Fachidiot 1. Kapitel Teil 4

Vorsichtig pflückte sie die weiße Blüte von ihrem Haupt. Augenblicklich färbte sie sich in tiefes Schwarz bevor sie zwischen ihren Lippen verschwand.
Als hätte sie in etwas bitteres gebissen verzog sie das Gesicht. Die Blätter ihrer Äste rieselten zu Boden, und die knorrigen Auswüchse zogen sich langsam wieder zurück, bis nur noch die zwei Stümpfe von zuvor übrig blieben.
Der kleine Fuchs stellte sich, noch ziemlich wackelig auf den Beinen, wieder auf und schüttelte sich erst einmal ausgiebig als wäre er nie verletzt gewesen. Keine seiner Wunden war noch zu sehen.
Das Tier blickte sich mit aufgestellten Ohren um, und hob erst dann den Kopf als eine zitternde Hand über seinen Kopf streichelte.
Ein völlig erschöpftes Gesicht lächelte auf es herab und flüsterte leise.
Xii, jetzt schau doch nicht so vorwurfsvoll! Ich sollte eher dich tadeln in so eine Falle zu tappen!“
Xii hingegen fand das ganze nicht sehr amüsant und sprang von den Beinen ihrer Freundin runter. Schnuppernd hielt sie die Nase in den Wind und hüpfte einmal im Kreis bevor sie wütend los fauchte.
Wo um alles in der Welt sind wir hier? Ich kenne diese Gerüche nicht, und fühle mich meiner Kraft beraubt.“
Sie setzte sich auf ihre Hinterläufe und betrachtete eine ihrer Pfötchen.
Diese Gestalt... ist so winzig! Ich habe schon versucht meine Form wieder anzunehmen aber es geschieht nichts!
Lilly! Was habt ihr mit uns gemacht!? Sagt dem Stab Morendras er soll uns wieder zurück schicken!“
Die junge Frau schürzte nachdenklich die Lippen und kratzte sich hinter einem ihrer Ohren.
Ein leises Seufzen war zu hören dann blickte sie hinauf in die Baumkronen.
Ja weißt du... Was den Stab betrifft... ich befürchte ich habe ihn verloren.“
Xii stellten sich augenblicklich die Haare auf und sie machte einen Katzenbuckel.
Verloren? Das kann nicht euer ernst sein! Ihr habt den Stab Morendras verloren? Das heiligste und mächtigste Relikt das eurem Volk noch geblieben ist? Ich kann einfach nicht glauben...“
Bevor der kleine Fuchs seine Standpauke weiter führen konnte verdeckte eine Hand seine Schnauze.
Zornig schnappte Xii nach der Hand und verspürte Enttäuschung als sie zu schnell wieder zurück gezogen wurde.
Immerhin hast du deine Zunge nicht verloren! Also denken wir mal optimistisch.
Er muss hier irgendwo sein. Als wir... vom Himmel gefallen sind ist er mir aus der Hand geglitten und liegt sicher nur wenige Meter entfernt herum.“
Sichtlich motiviert stemmte Lilly sich auf die Beine und knickte sofort wieder ein.
Erschöpft fuhr sie sich über die Stirn und holte tief Luft.
Gib mir nur ein paar Minuten. Irgendwie bin ich wohl ein wenig eingerostet.“
Xii starrte sie dunkel an und schwieg bevor sie ihre Freundin wirklich noch anfiel. Ihren Optimismus konnte sie nicht ganz teilen.
Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht, und sie wollte nicht lange genug an diesem Ort bleiben um herauszufinden was es war.

Er hörte den zornigen Fluch nicht einmal den der Jogger ihm nachrief , der fast von ihm über den Haufen gerannt wurde. Krampfhaft versuchte er zu verdrängen was eben in dem Wald passiert war, den er jetzt so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte.
Nichts davon konnte er sich erklären, es passte nicht in seine Logik.
Wenn das ein Traum war, wieso wachte er dann nicht auf? Er bemerkte den Schmerz wie seine Umhängetasche beim Rennen immer wieder gegen seine Beine schlug, er merkte wie die kühle Luft in seinen Lungen wegen der Anstrengung begann zu brennen und er merkte wie bescheuert er aussehen mochte, so wie ihn jeder Passant anstarrte.
So langsam ging ihm die Puste aus und er drosselte sein Tempo als er den Wald mit dem kleinen Park hinter sich ließ und auf eine belebtere Straße einbog.
Japsend stützte er sich auf seinen Knien ab und wartete das sein Puls sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Fest kniff er seine Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander bis aus ihnen jegliche Farbe gewichen war.
In Ordnung Philipp... Du reißt dich jetzt zusammen, bringst den Tag hinter dich und schläft danach mindestens vierzehn Stunden.
Dann ist alles wieder normal! Keine Halluzinationen mehr!“
Langsam stellte er sich wieder gerade hin, richtete sich mit der rechten Hand seine Brille und fuhr sich durch sein wuscheliges, braunes Haar.
Als wäre nichts gewesen schlenderte er in die Universität wie an jedem anderen normalen Tag auch.
Er setzte sich stumm auf seinen Platz in dem großen Saal und lauschte den Worten die auf ihn einprasselten, machte Notizen ohne wirklich zu zuhören.
Mit aller Konzentration versuchte er sich an seinem Alltag fest zu klammern, zu vergessen was er an diesem Morgen erlebt hatte.
Doch immer wieder schlich sich diese Erinnerung in seine Gedanken. Vor seinem inneren Auge sah er türkisfarbenes Haar und ein grünes Licht. Äste die wuchsen und innerhalb weniger Momente Blätter trugen wie ein Baum im Frühling.
In diesen Augenblicken biss er sich fest auf die Unterlippe und konzentrierte sich noch mehr auf seine Umwelt.
Der Morgen wich dem Nachmittag und er hatte es endlich geschafft das ganze Erlebte als ein Hirngespinst abzutun. Alles bekam eine Logik. Er war einfach übermüdet gewesen und der Schlafmangel gepaart mit zu spätem essen hatte ihm einen Streich gespielt.
Sogar die Stelle an der er die Kopfnuss bekommen hatte, was in Wirklichkeit ja nicht passiert war, tat schon nicht mehr weh.
Natürlich gab es auch keinen Grund wieso er nicht den üblichen Umweg durch das kleine Waldstück nehmen sollte. Stur, den Blick nach vorn gerichtet ging er zügig auf den schmalen Kiesweg und ließ das eiserne Gatter hinter sich.
Gut die Hälfte hatte er schon geschafft und ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen. Was hatte er auch erwartet? Das diese Traumgestalt irgendwo hinter dem nächsten Busch saß und lauerte bis sie ihn anspringen konnte?
Er gab einen verächtlichen Laut von sich und ein Grinsen zeichnete sich auf seinen Zügen ab.
Augenblicklich gefror es zu Eis und seine Füße erstarrten.
Es war kein Busch hinter dem sie saß, sondern eine ganz gewöhnliche Parkbank.
Als hätte sie seinen Duft gewittert sah sie auf und lächelte ihn freundlich an.
Da bist du ja endlich! Du warst so plötzlich weg und meine Beine waren so weich das ich dich nicht suchen konnte. Eigentlich war das ganz schön unhöflich von dir.
Aber immerhin hast du Xii für mich gefunden, und ich konnte mich noch gar nicht bedanken.“
Mit jedem ihrer Worte klappte seine Kinnlade ein Stückchen mehr herunter.
Die Arbeit des ganzen Tages war zunichte gemacht worden, in nur einem kleinen Augenblick.
Seine beiden Hände ballten sich zu Fäusten und begannen zu zittern. Wütend machte er einen Schritt auf sie zu und setzte ihr seinen Zeigefinger auf die Brust.
Lass mich einfach in Ruhe! Ich habe den ganzen Tag gebraucht um mir zu sagen das es dich nicht gibt und dass das alles heute Morgen gar nicht passiert ist, verstanden?“
Die junge Frau legte den Kopf schief und blinzelte ein paar mal verwirrt.
Mich soll es nicht geben? Aber ich stehe doch hier. Was redest du für wirre Dinge?“
Noch mehr verwirrte er sie als er die Arme in die Luft riss und wütend aufschrie. Xii, die sie in der Armbeuge trug zuckte mit den Ohren und murrte wegen der Lautstärke die der Kerl an den Tag legte.
Bevor sie ihn fragen konnte ob ihm denn etwas weh tat rannte er schon wieder los und beharrte darauf das sie ihn in Ruhe lassen sollte.
Lilly war aber von ihren Eltern gut erzogen worden und würde ihn nicht so einfach entkommen lassen ohne sich richtig bedankt zu haben.
Außerdem trug sie die Hoffnung in sich das er ihr helfen könnte den Stab Morendras wiederzufinden, schließlich hatte er auch Xii gefunden!
Da sie wieder fit war nahm sie unverzüglich die Verfolgung auf und rannte Philipp hinterher.
Sie staunte nicht schlecht wie schnell er war, als würde er um sein Leben rennen.

Völlig außer Atem hatte er endlich das Elternhaus erreicht und bog in Windeseile in die Einfahrt ab.
Noch einen Blick warf er über die Schulter, aber von dieser Verrückten war nichts zu sehen.
Er schickte ein Stoßgebet gen Himmel und fischte mit zitternden Händen seinen Schlüsselbund hervor.
Fluchend brauchte er ein paar Anläufe bis er es geschafft hatte die Tür zu öffnen und sie unter lautem Knall wieder hinter sich zu schließen.
Mit beiden Händen stützte er sich auf seinen Knien ab und schnappte einige Male nach Luft.
Ich glaube das alles einfach nicht...“
Unter einem Stöhnen streifte er sich die Schuhe ab und schob sie mit dem Fuß auf die Matte. Seine Eltern waren noch arbeiten und seine Schwester würde erst in einigen Stunden nach Hause kommen, also genug Zeit sich hinzulegen, zu schlafen und hoffentlich ohne wild gewordene Cosplayerinnen aufzuwachen.
Eilig stapfte er die Treppe in den ersten Stock hinauf und öffnete die Tür zu seinem Zimmer.
Achtlos ließ er die Tasche zu Boden fallen und auch die Sweatjacke wurde von seinen Schultern gestreift und blieb mitten im Zimmer liegen.

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