab.
Es fehlten nur noch wenige Schritte bis er den Punkt erreicht hatte an dem er sich nur über die Fensterbank lehnen musste um das Grauen in der Tiefe zu erblicken. In diesem Moment erschien eine Hand, die sich an den unteren Fensterrahmen klammerte, dicht gefolgt von der zweiten.
Wieder ertönte das schmerzliche Ächzen, das in diesem Moment wie Musik in seinen Ohren war und sich die junge Frau weiter in die Höhe zog.
Ohne zu zögern griff er nach ihren Armen und zog sie mit einem beherzten Ruck hinein in die Sichere Obhut seines Zimmers.
Die Beiden polterten durch den Schwung zu Boden und er blieb jappsend wie eine Schildkröte auf dem Rücken liegen.
Sie dagegen rappelte sich schnell wieder auf und rieb sich über die schmerzende Nase. Der kleine Fuchs, der sich krampfhaft an ihre Schulter geklammert hatte sprang hinab und bedachte sie mit einem fast vorwurfsvollen Blick.
Uuuuh... da habe ich mich wohl etwas mit der Höhe verschätzt, fast wäre das ganz schön schief gegangen!“
Die Schildkröte rappelte sich wieder auf und starrte sie wütend und noch immer etwas perplex an.
Was um alles in der Welt sollte das? Kannst du nicht wie jeder normale Mensch die Klingel benutzen?“
Ihre grünen Augen weiteten sich bei seinen Worten, und noch bevor er sich fragen konnte was sie nun wieder hatte, sprudelte sie freudig erregt los.
Mensch? Also bist du wirklich ein Mensch? Ich kann es kaum glauben! Dann hat Morendras mich ja doch erhört!“
Mit einer langsamen Bewegung richtete er seine Brille ohne den finsteren Blick von ihr zu nehmen.
Natürlich bin ich ein Mensch... du etwa nicht?“
Im selben Moment fing sein Blick die zwei knorrigen Wucherungen auf ihrem Kopf ein und er bereute seine Frage zugleich. Wollte er das überhaupt wissen?
Seine Worte waren ironisch gewesen doch er fragte sich wie begründet die Ironie gewesen war, nach allem was er schon gesehen hatte.
Ihr Blick ließ ihn nichts gutes erahnen.
Den Kopf leicht zur Seite geneigt betrachtete sie ihn als würde sie ihn fragen ob das denn nicht offensichtlich sei.
Nein. Ich bin eine Ellydren, erkennt man das nicht?“
Verwundert blickte sie an sich hinab und streckte die Arme aus um sich besser betrachten zu können. Ihre Finger tasteten über ihre Stirn während ihre Mundwinkel herab sanken.
Irgendwas ist auch komisch... meine Äste sind so klein! Und ich fühle mich als hätte meine Magie mich verlassen.
Aber vielleicht kannst du mir helfen! Ich habe...“
Er brachte sie mit einer harschen Handbewegung zum Schweigen und wechselte in eine kniende Position.
Als könnte es seine dröhnenden Kopfschmerzen lindern, massierte er sich den Nasenrücken und atmete einmal tief durch bevor er sie wieder grimmig ansah.
Ganz langsam... du behauptest kein Mensch zu sein? Sondern eine Elly... was?!“
Wieder legte die junge Frau den Kopf schief als würde er von ihr eine Antwort auf etwas Offensichtliches wollen.
Ellydren. Du hast noch nie von uns gehört?“
Langsam ließ sie den Blick durch sein Zimmer schweifen und runzelte nachdenklich die Stirn. Diese sonderbaren Möbel, dieser weiche Boden, und all die merkwürdigen Dinge die ihr dort draußen begegnet waren schienen ihr erst jetzt Unbehagen zu bereiten. Sie hatte Dörfer der Menschen schon aus der Ferne gesehen, aber hier war alles so viel fremder.
Als könnte sie etwas Böses heraufbeschwören wechselte sie in einen Flüsterton.
Sag mal... auf welchem Kontinent bin ich hier gelandet?“
Kurz überlegte er ob er diese Frage wirklich mit einer Antwort würdigen sollte.
Europa! Was soll...“
Europa? Ist das sehr weit fort von Ranoth? Das habe ich ja noch nie gehört.“
Erneut massierte er sich den Nasenrücken und atmete einmal tief durch, entweder sie war wirklich irre, eine irre gute Schauspielerin oder tatsächlich war er irre geworden.
Sein Blick fiel auf die kleinen knorrigen Wucherungen auf ihrem Kopf und er streckte zögerlich die Hand danach aus.
Der kleine Fuchs schien davon gar nicht begeistert und knurrte ihn wütend an, ein blecken seiner kleinen spitzen Zähne verdeutlichte seinen Groll noch mehr.
Er stockte in seiner Bewegung.
Ich möchte diese Äste auf deinem Kopf nur kurz mal berühren ja? Es würde mir sehr weiterhelfen. Denke ich.“
Plötzlich legte sie eine Hand an ihre Wange die prompt errötete, ihr Blick wurde fast vorwurfsvoll und sie haderte einen Moment lang mit sich.
Du willst sie berühren?“
Der giftig gewordene Fuchs machte einen Satz auf ihn zu, doch noch bevor er die kleinen, spitzen Zähnchen in sein Bein schlagen konnte schnappte sich Lilly das Tierchen und setzte es sich auf den Schoß, mit beiden Händen im festen Griff.
Xii, bleib ruhig. Wir kennen ihre Sitten ja gar nicht. Vielleicht ist das für sie was anderes.“
Sie straffte den Rücken und blickte den sichtlich überforderten Fremden eindringlich an.
Nagut. Wenn es dir hilft, erlaube ich es.“

2 Kommentare:

  1. Eine sehr bildliche Geschichte, die lust auf mehr macht. Bin gespannt wie es weiter geht. Die Charaktere entwickeln sich sehr spannend. Bitte mehr........

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  2. Eine sehr bildliche Geschichte, die lust auf mehr macht. Bin gespannt wie es weiter geht. Die Charaktere entwickeln sich sehr spannend. Bitte mehr........

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