Das
Flüstern im Geiste
Weit oben, im Norden des Kontinentes
Odaris, wuchs ein junger Mann mit dem Namen Artham heran.
Der Sohn eines Metzgers benahm sich
schon in jungen Jahren sehr sonderbar. Mit den Kameraden seines
Alters wollte er nichts zu tun haben. Während sie sich gern rauften,
um zu zeigen wie stark sie waren, dem Wunsch nacheiferten einst in
der königlichen Armee zu dienen, oder sich des Abends in dem
hiesigen Gasthaus betranken, zog es den schweigsamen Artham hinaus in
die Stille der Wälder.
Niemand wusste recht was er dort tat,
lange tolerierten seine Eltern dieses Verhalten, doch dann kam der
Tag an dem ihre Geduld zu Ende war. Sie wollten das Geschwätz der
anderen Dorfbewohner nicht länger ertragen. Sein Vater erwartete von
ihm, bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen, wenn er am nächsten Morgen
ein Schwein schlachtete.
Artham aber weigerte sich, stattdessen
versuchte er, wie so oft schon, seinen Vater davon zu überzeugen,
dass es falsch war was er tat. Menschen konnten ihren Hunger
anderweitig stillen, es müssten keine Tiere dafür sterben.
Abermals kochte ein Streit zwischen
Vater und Sohn auf. Artham blieb wie immer vollkommen ruhig, beharrte
auf seiner Meinung, was seinen Vater nur noch wütender machte.
Seinem Sohn drohte er, wenn er sich
nicht in die Gesellschaft einfügte, würde er ihn aus dem Haus
werfen und des Dorfes verjagen.
Artham aber sprach, dass er sich die
Mühe nicht machen müsste, er würde seinem Herzen folgen das ihm
schon lange sagte, er gehöre hier nicht länger hin.
So war es dann, als der Vater die Stube
des Sohnes am nächsten Morgen betrat, er diese leer auffand.
Artham war in die Wälder gegangen,
allein mit der Kleidung die er am Leib getragen hatte, und kehrte nie
wieder in das Dorf zurück.
Zufriedenheit machte sich im Herzen
Arthams breit, er lebte von dem was der Wald ihm gab, erkundete die
Wunder der Natur, derer er niemals müde wurde, und genoss die
friedliche Stille um ihn herum.
Einst, nachdem viele Neumonde ihren
Kreis am Firmament gezogen hatten, fand er ein junges Mädchen auf
einem Pfad. Es weinte bitterlich, denn es hatte sich mit seinem Bein
beim Pilze sammeln in einer Flechte verheddert. Die Flechte war sie
los geworden, doch nun brannte ihre Haut, überall wo sie damit in
Berührung gekommen war, wie Feuer. Dazu waren ihre Beine und die
Hände mit schmerzhaften Blasen übersät.
Artham beruhigte das junge Mädchen,
sie sei mit Teufelsefeu in Berührung gekommen, doch er wüsste ein
Mittel sie wieder genesen zu lassen.
Rasch hatte er mit einigen Kräutern
einen Umschlag gemacht, den er um die schmerzenden Stellen ihres
Körpers legte. Nicht lange und die Tränen des Kindes waren
getrocknet, da seine Kräuter ihr Linderung verschafften. Glücklich
rannte sie zurück in ihr Dorf um von dem Fremden zu erzählen.
Die Kräuterweiber des Dorfes kannten
die Wirkung von Teufelsefeu und waren ganz aufgebracht darüber, dass
es einen Fremden dort draußen geben sollte, der eine Heilung gegen
die Qualen kannte, die dieses Gewächs hervorrief.
Dutzende von Männern durchstreiften
die Wälder bis sie den Fremden fanden. Sie baten ihn mit ihnen zu
kommen, und obwohl Artham nicht gern unter Menschen weilte, folgte er
den Männern gern wenn er helfen konnte.
Die Kräuterweiber baten ihn ein wenig
nur zu bleiben, damit sie von ihm lernen konnten. Artham tat ihnen
den Gefallen, ein Zimmer aber schlug er aus, für die Ruhe des
Schlafes brauchte er die friedliche Obhut seines Waldes.
Nicht nur in dem Dorf, sondern auch im
gesamten Umland sprach sich das Wissen des Mannes aus den Wäldern
herum. Vor überall her kamen Heiler, Apotheker, Bader, Medici und
sogar Mönche eines abgelegenen Klosters aus den Bergen, nur um den
Lehren des Artham zu lauschen.
Allmählich wurde Artham all das
Aufsehen zu viel. Die Menschen bedrängten ihn, stellten unerlässlich
Fragen um Fragen. Daher entschied er sich wieder seines Weges zu
ziehen.
Ein Medicus aber stellte sich ihm in
den Weg, seine Augen glänzten vor Verzweiflung, er bettelte und
flehte dass er nicht gehen dürfe. Sein Wissen sei wichtig für all
die kranken Menschen, schon jetzt in der kurzen Zeit, habe er durch
seine Hilfe so viele Menschen nach langem Leiden Genesung
verschaffen.
Artham aber sagte, dass sein Wissen
jeder erlangen könne, er müsste nur lange genug die Wunder der
Natur betrachten, um von ihr zu lernen. Nichts anderes habe auch er
getan.
Der Medicus aber blieb standhaft, bat ihn inständig zumindest anderen dabei zu helfen, dieses Wissen zu erlangen. Er legte sich die Hand auf das Herz und sprach „Der Medicus handelt, die Natur heilt. Erst das Wort, dann die Pflanze, zuletzt das Messer.“ Seit er von Artham gelernt hätte, habe er nicht einmal mehr das Messer gebraucht. Sein Flehen berührte Artham und er entschied sich dazu, den Menschen zu helfen, von der Natur zu lernen.
Der Medicus aber blieb standhaft, bat ihn inständig zumindest anderen dabei zu helfen, dieses Wissen zu erlangen. Er legte sich die Hand auf das Herz und sprach „Der Medicus handelt, die Natur heilt. Erst das Wort, dann die Pflanze, zuletzt das Messer.“ Seit er von Artham gelernt hätte, habe er nicht einmal mehr das Messer gebraucht. Sein Flehen berührte Artham und er entschied sich dazu, den Menschen zu helfen, von der Natur zu lernen.
Mit fester Stimme sprach er, dass er
gewisse Anforderungen an seine Schüler haben werde. Artham würde
sich tief in die Wälder zurück ziehen, fern ab der Dörfer. Seine
Schüler müssten seinen Spuren folgen, und wenn sie es geschafft
hätten ihn zu finden, würde eine zweite Prüfung auf sie warten.
Nie wieder dürften sie einem anderen Lebewesen Schaden zufügen, es
sei denn um sich selbst und andere zu schützen. Es wäre ihnen
verboten Fleisch zu essen, sie müssen mit dem Leben was die Natur
ihnen freiwillig anbietet. Jeder der von ihm lernen möchte, müsse
die Gleichheit allen Lebens verstehen und akzeptieren. Egal ob
Mensch, ob Tier, ob Pflanze oder ein anderes Lebewesen, jede Form der
Existenz sei Gleich.
Nur wenn sie bereit seien, ein Leben in
Gleichgewicht mit der Natur zu führen, bräuchten sie sich auf den
Weg machen.
Mit diesen Worten verließ Artham die
Dörfler und zog sich wieder in die Stille der Wälder zurück.
Viele Menschen empfanden seine
Lebensweise zu enthaltsam, daher machten sich nur sehr wenige auf die
Suche nach ihm.
Doch jeder der ihn fand, und bereit war
seine Lehren anzunehmen, wurde von ihm mit offenen Armen empfangen.
Seine Schüler trugen zu Beginn
Notizbücher bei sich, Artham aber wollte nicht dass sie ihr Wissen
nieder schrieben, er wollte dass sie es verinnerlichten.
Nicht wenige machten sich nach einigen
Mondwechseln wieder auf die Heimreise, da sie Arthams Ansprüchen
nicht gerecht waren, oder sich nicht an seine Lebensweise gewöhnen
konnten.
Nur all jene, welche die Natur so sehr
liebten und respektierten wie er selbst, blieben. So geschah es dass
Artham gefallen daran fand, mit anderen seine Sichtweise zu teilen
und gründete den Orden der Druiden.
Viele Male umkreiste Dravasuum die
Sonne, der Orden wuchs langsam, gewann mehr und mehr Ansehen auf ganz
Odaris, bis ein leises Flüstern an die Ohren von Artham drang.
Schon früher hatte er dieses leise
Säuseln vernommen und tat es als Flüstern des Windes ab. Nun aber
wurde es immer deutlicher und durchdrang viel öfter seinen Geist.
Immer wenn er einen Schüler fragte, ob
er das Flüstern auch vernommen hatte, verneinten er. Niemand sonst
konnte die leise Stimme hören.
Arthams Lippen verzogen sich zu einem
Lächeln wenn er diese liebliche Frauenstimme vernahm. Immer öfter
durchstreifte er Tag und Nacht die Wälder um ihrem Ursprung auf den
Grund zu gehen. Unter seinen Schülern wurde das Gerede laut er
könnte dem Wahnsinn anheim gefallen sein.
Artham gefiel es nicht wie seine
Schüler über ihn redeten, seiner Meinung nach war es die Natur
selbst die mit ihm sprach, sie müssten nur aufmerksamer zuhören,
dann auch könnten sie ihre Stimme hören.
Doch er stieß bei ihnen nur auf
sorgenvolle Blicke und Kopfschütteln. Er wollte nicht dass der Gram
gegen seine Schüler wuchs und er so etwas wie Wut mit der Zeit gegen
sie empfinden könnte, daher verließ er seine Heimat in den Wäldern
und folgte der lieblichen Stimme in seinem Geist, die ihm sagte, er
solle zu ihr kommen.
Seine lange Reise führte ihn immer
weiter in den Norden, seine Füße betraten ein Land, in welches noch
nie ein Mensch vor ihm einen Fuß gesetzt hatte. Dicht an dicht
wuchsen Bäume und Pflanzen, erschwerten das Vorankommen, machten es
schier unmöglich. Doch das Flüstern in seinem Geiste ermutigte ihn
weiter zu gehen. Artham sah im dichten Unterholz wilde Tiere, die
seine Augen noch nie zuvor erblickt hatten. Tiere die ihm kalte
Schauer über den Rücken jagten und ihm vor Furcht die Knie weich
werden ließen. Die Stimme aber sagte ihm, sie würden ihm nichts
tun, sie wüssten dass er nichts böses im Schilde führte und auf
dem Weg zu ihr war.
Seine Reise dauerte eine endlos lange
Zeit, dann endlich erreichte er das Herz des Waldes. Eine immergrüne
Lichtung erstreckte sich vor seinen Augen, saftig grünes Gras wog
sich leicht im lauen Sommerwind. Der Gesang von Vögeln drang an sein
Ohr, und ein Geruch wie von hunderten Blumenwiesen erfüllte seine
Sinne.
Wenn auch, er sein Leben in der
Herrlichkeit des Waldes verbracht hatte, war er sich sicher nie etwas
schöneres gesehen zu haben. Am Ende der Lichtung schraubte sich ein
gigantischer Baum in die Höhe, dessen Krone weit über der, der
anderen Bäume hinauf ragte. Es überstieg seine Vorstellungskraft,
sich das Alter des Baumes auszumalen.
Langsam, und vollster Ehrfurcht trat er
weiter an den Baum heran. Das Flüstern erklang in seinem Geiste
klarer und deutlicher als jemals zuvor. Der Baum selbst war es, der
Artham zu sich gerufen hatte.
Morendras, Mutter allen Lebens, Erste
ihrer Art, befand sich vor ihm.
Hinab, von hoch oben, fiel eine Frucht
zu Boden und rollte vor seine Füße. Artham blickte fragend auf die
Frucht hinab und hob sie auf. Ihr süßlicher Duft war verführerisch,
er konnte dem Drang kaum widerstehen seinen Hunger mit ihr zu
stillen. Die Stimme von Morendras erklang abermals in seinem Geist.
Mit seiner Liebe zu der Natur, und dem Respekt vor allem Leben, hatte
er sich auch ihren Respekt verschafft. Nie hatte es einen Menschen
auf dieser Welt gegeben, der sie so sehr beeindruckt hatte wie
Artham. Sein ganzes Leben lang war er seinem Pfad treu geblieben ohne
auch nur einmal ins Wanken zu geraten.
Diese Frucht sollte ihr Dank an ihn
sein, denn diese Frucht würde ihm unendliches Leben schenken.
Artham legte die Frucht zu Morendras
Wurzeln und blickte mit einem Lächeln zu ihr hinauf. Dankend lehnte
er ihr Geschenk ab, sie fragte warum.
Als Antwort gab er ihr, dass der Tod
ein Teil des Lebens war, welches er so sehr liebte. Oft wurde neues
Leben erst durch den Niedergang eines anderen geboren, es war ein
ewiger Kreislauf den er nicht gewillt war zu unterbrechen.
Obwohl sie beide so unterschiedlich
waren wie das Leben selbst, verband sie eine tiefe Liebe.
Artham wich nicht mehr von ihrer Seite,
keinen einzigen Tag. Mehr und mehr wurde auch er ein Teil von
Morendras, bis sie unzertrennbar verbunden waren, bis ans Ende aller
Zeiten.
Schon im folgenden Frühjahr trug der
Baum Morendras Knospen, wie es sie noch nie gegeben hatte. Aus ihnen
entwuchs ein neues Leben. Wesen mit menschlicher Gestalt und den
Merkmalen der verschiedensten Pflanzen. Wesen die so selten waren,
dass sie für viele Menschen immer ein Mythos blieben. Die Ellydren.
Lange noch warteten die Druiden des
Ordens auf ihn, doch Artham kehrte nie wieder zu ihnen zurück. Auch
wenn ihr großer Lehrer von ihnen gegangen war, und manch einer
glaubte, er sei dem Wahnsinn anheim gefallen, empfanden sie alle
Dankbarkeit ihm gegenüber.
Er war der erste Mensch der andere auf
den Pfad der Natur geführt hatte, und seine Lehren wurden
unsterblich. Manche Druiden des Ordens zogen hinaus in die Welt um
seine Worte zu verbreiten. Sie gründetet neue Orden, nahmen
ihrerseits Schüler auf und lehrten sie den Pfad des Artham.
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